Gedenkfeier für gbs-Gründer in Oberwesel

"Niemand kann Herbert ersetzen"

Am 23. April fand am Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) die Gedenkfeier für ihren Gründer Herbert Steffen statt, der im vergangenen Herbst im Alter von 88 Jahren verstorben war. Die Veranstaltung war bereits kurz nach Bekanntgabe ausgebucht gewesen – denn zahlreiche Wegbegleiter von nah und fern wollten es sich nicht nehmen lassen, sich von einem ganz Großen der säkularen Bewegung zu verabschieden – nicht in Trauer, sondern als Feier eines großartigen Lebens. So hatte er es sich gewünscht.

Wenn den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung etwas auszeichnet, dann ist es seine Vielfältigkeit an exzellenten Vertreter:innen ihrer Fächer – von Wissenschaft bis Kunst. Einer von ihnen war der junge Ausnahme-Pianist Adel Mohsin, der der erste war, von dem am neuen Stiftungssitz in Oberwesel ein Video angefertigt wurde. Eines, das Steffen ganz besonders mochte, wie die stellvertretende gbs-Vorsitzende Ulla Wessels wusste. Sie führte gemeinsam mit Michael Schmidt-Salomon, dem Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, durch das Programm zu Ehren des Lebenswerks von Stiftungsgründer Herbert Steffen. Die Feier fand im voll besetzten "Forum" des 2011 erbauten "Haus Weitblick" statt, das Steffen sehr liebte, malerisch gelegen oberhalb des Rheins, unweit des berühmten Loreley-Felsens. Bis zuletzt lebte und arbeitete er hier gemeinsam mit seiner Frau Bibi.

Seit Oktober 2022 ist Ulla Wessels Teil des Vorstandes der gbs. Dazu sagte sie: "Herbert lag daran, seine Nachfolge zu regeln (…). Natürlich kann ich Herbert nicht ersetzen. Niemand kann Herbert ersetzen. Aber was ich kann und versuchen will, ist in seinem Sinne weiterzumachen mit all denen zusammen, die die gbs zu dem gemacht haben, was sie jetzt ist." Vorstand, Geschäftsführung und Sekretariat hatten sich ein in jeder Hinsicht buntes Programm überlegt, das ein vielschichtiges Bild der multithematischen Ausrichtung der Stiftung mit all ihren Akteuren und Akteurinnen zeichnete.

"Niemand kann Herbert ersetzen"
Ulla Wessels, stellvertretende gbs-Vorsitzende

Ein immer wiederkehrendes Motiv war der selbstgewählte Titel von Herbert Steffens Autobiografie, die er im vergangenen Jahr veröffentlicht hatte: "Vom Paulus zum Saulus". Konträr zur biblischen Erzählung schildert der Protagonist darin, wie er vom streng erzogenen, tief Gläubigen aus dem katholischen Hinterland des Hunsrück zum erfolgreichen Unternehmer und schließlich zum wohl größten Förderer der Aufklärung im 21. Jahrhundert in Deutschland wurde. Als Mäzen des kirchenkritischen Autors Karlheinz Deschner wollte Steffen seine Stiftung zunächst nach ihm benennen, doch das hätte eine Verengung ihres Tätigkeitsspektrums auf die Religions- und Kirchenkritik bedeutet, so Michael Schmidt-Salomon, der mit Herbert Steffen im Jahr 2004 dann die Giordano-Bruno-Stiftung gegründet hatte. Denn dieser habe den etablierten Religionen auch eine positive Alternative entgegensetzen wollen, die der evolutionäre Humanismus werden sollte. Schmidt-Salomon berichtete von ihrem gemeinsamen Weg, von ihrem Kennenlernen über die Anfänge der gbs bis zu Erfolgen und Meilensteinen der Stiftung und des von ihr ausgehenden säkularen Netzwerks. Die beiden verband neben der Arbeit auch eine lange, tiefe Freundschaft. "Herbert war ein außergewöhnlicher Mensch, der Außergewöhnliches erreicht hat", charakterisierte der Vorstandssprecher den Gründer. "Herbert hat durch seinen Wandel vom Paulus zum Saulus gezeigt, dass es niemals zu spät ist, die eigene Weltanschauung kritisch zu überdenken. Und dass es auch noch im fortgeschrittenen Lebensalter sehr wohl möglich ist, aktiv an der Veränderung der Verhältnisse mitzuwirken."

