Die theologische Aufrüstung 1933 bis 1945

Die Politik der Kirchenleitungen

GRAZ. (hpd) Den großen Krieg von 1914 bis 1918 hatten beide Kirchenleitungen voll unterstützt, für sie war der Zusammenbruch der Monarchien (Deutsches Reich und Österreich-Ungarn) ein schwerer Schock. 

Im Jahr 1915 hatte der Bischof von Speyer Michael von Faulhaber den Kampf der Deutschen als gerechten und heiligen Krieg gegen die atheistische Republik der Franzosen und gegen das moralische Babylon Paris gesehen. Die Friedensbemühungen des Papstes Benedikt XV. wurden von den katholischen Kirchenleitungen der Krieg führenden Länder nicht unterstützt. Die Bindung an die Nation war ungleich stärker als die Bindung an den Papst in Rom. Die geistige, moralische und religiöse Aufrüstung an den Fronten und im Hinterland war so stark und intensiv, dass an einen Friedensschluss politisch gar nicht zu denken war. Das Ziel hieß: "Sieg oder Untergang".

Im Jahr 1931 hatte die Bayerische Bischofskonferenz die Katholiken noch vor der Mitarbeit in der NS-Partei gewarnt, die ja in Bayern entstanden und groß geworden ist. Ähnliche Warnungen kamen auch von den Kirchenprovinzen Köln, Paderborn und Freiburg. Doch mit dem Abschluss des Reichskonkordats im Juli 1933 musste auch die deutsche Kirchenleitung ihre Position ändern; von jetzt an unterstützten die Bischöfe in nahezu allen Bereichen die Politik der Reichsregierung. [1]

Papst Pius XI. hatte in Rom einen Kirchenvertrag mit der NS-Regierung geschlossen, mit dem der NS-Staat voll anerkannt und international aufgewertet wurde. Der Vertrag garantierte den Schutz der Elternrechte, den Bestand der konfessionellen Schulen und der Theologischen Fakultäten. (Der Religionsunterricht musste jedoch später außerhalb der Schule erteilt werden.) Katholische Vereine wurden stufenweise aufgelöst. Die Priester und Ordensleute durften sich nicht mehr politisch betätigen. Bischöfe und Theologen trugen von nun an die Politik des Dritten Reiches mit, bis zum bitteren Ende im Mai 1945. Im Jahr 1936 verhandelte der Kardinal Michael von Faulhaber von München noch einmal persönlich mit dem Führer Adolf Hitler; er kritisierte den rassistischen Antisemitismus und den Totalitätsanspruch der NS-Partei. Diese Verhandlung blieb ohne Erfolg. Als im März 1937 die päpstliche Enzyklika "Mit brennender Sorge" in den deutschen Kirchen verlesen wurde, antwortete die NS-Partei u.a. mit Sittlichkeitsprozessen gegen Kleriker und Ordensleute. [2]

Im Jahr 1935 hatten weder die katholischen Bischöfe, noch die protestantische Kirchenleitung gegen die Nürnberger Rassengesetze protestiert. Denn diese Gesetze erfüllten nun endlich die alten Forderungen von Theologen und vielen Bischöfen; fortan mussten die Juden von den Christen getrennt werden. Auch gegen die Zerstörung der Synagogen und der jüdischen Geschäfte in der "Reichspogromnacht" vom 12. November 1938 hatten die Kirchenleitungen keinen Protest bei der NS-Partei eingereicht, nur einige Gruppen von Laienchristen zeigten einen schwachen Protest. Auch der Papst in Rom hatte dagegen, sowie gegen die italienischen Rassengesetze von 1938 keinen öffentlichen Protest erhoben. Ab dem 1. September 1939 begann im ganzen Deutschen Reich das Kriegsrecht. Von jetzt an war öffentlicher Protest gegen die Politik des Führers nahezu unmöglich. Er wäre als "Vaterlandsverrat" gewertet und mit dem Tod bestraft worden. [3]

