Das Kuratorium der Internationalen Liga für Menschenrechte e.V. hat beschlossen, in diesem Jahr SOS Méditerranée (Sitz Berlin) und Kai Wiedenhöfer (Berlin) für ihre Zivilcourage und ihren Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2016 auszuzeichnen. "Mit ihrem herausragenden Engagement lenken beide Ausgezeichneten den Blick der Öffentlichkeit auf die oftmals verzweifelte Lage von Geflüchteten und gleichermaßen auf die Ursachen von Flucht und Migration", so das Kuratorium in seiner Entscheidung.
Angesichts der dramatischen Zunahme von fluchtbedingten Seenotfällen im Mittelmeer gründete Kapitän Klaus Vogel gemeinsam mit engagierten BürgerInnen und Hilfsorganisationen im Jahr 2015 den europäischen Verein SOS Méditerranée zur Rettung Schiffsbrüchiger.
Mit ihrem Schiff MS Aquarius hat die Organisation seit Februar 2016 im zentralen Mittelmeer vor der libyschen Küste etwa 3.370 Flüchtlinge gerettet. An Bord befindet sich eine professionelle Besatzung, zu der außer der Crew ein Search- and Rescue- sowie ein medizinisches Team von "Ärzte ohne Grenzen" gehören.
SOS Méditerranée arbeitet nach dem Prinzip "Leben retten, schützen, begleiten und dies bezeugen". Die aus Seenot geretteten Menschen werden an Bord der MS Aquarius medizinisch und psychisch erstversorgt und anschließend an unterstützende Einrichtungen in Europa vermittelt. Gleichzeitig unterrichtet SOS Méditerranée die europäische Öffentlichkeit über jede Rettungsaktion und klärt mit sachkundigen Informationen über die Situation der Geflüchteten und Geretteten auf. In einem elektronischen Logbuch verleiht ihnen der Verein eine weithin hörbare Stimme.
Mit ihren Rettungseinsätzen setzt SOS Méditerranée ein zivilgesellschaftlich humanitäres Zeichen gegen die todbringende Abschottungspolitik der EU-Regierungen. Dieser Politik fielen seit 2010 fast 30.000 Menschen zum Opfer. Die meisten kamen bei dem Versuch ums Leben, das Mittelmeer in dafür ungeeigneten alten Schiffen und Schlauchbooten zu überqueren.
Die Liga verbindet die diesjährige Auszeichnung von SOS Méditerranée für ihre mutige Rettungsarbeit mit einem deutlichen NEIN zu einer EU-Politik, die unter Verstoß gegen die universellen Menschenrechte alle Fluchtwege nach Europa verplombt hat. Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not fliehen, um ihr Leben zu retten, werden damit wissentlich auf illegale Wege und in die Hände krimineller Schlepper getrieben. Das Rettungsteam von SOS Méditerranée trägt mit seinem tatkräftigen Engagement dazu bei, die Öffentlichkeit über die dramatischen und oft tragischen Folgen der Flucht- und Migrationspolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten regelmäßig aus erster Hand zu informieren.
Der Dokumentarfotograf Kai Wiedenhöfer, der gemeinsam mit SOS Mediterranee mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2016 ausgezeichnet wird, macht mit seinen Fotozyklen und Bildbänden auf die weltweit seit Jahren wachsende Zahl von Flüchtlingen und ihre Schicksale aufmerksam. Seine Ausstellungen und zuletzt sein Buch "Confrontier / Borders 1989 – 2012" lösten eine öffentliche Diskussion über die Unmenschlichkeit von Ausgrenzungsmauern zur nationalen oder regionalen Abschottung aus. Diese Diskussion führte unweigerlich zu den politischen Ursachen von Flucht und Migration, aber auch zu den Möglichkeiten ihrer gewaltfreien Überwindung.
Kai Wiedenhöfers fotografisches Werk ist ein Dokument der Grausamkeiten und systematischen Menschenrechtsverletzungen, die durch Mauern, Zäune und Absperrungen verursacht werden. Er reist durch viele Länder auf allen Kontinenten und stellt beeindruckende Fotos von Mauern her, die politische Willkür symbolisieren; und er zeigt uns Menschen in Armut und Not, die ansonsten allzu oft aus dem Blickfeld der wohlhabenden Gesellschaften geraten.
Mit seiner aktuellen Foto-Ausstellung "WARonWALL" zeigt Kai Wiedenhöfer eindrucksvoll die Folgen des Kriegs für die Menschen in Syrien auf. Die Ausstellung ist bis zum 25. September 2016 an der als "West-Side Gallery" bezeichneten, der Spree zugewandten Seite der East-Side Gallery in Berlin – auf 360 Metern der Berliner Mauer - zu sehen. (http://www.waronwall.org/)