Ob es sich bei weinenden Marienstatuen und ähnlichen Phänomenen um Betrug, Sinnestäuschung oder echte Wunder handelt, das soll zukünftig die neu eingerichtete Beobachtungsstelle der "Päpstlichen Marianischen Akademie" klären. In Kooperation mit wissenschaftlichen Experten und "immer in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt".
Weltweit wird darauf gedrängt, dass die katholische Kirche den über viele Jahrzehnte systematisch vertuschten sexuellen Missbrauch Minderjähriger in den eigenen Reihen endlich mit wesentlich stärkerem Nachdruck aufklären möge. Doch der Vatikan muss sich aktuell anscheinend um dringendere Probleme kümmern. Zum Beispiel um die Frage, ob eine gemeldete Marienerscheinung ein echtes Wunder ist oder bloß Humbug.
Zu diesem Zweck hat die Päpstliche Marianische Akademie Pontificia Academia Mariana Internationalis (PAMI) nun eine "Beobachtungsstelle für Erscheinungen und Mystische Phänomene im Zusammenhang mit der Gestalt der Jungfrau Maria" eingerichtet, wie das vatikanische Nachrichtenportal Vatican News unter Berufung auf den Heiligen Stuhl am vergangenen Donnerstag mitteilte. Die Beobachtungsstelle nahm demnach ihre Arbeit am 15. April offiziell auf.
"Das Gremium soll verschiedene Fälle von Marienerscheinungen analysieren und interpretieren. Dabei untersucht es Erscheinungen, Lakrimationen, innere Eingebungen, Stigmata und andere mystische Phänomene", berichtet Vatican News. Bei der Untersuchung der Echtheit der Pänomene werde die Beobachtungsstelle "mit Experten und Forschern sowie hochrangigen Persönlichkeiten aus dem wissenschaftlichen Bereich sowie mit kirchlichen Behörden kooperieren", erklärte Pater Stefano Cecchin, Präsident der PAMI, laut Vatican News. "Die Untersuchung, Authentifizierung und korrekte Verbreitung solcher Ereignisse" werde hierbei "immer in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt, den zuständigen Behörden und den geltenden Normen des Heiligen Stuhls zu diesem Thema" erfolgen.
Bereits zuvor oblag es in der katholischen Welt allein dem Vatikan zu beurteilen, ob Marien- und Heiligenerscheinungen, göttliche Eingebungen oder Reliquien als "echt" zu betrachten seien. Mit der Einrichtung der zentralen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen will Rom nun aber möglicherweise einem gewissen Wildwuchs im Marien-Segment des katholischen Mystik-Baukastens entgegentreten. Um deutlich die eigene Autorität in übernatürlichen Fragen zu unterstreichen, aber vielleicht auch, um bei der Aufdeckung schlechter Fakes durch andere nicht den gesamten katholischen Mystizismus zu gefährden.
Auffällig ist jedenfalls der Zeitpunkt, an dem die Ankündigung der Einrichtung jener Beobachtungsstelle an der Päpstlichen Marianischen Akademie stattfand. Sie erfolgte nur wenige Tage nachdem die italienische Tageszeitung Corriere della sera von erstaunlichen Entdeckungen hinsichtlich eines vermeintlichen – vom Vatikan allerdings nicht anerkannten – Marienwunders berichtet hatte.
Laut dem Corriere della sera hat die italienische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen eine 53-jährige Frau eingeleitet, die behauptet, im Besitz einer wundertätigen Marienstatuette zu sein, welche Tränen aus Blut weint. Diese sogenannte "Madonna von Trevignano" wurde in den vergangenen Jahren von Hunderten Pilgern besucht, die einer von der Besitzerin eingerichteten Stiftung laut Medienberichten teilweise hohe Spendenbeträge zukommen ließen. Der Privatdetektiv Andrea Cacciotti war der Sache nachgegangen und hatte jüngst erklärt, er habe herausgefunden, dass es sich bei den Tränen der Marienstatue um Schweineblut handelt.