"Herbert war ein außergewöhnlicher Mensch, der Außergewöhnliches erreicht hat"
Michael Schmidt-Salomon, gbs-Vorstandssprecher

Den großen Kirchenkritiker Deschner und sein Lebenswerk ("Die Kriminalgeschichte des Christentums") hat Ricarda Hinz dokumentarisch festgehalten; sie vereinte Unterstützer und Kritiker zu einem virtuellen Streitgespräch. Schon in den 1990er Jahren als Studentin lernte sie Deschner und Steffen kennen und durfte den fränkischen Autor mit der Kamera begleiten, obwohl sein Mäzen ihm "Fußfesseln angelegt" hatte, wie sie erzählte: "Er sollte zu Hause bleiben und gefälligst die Kriminalgeschichte des Christentums zu Ende schreiben." Das filmische Portrait sollte ihre Diplomarbeit werden. Andere Angebote von renommierteren Filmemachern habe Karlheinz Deschner abgelehnt, so Hinz in ihrer Rede. Er habe zu ihr gesagt: "Sie können gerne einen Film über mich machen, aber Ihnen ist schon klar, dass Sie dann nirgendwo Karriere machen können?" Doch Hinz war es vor allem wichtig zu zeigen, in welcher Schieflage sich die Gesellschaft in Religions- und weltanschaulichen Dingen befand. Außerdem wollte sie die externe Religionskritik zeigen, und "nicht nur, dass es die gibt, sondern dass das die hellsten Leuchten unter der Sonne sind". Herbert Steffen sei der "Kristallisationspunkt" all jener Intellektuellen gewesen, "er hat dem freien Denken und der Religionskritik eine Heimat gegeben".

"Herbert Steffen hat dem freien Denken und der Religionskritik eine Heimat gegeben"
Ricarda Hinz, Filmemacherin und gbs-Beirätin der ersten Stunde

Carsten Frerk, bekannt für seine Recherchen und Berechnungen über das Vermögen der Kirchen, war sogar noch früher dabei: Er war es auch, der den eigentlichen Anstoß zur Gründung der Giordano-Bruno-Stiftung gegeben hatte. Auch die Gründung des Humanistischen Pressedienstes (hpd) und der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) gehen auf ihn zurück. Letztere leitet er bis heute. Anhand von fünf Begebenheiten aus 18 Jahren charakterisierte er "das Herz und die Muskeln der gbs", wie er Steffen einmal bezeichnet hatte. Den Mann, der beim Festakt anlässlich des zehnjährigen Bestehens der gbs selbst über sich gesagt hatte, dass er die Stiftung gegründet habe, weil er ein sehr egoistischer Mensch sei – denn Dinge mit anderen zu teilen, mache ihm große Freude. Er war es, der die Gründung von fowid mit einer persönlichen Finanzierung überhaupt erst möglich gemacht habe, so Frerk. Dies sei das erste Projekt der Giordano-Bruno-Stiftung gewesen. "Napoleon soll einmal gesagt haben: 'Talent nützt wenig, wenn es keinen Raum zur Entfaltung bekommt'. Und diesen Raum zur Entfaltung hat Herbert mir und fowid gegeben." Er schloss mit den Worten: "Es bleibt nur die Erinnerung und die respektvolle Verneigung vor dem Andenken an einen engagierten Menschen, der in zwei Lebensjahrzehnten im Hintergrund mehr bewegt und ermöglicht hat, als öffentlich sichtbar wurde."

"Es bleibt nur die Erinnerung und die respektvolle Verneigung"
Carsten Frerk, Gründer von hpd und fowid

Zum vielfältig gestalteten und kurzweiligen Programm gehörten auch zwei Podien: Je vier Teilnehmer:innen – einer davon jeweils auch in der Rolle des Moderators – berichteten von dem, was sie mit Herbert Steffen und der Giordano-Bruno-Stiftung verbindet. Sie sollten in nur zweimal fünfzehn Minuten zwei der Grundpfeiler der Stiftungsarbeit repräsentieren: Den weltanschaulich neutralen Staat und die Evolutionstheorie als Grundlage der Weltanschauung der gbs: des evolutionären Humanismus, der die althergebrachte Trennung von Natur und Kultur, von Mensch und Tier überwindet.

