Die Journalistin Karen Krüger berichtet in ihrem Buch "Eine Reise durch das islamische Deutschland" von Eindrücken an verschiedenen Orten muslimischen Lebens und betont dabei die Vielfalt in den konkreten Erscheinungsformen. Es handelt sich um einen locker geschriebenen Reisebericht, der als solcher mit interessanten Kommentaren verstanden werden sollte.
"Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen". Der Satz des deutschen Dichters Matthias Claudius ist mittlerweile in den Alltagssprachgebrauch eingegangen. Wenn ein Journalist "eine Reise tut", dann kommt dabei mitunter ein Buch heraus. Das ist dann je nach Bekanntheitsgrad nicht selten von Geschwätzigkeit und Selbstdarstellung geprägt. Doch davon kann bei Karen Krügers Bericht über "Eine Reise durch das islamische Deutschland" glücklicherweise nicht die Rede sein. Die Feuilleton-Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung musste für ihren Reise nicht weit fahren oder fliegen. Sie blieb im Land und doch in der Fremde. Dies gilt zumindest für die Wahrnehmung vieler Bio-Deutscher vom Islam und den Muslimen. Um einen direkten Eindruck davon zu bekommen, reiste Krüger kreuz und quer durch die Republik, wobei der Osten mit Ausnahme von Dresden ausgespart blieb. Was für die Reise der genaue Anlass war, erfährt man indessen nicht. Denn ohne ein erläuterndes Vorwort beginnt die Autorin mit dem ersten Bericht.
Dieser besteht wie alle folgenden aus Schilderungen von persönlichen Begegnungen und eher zurückhaltenden Kommentierungen. Dabei geht es um Gespräche mit einem muslimischen Bundeswehrsoldaten, einer deutschtürkischen Frauenärztin, einem muslimischen Gefängnisseelsorger, dem Godfather der muslimischen Modeindustrie, dem Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an einer Universität, jungen "Öko-Muslimen", muslimischen Pfadfindern, einer islamischen Religionslehrerin, dem Sprecher eines Islamischen Zentrums, einem bekannten türkischen Theologen oder der Vorsitzenden des "Zentralrats der Ex-Muslime". Ebenso unterschiedlich wie die Gesprächspartner, so die Botschaft, sei auch der Islam in Deutschland. Das Bild vom "homogenen Block" (S. 42), das mitunter in den Medien vermittelt werde, stimme nicht mit der Wirklichkeit überein. "Grundsätzlich gilt", so formuliert Krüger als eine Art bilanzierendes Ergebnis: "'Den Islam' gibt es in Deutschland genauso wenig wie die 'typische muslimische Lebensweise'" (S. 73).
Genau dies macht die Aneinanderreihung von einzelnen Erfahrungen, die man jeweils auch für sich oder in anderer Reihenfolge lesen kann, deutlich. Überraschenderweise kommen die Einschätzungen der Autorin häufig nur in wenigen, aber treffenden Sätzen vor. Über den "Zentralrat der Muslime in Deutschland", der namentlich beansprucht, eine bedeutsame Interessensvertretungsorganisation zu sein, heißt es: Ihm gehörten "nur 300 Moscheegemeinden mit ca. 20.000 Mitgliedern und damit 0,5 Prozent der Muslime Deutschlands an" (S. 90). Zu einer Koran-Stelle, worin für Apostasie der Tod gefordert wird, führt Krüger in aufklärerischer Absicht sowohl in Richtung der Fundamentalisten wie der Islamhasser aus: "Eine Strafe auf Erden, ausgeführt von Menschenhand, ist nicht vorgesehen" (S. 100). Und bezogen auf die dramatisierende und fehlerhafte Berichterstattung in einem Nachrichtenmagazin heißt es: "Der Islam braucht einen Luther schreibt der 'Focus' als Fazit. Vielleicht braucht der 'Focus' gut recherchierte Artikel?" (S. 156).
