Bei einer außerordentlichen Ratsversammlung hat der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) am gestrigen Sonntag eine umfassende Satzungsreform beschlossen. Die auffälligste Neuerung betrifft den Namen der Organisation, die damit zum Zentralrat der Konfessionsfreien wird. Mit dieser Namensänderung definiert der künftige Zentralrat auch seine Rolle neu: "Pünktlich zur neuen Wahlperiode des Deutschen Bundestags stellen wir uns als Lobbyorganisation auf", so der Vorsitzende Dr. Rainer Rosenzweig, "die sich für die Rechte und Interessen konfessionsfreier Menschen in Deutschland gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestages stark macht."
Für diese Arbeit hat der KORSO einen Repräsentanten beauftragt, den Zentralrat der Konfessionsfreien ab Oktober in den Medien und gegenüber der Politik zu vertreten: Philipp Möller, Pressereferent und langjähriges Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung, einer der Gründungsorganisationen des KORSO.
Seine Öffentlichkeitsarbeit im säkularen Spektrum begann er als Pressesprecher der Buskampagne und brachte mit "Disput / Berlin!" die Eckpunkte von Humanismus und Aufklärung in die Sozialen Medien. Er trat vielfach in TV-Talkshows auf, unter anderem bei Anne Will, Markus Lanz, Sandra Maischberger, Maybritt Illner und im Nachtcafé; sein vorletztes Buch "Gottlos Glücklich" wurde zum SPIEGEL-Bestseller.
Weitere Satzungsänderungen betreffen die Organisationsstruktur des künftigen Zentralrats: Seine Mitgliedsverbände werden nach der neuen Satzung durch einen Verbandsrat repräsentiert. Zusätzlich dazu wird ein Expertenrat etabliert, der den Zentralrat der Konfessionsfreien in fachlichen Fragen beraten wird.
Der Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften hat sich entschlossen, diesen Weg nicht mitzugehen und verlässt den KORSO, der dafür allerdings zwei neue Mitgliedsorganisationen gewinnen konnte.
Aufgenommen wurde die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Sie setzt sich seit 1980 für die Selbstbestimmung am Lebensende ein und vertritt bundesweit fast 22.000 Mitglieder und knapp 2.500 weitere Unterstützer. Hinzu kam außerdem die Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender (BAGHS), in der sich rund 20 humanistische Hochschulgruppen zusammengeschlossen haben.
An der außerordentlichen Ratsversammlung des KORSO nahmen 18 Gäste und Delegierte aus zehn Mitgliedsorganisationen teil. Die Satzungsänderungen und damit auch die Umbenennung werden wirksam, sobald sie beim Amtsgericht eingetragen worden sind. Bis dahin ist der Zentralrat im Netz noch unter seiner bekannten Adresse erreichbar.
Erstveröffentlichung auf der Webseite des KORSO.
13 Kommentare
Kommentare
Hartmut Damerow am Permanenter Link
Das ist ein guter Vorschlag, der Unterstützung verdient.
anne nerede am Permanenter Link
Endlich tut sich mal was.
malte am Permanenter Link
Den Namen finde ich ziemlich vermessen.
Andreas Leber am Permanenter Link
Die dt. Politik ist sich nicht zu schade, mit diesem "Zentralrat der (von Erdogan und Konsorten kontrollierten nichtrepräsentativen Teilmenge der) Muslime" zusammen zu arbeiten.
Welche Ausrede hätte dieselbe Politik nun ggüb. dem "Zentralrat der (nichtrepräsentativen Teilmenge der) Konfessionsfreien"?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Meinen Glückwunsch zu dieser Entscheidung und Grüße an Philipp Möller, von dem ich lange nichts mehr gehört habe, aber sicher in Zukunft wieder einiges hören werde.
Christian Meißner am Permanenter Link
Glückwunsch zu dieser konsequenten Entscheidung für eine Satzungsänderung und Glückwunsch, Philipp Möller!
Ricarda Hinz am Permanenter Link
1933 wurden die säkularen Verbände von den Nazionalsozialisten zerschlagen. In ihrem Büro in der Gneisenaustraße in Berlin richteten die Nazis eine "Wiedereintrittsstelle" der evangelischen Kirche ein.
Thomas Oppermann am Permanenter Link
Naja, ob der "Zentralrat der Konfessionsfreien", die Fortsetzung der Freidenkerbewegung ist, wage ich zu bezweifeln.
Werner Runde am Permanenter Link
Ein guter Anfang, der hoffentlich dazu führt, dass die Anliegen der Konfessionsfreien mehr Gehör finden, auch in Rundfunkräten und sonstigen Gremien, in denen die religiösen Gruppierungen wie selbstverständlich vertre
Hans Trutnau am Permanenter Link
Passt pestens (sic!).
