Der Erzbischof von Kansas City ist besorgt. Jahrelang wurden in seiner Diözese ungültige Messen gefeiert, da Priester in den katholischen Messen nicht-liturgiefähigen Wein nutzten. Dies sei, so der Erzbischof, "eine sehr ernste Situation, für die wir nun den Heiligen Stuhl um Hilfe bei der Wiederherstellung bitten müssen."
Wie weit sich die katholische Kirche in ihrer Glaubenslehre von der realen Welt entfernt hat, wird immer dann sichtbar, wenn eine besonders weltfremde Vorschrift verletzt wird und daraus skurrile Folgen entstehen.
Anfang Juni berichtete die US-amerikanische Nachrichtenseite The Pillar über eine solche Skurrilität, ohne – was die Sache noch skurriler macht – sich offensichtlich über ihren Skurrilitätscharakter im Klaren zu sein. The Pillar ("Die Säule"), 2021 gegründet von einem ehemaligen Chefredakteur sowie einem ehemaligen Büroleiter der Catholic News Agency, hat es sich zum Ziel gemacht "seriösen, verantwortungsvollen, nüchternen Journalismus über die Kirche, von der Kirche und für die Kirche zu machen". Allerdings ist nüchterne Berichterstattung über die katholische Kirche eben nicht selten unfreiwillig komisch für all jene, die keine streng gläubigen Katholiken sind.
Der Erzbischof von Kansas City Joseph Naumann habe am 31. Mai den Priestern seiner Diözese einen Brandbrief geschickt, berichtet The Pillar, in dem er aus gegebenem Anlass eindringlich davor warnte, die Messe mit ungültigem Wein zu feiern. "Kürzlich haben zwei Priester, die in drei verschiedenen Pfarreien tätig waren, berichtet, dass sie bei ihrer Ernennung in diesen Pfarreien feststellten, dass dort seit langem Weine verwendet werden, die in Wirklichkeit ungültig für die Eucharistiefeier sind", so der Erzbischof. Infolgedessen seien in diesen Pfarreien jahrelang ungültige Messen zelebriert worden. "Dies ist eine sehr ernste Situation, für die wir nun den Heiligen Stuhl um Hilfe bei der Wiederherstellung bitten müssen", so Naumann weiter.
In der katholischen Kirche werden die Eucharistiefeiern fast immer mit einem bestimmten Anliegen verknüpft, der sogenannten Messintention. Deren bekannteste Form ist das Gebet für Verstorbene. Nach katholischem Verständnis geht es dabei um eine Hilfe für die Verstorbenen, um in den Himmel zu gelangen. Messintentionen sind aber mit einer finanziellen Zuwendung verbunden, sprich: Wer möchte, dass für seine verstorbenen Angehörigen gebetet wird, muss dafür zahlen. Gemäß den kirchenrechtlichen Regeln müssen angenommene Gebetsanliegen auch erbracht werden, was jedoch nur der Fall ist, wenn die Messe gültig ist. Gültig ist sie aber nur, wenn während der Eucharistiefeier, dem liturgischen Zentrum der Messe, Oblaten in den Leib und Wein in das Blut Christi gewandelt wurden. Bei dieser sogenannten "Transsubstantiation" bleiben Teigplättchen und Wein zwar objektiv unverändert, für gläubige Katholiken hat sich jedoch ihr Wesen verändert, so dass sie tatsächlich Leib und Blut Christi beinhalten beziehungsweise darstellen.
Was für ein Problem gibt es nun mit dem Wein?
Nach katholischer Vorstellung ist Gott zwar allmächtig, allerdings gelingt es ihm nicht, bei der Transsubstantiation in Wein zu schlüpfen, wenn dieser die falsche Beschaffenheit hat. Die heilige römische Kirche hat deshalb – nachzulesen in der Instruktion Redemptionis sacramentum Punkt 50 – festgelegt, dass die Eucharistie mit Wein gefeiert werden muss, der nur aus Trauben besteht und keine Zusatzstoffe enthält:
"Der Wein, der für die Feier des hochheiligen eucharistischen Opfers verwendet wird, muss naturrein, aus Weintrauben gewonnen und echt sein, er darf nicht verdorben und nicht mit anderen Substanzen vermischt sein. Bei der Messfeier muss ihm ein wenig Wasser beigemischt werden. Es ist sorgfältig darauf zu achten, dass der für die Eucharistie bestimmte Wein in einwandfreiem Zustand aufbewahrt und nicht zu Essig wird. Es ist streng verboten, Wein zu benützen, über dessen Echtheit und Herkunft Zweifel bestehen: Denn bezüglich der notwendigen Bedingungen für die Gültigkeit der Sakramente fordert die Kirche Gewissheit. Es darf kein Vorwand zugunsten anderer Getränke jedweder Art zugelassen werden, die keine gültige Materie darstellen."