Die Autorin vermeidet keine deutliche Kritik, heißt es doch: "Heute ist die muslimische Gesellschaft von Geschlechtergleichheit weiter entfernt als die Sonne vom Mond" (S. 309). In diesem Kontext nimmt sie auch eine differenzierte und reflexionswürdige Deutung von der Silvesternacht in Köln vor. In der Gesamtschau hätte man sich mehr solcher Ausführungen gewünscht, denn aus ihnen spricht das Differenzierungsvermögen und die Sachkenntnis der Autorin. Gegen Ende schreibt sie: "Die Muslime, die in diesem Buch zu Wort gekommen sind, wünschen sich das 'Wir'. Sie wollen aufklären, Normalität aufzeigen und engagieren sich gegen Missstände in der muslimischen Community" (S. 346). Dem ist zweifellos so und insofern endet das Buch optimistisch. Doch gibt es eben auch Muslime, die wohl nicht mit Krüger sprechen würden. Gerade das islamistische und salafistische Potential hätte noch stärkere Aufmerksamkeit finden können. Ansonsten hat man es mit einer lehrreichen und unterhaltsamen "Reise durch das islamische Deutschland" auf Buchstaben zu tun.
Karen Krüger, Eine Reise durch das islamische Deutschland, Berlin 2016 (Rowohlt Berlin), 347 S., ISBN: 978-3871348327, 19,95 Euro
3 Kommentare
Kommentare
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
"Eine Strafe auf Erden, ausgeführt von Menschenhand, ist [im Koran] nicht vorgesehen" (S. 100).
Das islamische Recht leitet sich aber nicht nur aus dem Koran, sondern auch aus der Hadithliteratur ab, und dort ist der Befehl zur Tötung desjenigen, der vom Islam abfällt, mehrfach belegt. Folgerichtig ist es allgemein gültige islamische Rechtsauffassung, dass der Abfall vom Islam mit dem Tode zu bestrafen ist. Und dies kann nicht nur durch die staatliche Gerichtsbarkeit ausgeführt werden, viele Schariagelehrte sehen jeden Muslim dazu befugt und aufgerufen.
Bekannt ist ja der Fall von Hamed Abdel-Samad. Ein Professor der renommierten Al-Azhar-Universität in Kairo forderte den sofortigen Tod Abdel-Samads, da dieser den Propheten beleidigt habe. In einem solchen Fall helfe weder Reue, noch müsse irgendjemand offiziell ankündigen, dass Abdel-Samad nunmehr zu töten sei. Zur Untermauerung zitierte der Gelehrte eine Geschichte aus den Hadithen, die in solchen Fällen häufig herangezogen wird:
Der Prophet entdeckte vor einer Moschee einmal eine getötete Frau. Er fragte die Betenden, wer sie umgebracht habe. Ein blinder Mann erhob sich und sagte: "Ich habe sie getötet, Prophet Gottes. Sie ist meine Sklavin, und ich habe von ihr zwei kleine KInder, die Perlen gleich sind. Doch gestern hat sie Dich, Prophet Gottes, beleidigt. Ich habe sie aufgefordert, dich nicht mehr zu schimpfen, aber sie wiederholte, was sie gesagt hatte. Ich konnte das nicht aushalten und habe sie umgebracht." Mohamed sagte daraufhin: "Ihr seid meine Zeugen, das Blut dieser Frau ist zu Recht geflossen." (zitiert nach Abdel-Samad, Der islamische Faschismus - eine Analyse)
Hinzu kommt: "Heiden" sind nach dem Koran ohnehin zu töten (z.B. Sure 47,4). Die "Schriftbesitzer" sind dagegen so lange zu bekämpfen, bis sie sich der islamischen Herrschaft unterwefen und die Kopfsteuer zahlen (z.B. Sure 9, 29).
hans schulze am Permanenter Link
Und was sollen diese Sätze jetzt mit der Rezension bzw. den Ergebnissen, die die Autorin vorgelegt hat, zu tun haben? Geht es Jann Wübbenhorst darum, einige Anekdoten zu verbreiten?
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Hallo Herr Schulze,
ich habe mich bemüht, Ihren Kommentar zu verstehen, aber es gelingt mir nicht.
Ich habe mich nur auf eine Passage bezogen: "Zu einer Koran-Stelle, worin für Apostasie der Tod gefordert wird, führt Krüger in aufklärerischer Absicht sowohl in Richtung der Fundamentalisten wie der Islamhasser aus: "Eine Strafe auf Erden, ausgeführt von Menschenhand, ist nicht vorgesehen" (S. 100)."
Dies ist, wie dargestellt, zumindest irreführend. Dazu habe ich die islamische Rechtsauffassung kurz dargestellt, mit Bezug auf die autoritativen Texte des Islam.
Warum Sie das mit "Anekdoten über alkoholtrinkende Muslime und Musliminnen im Minirock" assoziieren, wird wohl Ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht lesen Sie in der Tat zu viel die BILD-Zeitung?