Der Fall Hohmann – 10 Jahre danach

In den letzten Jahren trat Hohmann nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. 2011 nahm er an einer Wallfahrt der Piusbruderschaft teil. Hohmann bekannte sich dort zur Tridentinischen Messe und sprach sich neben Abtreibung auch gegen homosexuellen Lebensstil aus. Die Piusbruderschaft stand in den letzten Jahren wegen Antisemitismusvorwürfen und ihres konservativen Familienbilds selbst in der Kritik.

Hohmanns Kernargument über die moralische Verkommenheit der Atheisten hat sich jedoch gehalten. Neu ist allerdings, dass in den vergangenen Jahren eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit stattgefunden hat.  In seiner Dreikönigspredigt vom 6. Januar 2005 stellte der Kölner Erzbischof Joachim Meisner die gottlosen Verbrechen Nationalsozialismus, Kommunismus und Abtreibung auf eine Stufe. Für diese Aussage erhielt der Hardliner der deutschen Bischofskonferenz zwar Zustimmung von Hohmann, musste sich aber vom Zentralrat der Juden in Deutschland den Vorwurf gefallen lassen, den Holocaust zu verharmlosen.

Auch der Augsburger Bischof Walter Mixa hatte in seiner Osterpredigt 2009 Atheisten für linke und rechte Verbrechen verantwortlich gemacht. Erneut zog er den Zorn der Medien auf sich. SPIEGEL ONLINE ließ Michael Schmidt-Salomon zu Wort kommen, der die Argumente Mixas zurückwies.

Anfang 2012 wollte sich der CSU-Politiker Norbert Geis in der Talkrunde bei Anne Will nur von Hohmanns Äußerungen über Juden distanzieren, stimmte seinen Analysen über „Gottlose“ allerdings zu. Grünen-Politiker Volker Beck widersprach ihm vehement. Nachdem humanistische Verbände Strafanzeige gestellt hatten, zog dieser seine Aussagen zurück. Auch Geis' Zeit ist abgelaufen. Dem neuen Bundestag gehört er nicht mehr an. Dabei war es ausgerechnet eine Scheidungsanwältin, gegen die das bayerische Urgestein die innerparteiliche Nominierung verlor.

Es ändert sich

Großen Einfluss hat die Christliche Rechte in Deutschland ohnehin nicht mehr. Zwar durften sich Vereine wie ProChrist oder der Arbeitskreis Christlicher Publizisten im Glanze Christian Wulffs sonnen, doch war dieser Bündnis rein taktisch. Als zweifach verheirateter und geschiedener Familienvater kann der ehemalige Bundespräsident wohl kaum evangelikale Werte vertreten. Bei einem seiner letzten Treffen mit dem ACP musste sich Wulff dafür rechtfertigen, dass er mit Aygül Özkan erstmals eine muslimische Landesministerin berufen hatte, die zudem das Kruzifix im Klassenraum hinterfragte.

Wie schnell sich der Wandel vollzogen hat, zeigt sich am deutlichsten im Kernland der CDU. 2004 wurde der ehemalige Ministerpräsident Baden-Württembergs, Hans Filbinger, für die Bundesversammlung nominiert, um Horst Köhler zum Bundespräsidenten zu wählen. Diese Entscheidung war umstritten, denn im 2. Weltkrieg hatte der Politiker als Marinerichter Todesurteile gegen Deserteure ausgesprochen. Als Filbinger 2007 starb, würdigte ihn Amtsnachfolger Günther Oettinger in einem Nachruf dennoch als Gegner des Nationalsozialismus. Nach öffentlichem Protest und Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel zog dieser seine Aussagen zurück. Zwei Jahre darauf wurde Oettinger nach Brüssel wegbefördert. Sein Amtsnachfolger Stefan Mappus verlor die jahrzehntelange Unionsherrschaft nach der kürzesten Amtszeit eines baden-württembergischen Ministerpräsidenten überhaupt – ausgerechnet an die Grünen.

Lukas Mihr