Hersteller vermarkten deshalb ihre Weine teilweise explizit als liturgiefähig.
Allerdings sehen die Sache mit den Weinen wohl nicht alle Diözesen in den USA so streng. So berichtet The Pillar, dass man beispielsweise in der Diözese St. Petersburg in Florida die Ansicht vertritt, dass die explizite Kennzeichnung eines Weins als liturgiefähig oder sakramental bloß "eine ähnliche Marketingstrategie ist wie die von 'Bio'". Die Diözese St. Petersburg informiert ihre Priester deshalb darüber, dass jeder gute Hauswein für die Eucharistiefeier geeignet sei.
Kein Wunder also, dass die armen Priester in der Diözese Kansas City weingeistig verwirrt waren und nun ihre ungültigen Messen sogar den Vatikan beschäftigen.
Um die Möglichkeit ungültiger Messen zukünftig zu vermeiden, erließ Erzbischof Joseph Naumann umgehend ein Dekret, das vorschreibt, dass bei der Feier der heiligsten Eucharistie in allen Kirchen und Einrichtungen der Erzdiözese Kansas City künftig nur solche Weine verwendet werden dürfen, die speziell für die Verwendung bei der Messe hergestellt und vom Handel entsprechend gekennzeichnet wurden.
Aufatmen dürfen gläubige Teilnehmer der ungültigen Messen in einem Punkt übrigens trotzdem: Auch wenn die Blut-Wein-Wandlung nicht stattgefunden habe, sei die Wandlung des Brotes trotzdem ordnungsgemäß erfolgt, so der Erzbischof, wodurch sie bei der Kommunion wunschgemäß den Leib Christi zu sich genommen hätten. Vermutlich jedenfalls. Denn wer weiß schon, welche Oblaten in den Messen der nachlässigen Priester zum Einsatz kamen. Auch die Sache mit dem Brot ist nämlich streng geregelt:
"Das Brot, das für die Feier des hochheiligen eucharistischen Opfers verwendet wird, muss ungesäuert, aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein, so dass keine Gefahr der Verderbnis besteht. Daraus folgt, dass Brot, das aus einer anderen Substanz, wenn auch aus Getreide, bereitet ist, oder Brot, dem eine vom Weizen verschiedene Materie in so großer Menge beigemischt ist, dass es gemäß dem allgemeinen Empfinden nicht mehr als Weizenbrot bezeichnet werden kann, keine gültige Materie für den Vollzug des eucharistischen Opfers und Sakramentes darstellt. Es ist ein schwerer Missbrauch, bei der Zubereitung des für die Eucharistie bestimmten Brotes andere Substanzen, wie zum Beispiel Früchte, Zucker oder Honig, beizufügen."
Eine Kirche, die sich um ungültige Messen, die mystische Wandlungsfähigkeit von Wein und den "schweren Missbrauch" ihres liturgischen Brotes sorgt, sollte sich nicht wundern, dass ihr die Mitglieder scharenweise davonlaufen.
20 Kommentare
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Was für ein lächerlicher Zirkus den nur tiefen-indoktrinierte Menschen ernst nehmen können.
Ein denkender Mensch kann darüber nur den Kopf schütteln über soviel Hokus-Pokus.
Angela H am Permanenter Link
So weit, so krotesk.
Übertroffen jedoch von einer Story über eine strenggläubige Katholiken (Konvertitin, mit ziemlicher Sinnsuch-Vergangenheit), die wegen einer (echten? eingebildeten?) Glutenunverträglichkeit an keiner Eucharistie teilnehmen kann, erfahren musste, dass es den Leib Christi aufgrund irgendwelcher Dogmen nicht in glutenfrei geben kann und seither unter enormen seelischen Qualen leidet. Der toternste bis mitfühlende Duktus der Berichterstattung in der Lokalzeitung war nicht minder unfreiwillig komisch.
Wie schön sorglos ist doch ein dogmenfreies Leben!
Thomas Spickmann am Permanenter Link
Solche Sorgen möchte ich haben!
wolfgang am Permanenter Link
Ha, ha,ha! Selten so gelacht!
Rene Goeckel am Permanenter Link
Haben die vielleicht mit zuviel Primitivo gefeiert?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Unfreiwillig komisch, in der Tat; urkomisch würde ich sogar sagen.
