Wie die Länder den digitalen Kirchenaustritt blockieren

Wer aus einer der Kirchen austreten will, muss sich auf längere Wartezeiten einstellen. Der Andrang ist groß und zuletzt waren die Termine bei Gerichten und Behörden mancherorts Monate im Voraus ausgebucht. In Deutschland müssen Austrittswillige persönlich bei Amtsgericht beziehungsweise Stadtverwaltung vorsprechen oder den teureren Weg über den Notar nehmen. Erheblich einfacher wäre es, wenn sich der Austritt auf digitalem Wege erklären ließe, wie es das Online-Zugangsgesetz (OZG) vorsieht. Doch daran hapert es noch gewaltig, wie eine Recherche des Computermagazins c't zeigt.

Laut OZG müssen Bund, Länder und Kommunen bis Ende 2022 zahlreiche Verwaltungsakte auf digitalem Weg anbieten, darunter kann auch der Kirchenaustritt fallen. Bei diesem Thema hat Nordrhein-Westfalen eine Schlüsselrolle übernommen, denn der Austritt gehört zum Themenfeld "Engagement und Hobby", das von NRW bearbeitet wird. So sollte das Land etwa eine Austritts-Software entwickeln, die auch andere Bundesländer übernehmen können.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Für Aufsehen hatte ein:e Sprecher:in der Düsseldorfer Staatskanzlei im Juli gesorgt, als er:sie auf Anfrage der FAZ erklärte, dass diese das Projekt Online-Kirchenaustritt nicht weiter verfolge. Demnach habe das schwarz-grün regierte Land dem OZG-Entscheidungsgremium empfohlen, vom Online-Austritt Abstand zu nehmen. "Aufgrund der rechtlichen Unmöglichkeit" sei man dort dem Vorschlag gefolgt und das Projekt werde "nicht weitergehend betrachtet". Der:die Sprecher:in betonte weiter, dass das OZG den Gesetzgeber nicht verpflichte, den Online-Austritt durch Gesetzesänderung zu erlauben. So deutlich die Entscheidung, so vage die Begründung: "Unter die Digitalisierungspflicht des OZG fallen nur geeignete Verwaltungsleistungen."

Dennoch zwingt Düsseldorfs Blockade-Haltung die übrigen Länder nicht grundsätzlich zur Untätigkeit, denn das OZG räumt ihnen die Freiheit ein, eigene Progamme zu entwickeln. Laut c't wollten viele Länder – unabhängig, welche Parteien regieren – ihre Gesetze aber nicht ändern, obwohl Rechtsanpassungen bei OZG-Projeken durchaus üblich seien.

Sofern die Länder Gründe für ihre Haltung anführen, erscheinen die Argumentationen wenig stichhaltig. In Bayern sollen sich Standesbeamte beim Entgegennehmen der mündlichen Austrittserklärung auch weiterhin Gewissheit über die Person des Erklärenden verschaffen und die Erklärung auf ihre Wirksamkeit prüfen. Baden-Württemberg beruft sich bei seiner Ablehnung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2008. Damals schrieben die Richter, dass eine formlose oder in der Form vereinfachte Austrittserklärung im Vergleich zur persönlichen Vorsprache weniger Klarheit "über die Authentizität, die Ernsthaftigkeit und auch den genauen Zeitpunkt der Austrittserklärung" biete. Zu Recht weist c't angesichts dieser technisch überholten Argumentation auf Entwicklungen wie die verschlüsselte und rechtssichere De-Mail oder den digitalen Personalausweis hin.

Leidglich Berlin signalisiert in seinem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag das Vorhaben, den Online-Austritt anzubieten. Dazu bedarf es allerdings einer Änderung im Kirchenaustrittsgesetz; Voraussetzungen, Möglichkeiten und Vorgehensweisen würden derzeit geprüft. In Brandenburg erlaube zwar der rechtliche Rahmen eine digitale Austrittserklärung, jedoch müsse man einem:einer Regierungssprecher:in zufolge "schon aus finanziellen Gründen" prüfen, ob eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern möglich sei.

Mit ihrer Blockadepolitik rufen die Länder nicht nur die Kritik von Netzaktivisten wie dem digitalpolitischen Verein D64 und dem Verein für digitale Netzpolitik Load auf den Plan. Für den Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) hatte Hans-Joachim Horn bereits im Juni gefordert, dass im Onlinezeitalter der Austritt "eigentlich per Mausklick funktionieren" sollte. Oder "zumindest per eingeschriebenem Brief, wie bei jedem anderen Verein auch". In Düsseldorf waren die Kirchenaustrittstermine wegen der hohen Nachfrage teilweise auf Monate hin ausgebucht. Erst nach mehreren Offenen Briefen des DA! hat die Stadt ein wenig Abhilfe geschaffen. Nicht durch Digitalisierung, aber indem sie mehr Termine anbot.

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