Im Mai sorgte Wolfgang Kubicki mit der Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Aufnahmeprogrammen für gefährdete Afghanen für Aufmerksamkeit. Nun interessiert es ihn nicht mehr.
Ende Mai berichtete der Spiegel über Sicherheitslücken bei den Aufnahmeprogrammen der Bundesregierung für gefährdete Afghanen. Aus einem dem Magazin vorliegenden Lagebericht des Auswärtigen Amtes zitierte der Spiegel: "NGOs besorgten den nach Pakistan gereisten Menschen teils 'verfälschte und verfahrensangepasste Dokumente' und rieten Schutzsuchenden bisweilen, 'abweichende Angaben im Visumverfahren zu machen' – bei Befragungen durch Botschaftsmitarbeiter also notfalls zu lügen." Anstatt ausschließlich Afghanen aufzunehmen, die nach der Machtübernahme durch die Taliban 2021 wirklich gefährdet waren, seien "mutmaßlich tausende Migranten mit fragwürdigen Fluchtgeschichten nach Deutschland eingeflogen worden." Gesicherte Zahlen zu Verdachtsfällen gebe es allerdings nicht.
Auftritt Wolfgang Kubicki. Die FDP ist nicht nur im Februar aus dem Bundestag geflogen, auch in öffentlichen Debatten spielt die Partei keine Rolle mehr. Während die neu gewählte Parteiführung um den Vorsitzenden Christian Dürr sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bewegt, sind es ehemalige FDP-Politiker wie Wolfgang Kubicki, die dafür sorgen, dass die Partei nicht vollkommen in Vergessenheit gerät. Auf X reagierte Kubicki noch am selben Tag auf den Spiegel-Artikel:
"Hier geht es um NGOs, die zum Lügen für die Visa-Erteilung anleiten. Und um ein grünes Außenministerium, das diese Organisationen schützt und zur laxen Prüfung der teils abenteuerlichen Räuberpistolen drängt, mit dem Ergebnis, dass ein großer Teil von Nichtberechtigten über das Bundesaufnahmeprogramm aus Afghanistan nach Deutschland kam. Aufnahmezusagen soll es auch für Islamisten und Scharia-Richter gegeben haben, deren Einreise erst im letzten Moment verhindert wurde. Ob das in jedem Fall geglückt ist, bleibt mehr als fraglich. Frau Baerbock und ihre grüne Außenpolitik führten zu dem, was ein Sicherheitsbeamter 'staatlich legalisierte Schleusung' nannte. Ein Sicherheitsrisiko für das Land, und ein triftiger Grund für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss."
Da Kubicki kein Mitglied des Bundestages mehr ist, hat er keine Möglichkeit, auf parlamentarischem Weg die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses durchzusetzen. Und so blieb der Tweet folgenlos. Auch für Kubicki ist das Thema offenbar schon längst nicht mehr interessant. Das machte sein Büro in der Antwort auf eine Gesprächsanfrage des hpd deutlich: "Herr Kubicki befindet sich bis Mitte August im Urlaub, deshalb kann ich auch keine Terminvorschläge für ein Telefongespräch anbieten. Leider sind auch ab Mitte August derzeit keine freien Termine mehr verfügbar."
SPD und CDU teilten auf die Anfrage des hpd, ob sie den von Wolfgang Kubicki angesprochenen Sachverhalt für aufgeklärt halten oder sich seiner Forderung nach einem Untersuchungsausschuss anschließen würden, mit, dass sie zu dem Thema keine Stellung nehmen wollen. Die Grünen sparten sich die Antwort auf unsere Anfrage.
Nur AfD und Linke äußerten sich inhaltlich: Markus Frohnmaier, der außenpolitische Sprecher der AfD, sagte: "Wir sehen weiterhin großen Aufklärungsbedarf in der Visa-Affäre und die Verstrickungen zwischen Auswärtigem Amt und fragwürdigen NGOs. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht zu erfahren, ob und in welchem Ausmaße Sicherheits- und Rechtsstandards durch das Auswärtige Amt verletzt und dadurch vielleicht sogar Gefährder nach Deutschland geschleust wurden." In einer Fraktionssitzung will die AfD darüber entscheiden, ob sie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordern wird. Damit er eingesetzt wird, braucht es allerdings die Stimmen von mehr als einem Viertel der Abgeordneten. Auf die Unterstützung der Linken kann sie dabei nicht zählen: "Wolfgang Kubicki betreibt mal wieder das Geschäft der AfD", sagte Clara Bünger, flucht- und innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. "Das Geraune rechter Medien und unseriöser Fake-News-Portale zum Afghanistan-Aufnahmeprogramm wurde bereits vielfach widerlegt." Es gäbe nicht einmal im Ansatz einen Skandal.
Auch das Auswärtige Amt sieht auf Anfrage – wenn auch als verantwortliches Ministerium wenig überraschend – keinen Skandal: "Die Entscheidung über die Aufnahme einer Person im Bundesaufnahmeprogramm erfolgte dann nach intensiver Prüfung des Einzelfalls ausschließlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das bedeutet: Nicht jede Person, die von meldeberechtigten Stellen für eine Aufnahme vorgeschlagen wurde, erhielt auch eine Aufnahmezusage." Die an dem Aufnahmeverfahren aus Afghanistan beteiligten Behörden hätten in einem engen und ständigen Austausch gestanden, und das Verfahren sei kontinuierlich überprüft und angepasst worden, wenn die Umstände dies erforderten.
Nach Angaben des Ministeriums haben seit dem Start des Bundesaufnahmeprogramms im Jahr 2022 rund 1.500 Menschen mit einer Aufnahmezusage die Möglichkeit erhalten, nach Deutschland einzureisen. Das Programm richtet sich gezielt an gefährdete Personen in Afghanistan, die sich aktiv für Menschenrechte, Frauenrechte, Religionsfreiheit und die Förderung demokratischer Strukturen eingesetzt haben.
Besonders berücksichtigt werden Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer gesellschaftlichen Rolle oder politischen Haltung von den Taliban bedroht werden. Zu den aufgenommenen Personen zählen unter anderem Polizistinnen und Polizisten, Mitarbeitende aus dem Rundfunkbereich, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Führungskräfte aus dem Frauenministerium, Schriftsteller, Journalisten, Schulleitungen sowie zahlreiche Menschenrechtsaktivisten.
Die Auswahl und Meldung der Schutzsuchenden erfolgt über sogenannte meldeberechtigte Stellen. Ziel ist es, jenen Schutz zu bieten, die aufgrund ihrer Tätigkeit und ihres Engagements besonders gefährdet sind.







3 Kommentare
Kommentare
Gerhard Lein am Permanenter Link
Kubikmeter befindet sich seit er kein Mandat mehr hat genauso unterhalb der Wahrnehmungsschwelle wie seine Partei.
Bertolt Schneider am Permanenter Link
"Das Geraune rechter Medien und unseriöser Fake-News-Portale zum Afghanistan-Aufnahmeprogramm wurde bereits vielfach widerlegt." Und warum raunt dann der hpd weiter?
Uwe Zappeo am Permanenter Link
So interessant dieser Aspekt der ohnehin "schillernden" Persönlichkeit Wolgang Kubicki (Stichworte: Deponie Schönberg, CumEx-Verteidiger, ...) ist: Meiner Meinung nach ist jede Veröffentlichung über ihn oder