(-:
Warum wird da so ein Gewese gemacht um die biologische Beschaffenheit ? Wo doch Ratzinger lehrt, dass "Transsubstantiation" und „Realpräsenz“ garnichts mit Biologie zu tun haben ?
Es zeigt sich auch, dass die Anfrage des Bistums München/Freising bei Großinquisitor Ratzinger -bezüglich der Verwendung von Traubensaft für den Priester H. - vollkommen überflüssig war. Offenbar kannten die Herren in München ihr Redemptionis Sacramentum nicht. Dort sollte man wohl auch mal überprüfen, ob die Messen „gültig“ waren und sind !
Auch witzig, dass man bei den Oblaten die Gültigkeit dem „allgemeinen Empfinden“ unterwirft. Was dem allgemeinen Empfinden nach noch ein Weizenbrot ist, dürfte regional sehr unterschiedlich sein und keineswegs katholisch einheitlich.
Es fröstelt mich auch bei der Vorstellung, dass der Leib Christi offenbar erstmal vollkommen blutleer sein soll - jedenfalls für den Prozess der Transsubstantiation. Alle anderen Untoten, denen es genauso geht, lassen grüßen. Auf mich wirkt das jedenfalls wunderschön gruselig, wenn von FLAIISCH und BLUUUT die Rede ist. Immerhin wird das bei den Katholen dann in der Oblate wieder zusammengeführt. Die Evangelen aber müssen das soweit ich weiß immer noch getrennt zu sich nehmen.
PS: Wie man begründet, dass da ein anders hergestellter Wein verwendet werden darf als die Pleurre, die beim Letzten Abendmahl verwendet wurde, würde mich auch mal interessieren. In heißen Ländern bedarf es nämlich einer aufwändigen Kühltechnik, um einen einigermaßen trinkbaren Wein herzustellen. Das war zum Beispiel ein Grund, warum den Römern der Wein aus Germanien und Gallien besser geschmeckt hat als der aus eigenem Anbau.
:-)
Albert Voß am Permanenter Link
Ich halte ohnehin die Wandlung von Wein in Blut vor den Gläubigen für Alkoholmissbrauch in der Öffentlichkeit.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Dann wird Sie sicher interessieren, dass laut Redemptionis sacramentum - etwas vereinfacht ausgedrückt - die teilnehmenden Priester dazu verpflichtet sind, die Eucharistie auch mit dem Trinken des Weins der Marke Blut
Paul München am Permanenter Link
Interessant! Was gilt im umgekehrten Fall, wenn die Menge des "umgewandelten" Weines nicht für alle teilnehmenden Priester ausreicht, z.B. weil einer zuviel davon getrunken hat?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Bitte die Frage weiterzuleiten an Ihren Bischof oder Theologen oder gleich an den Großinquisitor.
Paul München am Permanenter Link
Keine Sorge! Da ich vor 28 Jahren schon aus der Kirche ausgetreten bin, gibt es keinen Bischof, der behaupten dürfte, für mich zuständig zu sein.
Als Jugendlicher erlebte ich mal, dass bei der "Speisung" der Gläubigen die umgewandelten Oblaten nicht ausreichten. Flugs verschwand einer der Zelebranten nach rückwärts und holte Nachschub. Ob diese auch umgewandelt waren, wird sein Geheimnis bleiben ...
Helmut Lambert am Permanenter Link
Und wie ist es mit der Haftung? Wie werden die wegen dieses Desasters jetzt unschuldig in der Hölle Schmorenden, die sich ja wohl auf einen dogmengerechten Wein verlassen durften, da rausgeholt?
A.S. am Permanenter Link
Realsatire vom Feinsten.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Wenn Sie sowas mögen, empfehle ich Ihnen die Lektüre der besagten Redemptionis sacramentum.
Gerhard Lein am Permanenter Link
Lasst sie doch. Welcher Wein auch immer. Er muss nur blutrot sein. Und bewirken tut er eh nix, weil in zu geringen Mengen dem Priester zugeführt.
wolfgang am Permanenter Link
Hat denn die Kirche jemals "reinen Wein" eingeschenkt??
Harald Schlüter am Permanenter Link
Es ist schon wirklich krank! Völlig krank.
noob_maus am Permanenter Link
Liest sich seltsam, weil der Katholizmus auf Orthodoxie viel mehr Wert legt als auf Orthopraxie.
Siegfried Kupfer am Permanenter Link
Ich finde das eh pervers und kannibalistisch. Blut eines Menschen trinken, und seinen Körper essen.
Paul München am Permanenter Link
Genau mit diesen zwei Sätzen sollte man sämtliche Kirchenvertreter immer wieder konfrontieren.