11 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Siehe auch: https://www.weltquartett.de/site/marienerscheinungen.html
Ralf am Permanenter Link
was soll die andauernde billige Polemik gegen alles, was irgendwie "Kirche" sein könnte? hat der hpd gar nichts mehr zu sagen?
Thomas Henninger am Permanenter Link
Wo finden Sie in dem Artikel Polemik?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Mystik-Baukasten, schönes Wort.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
"A futile research for nothing" - wie Dr. Natalie Grams einmal die "homöopathische Grundlagenforschung" bezeichnete - passt auch hier.
Der Vatikan will die Sache aus seiner Sicht vermutlich unter Kontrolle halten. Er ist durchaus nicht daran interessiert, dass nun allerorten (wieder einmal) Marienwunder aus dem Boden sprießen. In Henry Morton Robinsons einmal sehr populären Roman "Der Kardinal" (der dem Autor, Gründer und Herausgeber des "Readers Digest", höchste Auszeichnungen des Vatikans einbrachte) gibt es einen Handlungsstrang, in dem solch ein Marienwunder auf einem Friedhof auftaucht und die beginnende Hysterie vom Ortsbischof rigoros abgewürgt wird, weil er kein Interesse daran hat, dass sich die Leute auf Aberglauben im Aberglauben fokussieren. Und das war ganz bestimmt kein religionskritisches Buch ... das trieft vor Religiosität und hatte auch ganz klar katholisch-missionarische Absicht in den USA.
Es war nie die Politik des Vatikans, mal eben "Wunder" anzuerkennen. An Lourdes (wo der Widerstand ja erst hartnäckig war und dann in ein glänzendes Geschäftsmodell umgewandet wurde, man lese Stefan Zweigs "Bernadette"-Roman) und auch an Fatima kam man irgendwann nicht mehr vorbei, weil die Begeisterung nicht mehr anders einzudämmen war. Medjugorje wird ja bis heute konsequent die kirchliche Zertifizierung verweigert und die wird auch nicht kommen.
Ich würde diese neue Beobachtungsstelle eher unter dem beschriebenen Kontrollaspekt sehen - offiziell die Spreu vom Weizen trennen, aber - aus Gründen - im Grunde so viel wie möglich zur Spreu zu sortieren. Natürlich aus anderen Motiven als wir Skeptiker sie haben, klar. Ich bin mir sehr sicher, dass der Vatikan kein Interesse am Schüren von Wundergläubigkeit hat. Das mag unter Johannes Paul II. etwas aufgeweicht sein, ist heute aber wieder klare Linie. Zu viel Volksgläubigkeit schadet der zentralen Lehre - und vor allem der zentralen Verkündigung. Dafür gibts eine Menge Beispiele in der Vergangenheit.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Stimme Ihrer Analyse voll zu. Man will Wildwucher im Aberglauben verhindern. Auch für den esoterischen Weizen will man gewisse Qualitätsstandards gewährleisten. Ein anderes Gebiet hierfür ist der Exorzismus.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wie lange schauen wir uns diese Scharlatanerie noch an? es gibt keine Wunder und auch
keine realistischen Marienerscheinungen, alles nur von hysterischen Frömmlern erfunden
Dabei ist diesen, sowie auch den Kirchen, jedes Mittel recht um die Menschen mit derartigen Lügen zu verdummen und ihnen Wunschdenken ein zu reden.
wolfgang am Permanenter Link
Kirchliches Leeramt!! Die Lehre der Kirchen leert die Kirchen. Und da wundert mich gar nischts mehr!
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Das Gremium wird das Tourismusministerium des Vatikans und wird alle Möglichkeiten ausnutzen um die Gläubige auf eine Reise zu locken oder den Glauben in gute oder strukturschwache Zielgebiete zu fördern.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Ich habe versehentlich "Mariacron"-Erscheinungen gelesen.
wolfgang am Permanenter Link
Da hat man schon die vielen Vorhäute vom Jesus, ein Grabtuch, eine Windel und wir trinken immer noch Wein aus Wasser gemacht, wann hört denn der Schwindel endlich auf?
(...)