Gut, aber was stellen Sie sich denn vor, was dann noch als Ausnahmeregelung erlaubt werden soll in einem Gesetz?
Das weiß ich nicht. Das ist eine Sache der Juristen und für die Ethik. Ich spreche nur darüber. Ich glaube nicht, dass man solch eine Sache per Gesetz regeln kann. Wir leben in einer Demokratie, und da muss man diese Dinge ausdiskutieren. Man muss abwägen zwischen Religion oder Tradition und ethischen Werten.
Ich bin jedenfalls gegen Verbote. Verbote verdrängen die Dinge nur. Sie klären sie nicht.
Was würden Sie sich denn wünschen?
Das ist wirklich eine schwere Frage. Denn egal, was ich mir wünsche: die Religionen werden das weiterhin tun: Beschneiden und Taufen.
Stellen Sie sich vor, es würde verboten: dann würden sie es im Keller oder Hinterzimmer machen. Darum geht es aber nicht. Es muss jetzt eine Kampagne, eine Debatte darum geben. Und dann sollte es dem Menschen freistehen, ob er das mit seinem Kind macht, oder nicht. Die Leute machen mit ihren Kindern doch, was sie wollen. Das wissen wir doch. Wir wissen nicht, was bei den Leuten zuhause passiert.
Und diese neue Regelung ist keine Lösung, indem man sagt: Kinder sollen mit 14 entscheiden. Das ist lächerlich. Welches Kind kann mit 14 darüber entscheiden? Es ist noch ebenso abhängig von seinen Eltern wie mit 10 oder 12. Und es ist ja schlimmer, wenn die Beschneidung erst mit 14 erfolgt. Da plädiere ich dann doch eher für die acht Tage.
Sie schreiben ja darüber, dass in ihrer Familie zwei Onkel an der Beschneidung verstorben sind. Gibt oder gab es so etwas häufiger?
Ja früher. Auch in Europa waren die hygienischen Umstände schlimmer als heute. Es war früher der Friseur, der als Chirurg arbeitete. Und wenn man dann eine Entzündung bekam oder Blutungen, und starb, dann sagte man ‚Es war Gottes Wille‘.
Aber verstehe ich das richtig, dass Sie hoffen, das aus der Debatte heraus weniger Leute ihre Kinder beschneiden lassen?
Ja. Denn in der Debatte kommt ja auch heraus, dass es nicht im Koran steht, dass beschnitten werden muss. Das sind Hadithe – also vermutete Aussagen Mohammeds – die das vorschreiben sollen.
Aber die Aussagen Mohammeds sind immer wieder bestritten worden. Es gibt große theologische Diskussionen darüber. Denn einige davon sind so modern, dass man denkt, sie sind vor zwei Monaten veröffentlicht worden. Man kann darüber also lange diskutieren und es gibt immer wieder die Meinung, dass es auch gefälschte Aussagen gibt.
Eine Regelung muss gefunden werden. Ich bin aber gegen einen vorschnellen Beschluss oder ein Gesetz. Das muss in der gesamten Gesellschaft diskutiert werden.
Es ist ekelhaft, dass der Bundestag diesen schnellen Entschluss formulierte. Es ist Heuchelei, denn hätte Deutschland nicht eine besondere Stellung zu den Juden, hätte es den Beschluss nicht gegeben. Denn die muslimischen Gemeinden haben doch auch kaum darauf reagiert. Das zeigt, was für eine Heuchelei das ist.
Wenn schon in einer Sprache ein Verb existiert wie in keiner anderen Kultur: nämlich „nachdenken“ – dann sollten wir genau das jetzt tun. Ein Jahr oder auch zwei Jahre, bis man feststellt: dieser Beschluss des kölner Gerichtes ist so oder so zu werten.
Wenn schon im jüdischen Krankenhaus in Berlin zwei Drittel der beschnittenen Kinder Muslime sind, dann zeigt auch das, wie heuchlerisch die Feindschaft zwischen den Religionen ist. Muslimische Väter liefern die Schwänze ihrer Söhne jüdischen Ärzten…
…und Sie wurden von einem Christen beschnitten…
Für den hpd sprachen Frank Nicolai und Walter Otte mit Najem Wali.