Die Militärseelsorger und Feldprediger beider Konfessionen knüpften nun wieder bei den Feldpredigten von 1914 bis 1918 an; auch der neue Krieg war für sie ein "gerechter Krieg" und wurde von der göttlichen Vorsehung geleitet. Die Bischöfe mussten den Krieg voll mittragen. Viele von ihnen sprachen wieder von einem göttlichen Gericht oder von einem apokalyptischen Geschehen. Sie konnten den Pazifisten und den Verweigerern des Kriegsdienstes keine Hilfe geben, denn sie waren durch das Reichskonkordat mit dem NS-Staat verbündet. Zu Beginn des Krieges hatte der Führer seine Partei aufgerufen, alle Konflikte mit den Kirchen zu vermeiden, um alle Kräfte für den großen Rassenkrieg bündeln zu können. Als der Bischof von Münster August Graf Galen gegen das Euthanasieprogramm predigte, wurde dieses Programm sofort reduziert, aber nicht eingestellt. Doch als im Herbst 1941 die großen Judendeportationen in den Osten begannen, gab es keinen Protest der Bischöfe. Sie ließen aber im August 1943 einen "Dekalog-Hirtenbrief" in den Kirchen verlesen, in dem sie – ohne ausdrückliche Nennung der verfolgten Juden – die Tötung von Menschen aufgrund ihrer Rasse und Herkunft ablehnten. Dieser Hirtenbrief blieb ohne größere Folgen und durchbrach auch nicht jene Mauer, mit der die Vernichtung der Juden geheim gehalten werden sollte. [4]

Der Vorsitzende der deutschen Bischöfe Kardinal Adolf Bertram hatte sich gegen den Dekalog-Hirtenbrief gewandt, doch er wurde von den anderen Bischöfen überstimmt. Als Kardinal Michael von Faulhaber mehrfach um Hilfe für die bedrohten Juden gebeten wurde, schrieb er schon 1933, er sei nur für die Katholiken zuständig, die Juden wüssten sich schon selbst zu helfen. (Auch Papst Pius XII. hat jeden öffentlichen Protest gegen die organisierte Judenvernichtung, über die er genau informiert war, vermieden, um die Katholiken vor möglichen Repressalien der NS-Partei zu schützen.) Die protestantische Kirchenleitung legte ebenfalls keinen Protest gegen die Deportationen der Juden ein; auch sie war durch einen Kirchenvertrag mit dem NS-Staat eng verbunden. Die "Deutschen Christen" wollten alles Jüdische aus den Lehren und dem Leben der Kirchen entfernen; die Landeskirchen von Thüringen, Sachsen, Mecklenburg und Anhalt schlossen ab Februar 1939 alle getauften Juden ("Nichtarier") aus ihrer Gemeinschaft aus. [5]

Mit dem Reichskonkordat und den Kirchenverträgen hatten sich beide Kirchenleitungen mit dem NS-Staat verbündet. Die Wegbereiter des Konkordats wollten nicht sehen, dass sie durch diesen Vertrag in Geiselhaft mit der beginnenden Diktatur genommen wurden. Sie wussten 1933 sehr genau, mit welchen Methoden die NS-Partei ihre Gegner bekämpfte und dass es bereits Hunderte Tote auf der Seite der Gegner gab. Auch die ersten Konzentrationslager (Dachau) waren zu diesem Zeitpunkt schon in Betrieb. Das Parteiprogramm und die Schriften von A. Hitler und A. Rosenberg waren bekannt, die Kirchenführer wurden nicht getäuscht. Der Führer kämpfte mit offenem Visier, wie er sagte. Trotzdem schlossen die Kirchenführer, wie in Italien, das Bündnis mit der Diktatur, weil nach ihrer Überzeugung der autoritäre Staat dem eigenen politischen Programm viel näher stand als die Demokratie. Doch Grundzüge der NS-Ideologie wurden bereits im ersten Weltkrieg, nicht zuletzt auch durch die Kriegspredigten beider Kirchen geformt. [6]

(wird fortgesetzt)

[1] K. Maier, Deutschland und Österreich. In: J. Mayeur (Hg.), Die Geschichte des Christentums XII, Freiburg 1992, 685–692.

[2] K. Maier, Deutschland und Österreich 690–698. R. Fischer-Wollpert, Lexikon der Päpste. Wiesbaden 2007, 137–139.

[3] K. Maier, Deutschland und Österreich 700–710. A. Grabner-Haider, Hitlers Theologie des Todes 101–126.

[4] K. Maier, Deutschland und Österreich 714–720. A. Grabner-Haider / P. Strasser, Hitlers mythische Religion 189–195.

[5] M. Greschat, Protestantismus in Europa. München 2009, 125–130.

[6] E. Gatz, Katholische Kirche in Deutschland 112–122.