Und auch, dass es K...-freien statt -losen heißt!
Horst Groschopp am Permanenter Link
Michael Schmidt-Salomon trug am 19. November 2004 für die gbs erstmals das Projekt eines Zentralrates der Konfessionsfreien in der Humanistischen Akademie in Berlin vor.
Es lohnt ein Blick zurück auf Diskussionen ab Ende 2004 bis zur Gründung des KORSO vier Jahre später und die danach. Sie brachten wichtige Befunde zutage, besonders was die Subjektunfähigkeit der Konfessionsfreien betrifft, bei denen unklar ist, wer sie sind: Frei in der Konfession, frei von religiösen Konfessionen, inwiefern sind Weltanschauungsgemeinschaften Bekenntnisorganisationen (also letztlich „Konfessionen“) usw. Diese Unterschiede definieren auch mögliche Interessen, unterschiedliche Konzeptionen der Säkularisierung, der Gleichbehandlung, der vollständigen Trennung von Staat und Kirche oder von allen organisierten Bekenntnissen – ungeachtet der Marktinteressen an sozialen Dienstleistungen bzw. der Inflation medialer Sinnangebote.
Angesichts dieser objektiven Differenzen besteht die Gefahr, der neue ZRK ist eher eine Agitationsmaschine mit begrenzter Laufzeit.
Dennis Riehle am Permanenter Link
Als konfessionsloser Christ störe ich mich an der Vereinnahmung durch den umbenannten „Koordinierungsrat säkularer Organisationen“.
Nicht nur die personelle Besetzung, sondern auch die Mitgliedsorganisationen machen deutlich, dass es sich in erster Linie um einen Zusammenschluss von atheistischen und laizistischen Verbänden handelt, weniger um Konfessionslose im eigenen Sinn – die im allgemeinen Sprachverständnis als der Kirche ferne Personen, aber nicht zwingend religiös bekenntnisfreie Menschen verstanden werden.
Das offenbar bewusste Ansinnen, mit der Betitelung der „Konfessionsfreien“ eine weit über das säkulare Spektrum hinausgehende Menge anzusprechen und damit letztlich den Anschein zu erwecken, deutlich mehr Bürger zu vertreten als in Wahrheit möglich, irritiert und lässt vermuten, wonach man sich größer machen will, als man tatsächlich ist. Denn zweifelsohne begehren die Atheisten in Deutschland einen besseren Stand, als sie ihn momentan haben.
Nachdem ich über mehrere Jahre auch der Bewegung des Evolutionären Humanismus angehörte, weiß ich um den dortigen Wunschgedanken nach mehr Einfluss und Mitsprache in politischen und gesellschaftlichen Fragen. Allerdings belügt sich die Dachorganisation bewusst selbst, wenn sie davon träumt, schon bald mit Katholiken und Protestanten zahlenmäßig auf einer Stufe zu stehen.
Denn: Nicht jeder Mensch, der die Kirche verlässt, kann automatisch zum säkularen Spektrum gezählt werden. Im Gegenteil: Man muss davon ausgehen, dass dem Weggang aus einer Konfession vorrangig nicht-religiöse Gründe wie die Kirchensteuer, die Missbrauchsfälle oder eine persönliche Zerrüttung zugrunde liegen. Insofern bleiben die meisten Menschen, die die Kirche verlassen, gläubig – und zumeist auch den wesentlichen Überzeugungen des Christentums treu.
Offiziell sind sie mit ihrem Ausscheiden aus ihrer Religionsgemeinschaft aber „konfessionsfrei“. Ich empfinde es als übergriffig, wenn diese Personen vom neuen Zentralrat zu okkupieren versucht werden. Immerhin wird der fälschliche Eindruck erweckt, wonach Konfessionsfreie zwangsläufig als laizistisch, atheistisch oder zumindest evolutionär-humanistisch geprägt seien. Diese Verzerrung dient allein der Besserstellung dieser Institution in der öffentlichen Wahrnehmung, spiegelt aber keinesfalls die Realitäten wider.
Ich möchte als konfessionsloser Christ nicht dazu zweckentfremdet werden, die Zahl der Säkularen künstlich nach oben zu treiben. Insofern widerspreche ich ausdrücklich und verwahre mich dagegen, vom selbsternannten Zentralrat repräsentiert zu werden.
Philipp Möller am Permanenter Link
Sehr geehrter Dennis Riehle,
Vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen, auf die wir hier gern näher eingehen. Dass Sie die Umbenennung des KORSO in den Zentralrat der Konfessionsfreien nicht begrüßen, bedauern wir; zugleich haben wir nie damit gerechnet, diesen Weg ohne Widerstand beschreiten zu können – zumal von religiöser Seite nicht. Daher widersprechen wir Ihnen in einigen Punkten entschieden und formulieren abschließend unser Selbstverständnis.
