MICHENDORF (hpd) Gestern Abend referierte die Redaktionsleiterin von „Christ & Welt“ in Michendorf bei Berlin zum Thema: „An den Rand gedrängt? Kirche und Christentum in den Medien“. Sollte dort in der Provinz über die Kirche als Opfer in der säkularen Welt geklagt werden? Nein, ganz das Gegenteil war der Fall.
Der Abend mit Dr. Christiane Florin war der abschließende Vortrag der „Ökumenischen Sommerabende Michendorf 2011“ in deren Rahmen u.a. referiert worden war über: „Ein anderer Kapitalismus ist möglich – Wie ein Leben nach der Krise gelingt“ (Referent: Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach ), „Chancengleichheit und Gerechtigkeit – die Herausforderungen der neuen Medien und der Zugang zur Information“ (Prof. Dr. Claudia Lux) und „Was darf der Mensch? Grenzfragen der medizinischen Ethik“ (Prof. Dr. Jens Reich).
Christiane Florin ist als langjährige Journalistin und jetzige Redaktionsleiterin von „Christ & Welt“ eine der kompetenten Stimmen im katholischen Journalismus. Zum Hintergrund des Themas war in der Ankündigung des Erzbistums zu lesen: „Schon vor vielen Jahren hat die Evangelische Kirche in Deutschland ihre finanzielle Unterstützung für das Deutsche Sonntagsblatt eingestellt, es ‚wandelte’ sich um in die Beilage ‚Chrismon’ einiger überregionaler Zeitungen. Ähnlich erging es im letzten Jahr der katholischen Zeitung ‚Rheinischer Merkur’. Er erscheint inzwischen als Wochenzeitung ‚Christ und Welt’ und wird der ‚Zeit’ hinzugefügt. Themen von Christentum und Kirche scheinen generell in den Medien insgesamt zurück gedrängt, es sei denn, ein Papstbesuch verspreche einen hohen ‚Eventcharakter’ oder wenn es Skandalträchtiges zu berichten gibt.“
Die Annahme, dass es dabei um die Gefahren des Säkularismus für die Kirchen handele, übersah die versteckte Doppelbödigkeit in Ankündigung und Text, da in der Ankündigung ein Fragezeichen stand und die Akteure, von denen die beiden genannten früher eigenständigen Wochenzeitungen eingestellt und als Beilagen an den Rand gedrängt worden waren, die beiden Amtskirchen selber sind.
Eine Vertreterin der Kirchengemeinde ließ als Einleitung vor dem Publikum, das beinahe komplett der Generation 50+ angehörte und zu zwei Dritteln aus Frauen bestand, allerdings Gegenteiliges anklingen. Mit der regionalen Presse sei man zufrieden, dort werde regelmäßig über Kirche und Glauben berichtet, aber in Berlin sähe das sehr viel anders aus. Es gäbe dort kaum noch christliche Themen in den Medien und die früher üblichen abgedruckten Kurzpredigten zum Wochenende seien ganz verschwunden.
Kirchen sind titeltauglich
Dieser Klage setzte Dr. Florin gleich zu Beginn ihres Vortrages eine klare andere Ansicht entgegen: An den Rand gedrängt? Nein. Gerade die Kirchen sind titeltauglich. Beispiele aus den letzten Jahren – vom „Wir sind Papst“ in der BILD bis zu den „Scheinheiligen“ des SPIEGEL und „Kirche heute“ auf der TITANIC. Es sei alles dabei, vom Jubel und Promi-Kult bis hin zur verletzenden Satire. Und auch anlässlich des Papstbesuches werden die Medien wieder im Stil einer königlichen Märchenhochzeit darüber berichten. Die Kirchen sind Bestandteil der Unterhaltungs- und Erregungsindustrie geworden.
Insofern bestehe allerdings eine widersprüchliche Situation. Zum einen verschwinde die Kirche aus dem Alltag der Menschen, anderseits werde sie aber als ‚exotisch’ wieder medienfähiger. Ein Beispiel in der aktuellen Talkrunde „Menschen bei Maischberger“, in der ein Teilnehmer als „gläubiger Christ“ vorgestellt wurde.
Was interessiert Medien? Irgendwas mit Moral, irgendwas mit Wahrheit – allerdings tun sich Medien und Kirchen schwer miteinander - und irgendwas mit... ja was eigentlich?
I. Irgendwas mit Moral
Zur Normalität gehört es, dass die Medien zum Teil Aufgaben übernommen haben, die früher die Kirche leistete, z. B. die Einstimmung in den Tag, die nicht mehr mit einem Gebet beginne sondern mit der Frühmusik. Auch das Fernsehen habe eine soziale Bedeutung mit den verschiedensten Ratgeberformaten am Nachmittag, in denen es auch um Schuld und Sühne gehe. Ebenso haben die sozialen Netzwerke des Internets eine Bedeutung als Gemeinschaft Gleichgesinnter.
In dieser Normalität müssen die Kirchen also etwas Besonderes bieten. Aber warum wählen Medien vorrangig das Scheitern, das Unglück, und nicht das Gelingen, das Glück, zum Thema? Die uralte Weisheit „Bad news are good news“ ist aber nicht das Ausschließliche; die Lust am Negativen ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn eine andere Weisheit ist: Menschen interessieren sich für Menschen.
Hat aber die Kirche markante Persönlichkeiten? Dazu gäbe es zudem den Eindruck, dass Evangelische eher als „Vermittelnde“ gewünscht und präsentiert werden (wie der EKD-Präses Nikolaus Schneider), Katholiken dagegen eher als „Krawallmacher“ (wie der Journalist und Autor Matthias Matussek). Dabei seien drei Mediengebote zu beachten:
- Du sollst ein Bild von dir machen!
- Du sollst nicht langweilig sein! Glaube und Theologie finden kein Interesse mehr. Es fehlen zudem bei den meisten Zuschauern und Lesern die Kenntnisse darüber.
- Du sollst etwas mit Moral im Angebot haben. Das eignet sich nicht nur für Ethik-Kommissionen sondern auch für Talk-Shows. So saßen beispielsweise Nikolaus Schneider und Peter Hahne bei „hart aber fair“ zu Themen des Sterbens und des Alterns. Die Gefahr bestehe jedoch in der Reduzierung als moralischer Dienstleister, als dezidiert christliche Stimme in Islam-Debatten.