Dem säkularen Staat auf politischer Ebene zum Durchbruch zu verhelfen, ist die Aufgabe des Zentralrats der Konfessionsfreien, dessen Gründung Steffen noch miterleben konnte. Sein Vorsitzender, Philipp Möller, leitete die erste Talkrunde mit Mina Ahadi (Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime), Ingrid Matthäus-Maier (ehemalige Bundestagsabgeordnete) und Rolf Schwanitz (Staatsminister und Parlamentarischer Staatssekretär a.D.). "Herbert war einfach immer er selbst und ein wirklich ausgesprochen cooler Typ", stellte Möller zu Beginn fest. Ahadi sagte über den gbs-Gründer: "Ich habe einen Mann kennengelernt, der ein sehr großes Herz hatte für uns Menschen, die aus sogenannten islamischen Ländern hierher gekommen sind. (…) Einen hundertprozentigen Humanisten, einen Freidenker und einen Menschen, dem dieses Problem des Politischen Islams in Deutschland wirklich zu 100 Prozent klar war." "Was für mich das Beeindruckendste war, war seine Menschlichkeit. (…) Es gab überhaupt keine Distanz, keine Brücken, keine Barrieren, die gebaut oder weggeräumt werden mussten", stellte Schwanitz fest. Und Matthäus-Maier fügte hinzu: "Ich bin etwas traurig, aber man kann keinen Grund haben, traurig zu sein. Seine Idee: nach vorne gucken – was ist noch zu tun?"

"Was für mich das Beeindruckendste war, war seine Menschlichkeit"
Rolf Schwanitz, Staatsminister und Parlamentarischer Staatssekretär a.D.

Das Musikvideo "Children of Evolution" leitete zum naturwissenschaftlichen Podium über. "Unser Fokus liegt ja nicht nur auf der Religions- und Kirchenkritik, sondern wir konzentrieren uns auch darauf, eine evolutionär-humanistische Sichtweise in der Gesellschaft zu stärken. Das war ein Schwerpunkt, der auch Herbert sehr wichtig war." Mit diesen Worten leitete Michael Schmidt-Salomon die zweite Diskussionsrunde ein. Mit ihm auf der Bühne saßen Colin Goldner, Leiter des Great Ape Project in Deutschland, Volker Sommer, Primatologe und Anthropologe, sowie der Soziobiologe und Biophilosoph Eckart Voland. Als Letzterer zum ersten Mal von der gbs las, sei er hochgradig erfreut gewesen. "Weil ich wahrscheinlich zum ersten Mal in meiner Berufsbiografie erfahren hatte, dass es aus der Gesellschaft heraus einen Bedarf gibt, etwas zu wissen über biologische Hintergründe des Menschseins, des Denkens, Fühlens, Handelns". Die Giordano-Bruno-Stiftung belebte das Great Ape Project wieder, das fordert, das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und das Recht auf körperliche wie psychische Unversehrtheit nicht nur dem Homo sapiens, sondern auch Menschenaffen zuzugestehen. Über den Stiftungsgründer erzählte Colin Goldner: "Wenn wir korrespondiert haben, (…) hat er immer unterschrieben: Dein Affen-Freund Herbert. (…) Ich vermisse ihn sehr."

"Ich vermisse ihn sehr."
Colin Goldner, Great Ape Project-Leiter in Deutschland

Der Entwicklungspsychologe Rolf Oerter zog Parallelen zwischen seiner und Herbert Steffens katholischer Sozialisation. Während Oerter sich jedoch bereits mit 17 Jahren "von der Religion und von allen Religionen befreit" habe, "fühlte sich [Steffen] ein halbes Leben lang im falschen Boot und hat damit natürlich auch zu kämpfen gehabt". Doch schließlich habe er "neue Personen gefunden mit neuen Ideen": Die gbs "wurde zu seiner Lebensaufgabe". Das Stiftungshaus nannte Oerter "ein bleibendes Monument und Dokument seiner [Herbert Steffens, Anm. d. A.] Persönlichkeit (…): Klare Struktur, vortrefflich funktional, fest gemauert in der Erde und mitten im Leben. (…) Dieser Ort wurde für Herbert Steffen im unmittelbaren als auch im übertragenen Sinn der Kernpunkt seines Wirkens. Solange wir leben, werden wir ihn hier in diesem Haus spüren und fühlen." In seinen Gedanken habe er ihn geadelt, so Rolf Oerter: Sir Herbert Steffen.

Zum Schluss wurde es noch einmal musikalisch und sogar poetisch: Der Philosoph und Therapeut Mathias Jung trug "Leben" von Rainer Maria Rilke vor. Der gbs-Gründer habe sich als "barocke Persönlichkeit" "vom Mönch zu Epikur" entwickelt, lobte Jung. Er schwärmte von der Gastfreundschaft der gbs und der dort herrschenden Lebensfreude. "Herbert hat uns alle berührt." Als mitreißenden Abschluss spielte Michael Schmidt-Salomon ein für Herbert Steffen zum 70. Geburtstag selbst komponiertes Lied ein – samt handbedientem Musikvideo in Form einer PowerPoint-Präsentation. "Mein Freund Herbert", so der Titel des Songs, sei stets heiß oder kalt gewesen, niemals lau, schwarz oder weiß, aber niemals grau.

Einen ausführlichen Nachruf auf Herbert Steffen von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon lesen Sie hier.

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