Denn dieses Selbstverständnis beinhaltet nicht primär, die Interessen "konfessionsloser Christen“, wie Sie sich bezeichnen, zu vertreten. Sie mögen sich zu keiner der christlichen Konfessionen bekennen, aber indem Sie sich als Christ bezeichnen, bekennen Sie sich doch zur Lehre des Christentums. Wir möchten auch Ihrer Auffassung widersprechen, „Konfessionlose“ würden "im allgemeinen Sprachverständnis als der Kirche ferne Personen, aber nicht zwingend religiös bekenntnisfreie Menschen verstanden.“
Dieses Sprachverständnis stammt unseres Erachtens aus einer Zeit, in der die Frage nicht lautete: bist du religiös oder nicht?, sondern immer nur: bist du katholisch oder evangelisch? – weil eben weit über 90% der Menschen in Deutschland vollkommen selbstverständlich Christen waren. Diese Zeiten sind aber längst vorbei, die Gesellschaft ist weltanschaulich deutlich vielfältiger geworden. Eine „Konfession" ist nicht nur das Bekenntnis zu einer bestimmten Spielart einer bestimmten Religion, sondern wird (auch im steuerrechtlichen Sinne) als ein Bekenntnis zur Religion verstanden.
Auch wollen wir nicht behaupten, alle Konfessionsfreien seien Atheisten – der Atheismus ist nur ein Aspekt unserer Arbeit und ganz sicher nicht der zentrale. Viele Menschen in unserem Spektrum verstehen sich als Agnostiker, und mit der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) haben wir kürzlich einen Mitgliedsverband aufgenommen, bei dem es weder um Atheismus noch um Religionskritik geht, sondern um die ausgesprochen konkrete Frage, warum der Staat sich anmaßt, den Menschen das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende abzusprechen – was das Bundesverfassungsgericht schon längst als verfassungswidrig bezeichnet hat.
Und das wiederum führt zu unserem eigentlichen Ziel: die religiös-politische Bevormundung und Einschränkung zu überwinden. Dass Sie, Herr Riehle, unsere Namensgebung als „übergriffig" empfinden und sich „zweckentfremdet“ fühlen, tut uns gewissermaßen leid, aber das werden wir angesichts der tatsächlichen Übergriffigkeit des Staates und der Religionsgemeinschaften aushalten müssen – und Sie auch. Wir wollen uns nicht größer machen als wir sind, sondern wir wissen:
Schon jetzt gehören 41% der Menschen in Deutschland keiner Religionsgemeinschaft an. Diese Menschen weisen in all unseren relevanten Themen eine sehr hohe Übereinstimmung auf: Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe, Religionsunterricht, Kirchenfinanzen und -privilegien, kirchliches Arbeitsrecht, die Besetzung von Rundfunkräten … Und diese Einforderung des Rechts, ein Leben frei von Religion und religiöser Bevormundung leben zu können, geht weit über die 41% hinaus; sie ist unsere stärkste Legitimation. Denn kurz gesagt sprechen alle Fakten dafür, dass die Menschen schlicht keine Lust mehr haben, sich ihr Leben von selbsternannten Gottesvertretern oder deren Vertretern in der Politik vorschreiben zu lassen – und diese Haltung lässt sich mit der eigenen Konfessionsfreiheit am besten ausdrücken.
„Wer entscheidet über mein Leben?“, hat sogar das Sozialforschungsinstitut der EKD gefragt, und die Antwort lautete: „Ich.“ Gerade mal 20% der jungen Menschen, die zur katholischen oder evangelischen Kirche beigetreten wurden, bezeichnen sich heute als religiös. (1)
Wenn Sie also schreiben: "Nicht jeder Mensch, der die Kirche verlässt, kann automatisch zum säkularen Spektrum gezählt werden“, müssen Sie diese Aussage auch einmal umdrehen: Nicht jeder Mensch, der als Kind ungefragt getauft wird und damit als offiziell religiös gilt, teilt die weltanschaulichen Überzeugungen der Religionsgemeinschaften, und schon gar nicht die politischen.
Und genau darum geht es uns als Zentralrat der Konfessionsfreien: um die Politik. Schon in wenigen Jahren wird die sehr meinungshomogene Gruppe der Konfessionsfreien mehr als die Hälfte der Bevölkerung darstellen. Dass die expliziten Interessen dieser Menschen auch heute noch politisch ignoriert und eingeschränkt werden, ist nicht länger hinzunehmen – genau das wird der Zentralrat der Konfessionsfreien ändern.
(1) https://www.siekd.de/wp-content/uploads/2018/11/Broschuere-Was-mein-Leben-bestimmt.pdf