Religionsfreie Zone: Sex & Schokolade

KÖLN (hpd) Auch dieses Jahr fand am Karfreitag in Köln eine Religionsfreie Zone statt. Im Filmhaus präsentierte der nordrhein-westfälische Landesverband des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) Sex und Schokolade und als special event eine „Enttaufungsstation“. Trotz der sommerlichen Temperaturen fand sich eine ganze Reihe Interessenten zu den Filmen ein.

 

Als hätte Rainer Ponitka die Entwicklung des Wochenendes vorausgesehen, betonte er in seiner Begrüßungsansprache die Wichtigkeit, sich als Konfessionslose zu organisieren, um die konsequente Trennung von Staat und Religion sowie die individuelle Selbstbestimmung durchzusetzen. Anhand des Feiertagsgesetzes verdeutlichte der NRW-Landessprecher, dass christliche Vorstellungen nach wie vor hegemonial wirken und auch das konfessionslose Drittel der Bevölkerung dazu zwingen, sich religiösen Normen entsprechend zu verhalten. So ist am Karfreitag, wie an weiteren „Stillen Tagen“, christliche Besinnlichkeit Pflicht. Dann sind öffentliche Feiern außerhalb der eigenen Wohnung untersagt – selbst wenn diese die Andacht der Christen weder akustisch noch räumlich stören.

Als Kontrastprogramm zur staatlich verordneten Trauer und Andacht zeigte der IBKA zunächst den Film „Kinsey – Let’s Talk About Sex“. „Diesen Film haben wir ausgewählt, weil Sex einer der privaten Lebensbereiche der Menschen ist, in den sich Glaubens- und Religionsgemeinschaften seit jeher gerne einmischen“, erläuterte Rainer Ponitka. Als zweiter Film lief ein Klassiker, der auf Protestveranstaltungen gegen die Feiertagsgesetzgebung schon oft gezeigt wurde: „Chocolat – Ein kleiner Biss genügt“. Der Streifen befasst sich mit den Verwicklungen, die entstehen können, wenn eine Atheistin in der Fastenzeit eine Chocolaterie eröffnet...

Im Foyer des Filmhauses waren zudem mehrere Infostände aufgebaut sowie eine „Enttaufungsstation“. Hier ließen sich aus den Kirchen ausgetretene Personen „enttaufen“ und diesen Schritt beurkunden. Diese von amerikanischen Atheistenorganisationen übernommene Aktionsform soll gegen eine weitere Anmaßung der Kirchen protestieren, nämlich die Behauptung, dass ein Mensch durch die Taufe unabänderlich zur Gemeinschaft der Gläubigen gehöre und diese nicht durch einen selbstbestimmten „Vereinsaustritt“ verlassen könne; tatsächlich wird kirchlicherseits ein Kirchenaustritt nur als Verlassen der Steuergemeinschaft verstanden.

Auf einer der Urkunden fand sich übrigens ein Zitat des Philosophen Friedrich Nietzsche, das ein wichtiges Argument in der Diskussion über das Feiertagsgesetz und die Gängelung des ungläubigen Teils der Bevölkerung treffend zusammenfasst: „Leute, denen ihr tägliches Leben zu leer und eintönig vorkommt, werden leicht religiös: dies ist begreiflich und verzeihlich, nur haben sie kein Recht, Religiosität von denen zu fordern, denen das tägliche Leben nicht leer und eintönig verfließt.“ Eintönig verlief der Abend im Filmhaus nun wirklich nicht und deshalb werden die meisten der Besucher wohl auch nächstes Jahr wiederkommen – wenn sie nichts Besseres vorhaben.

Gunnar Schedel

 

Foto: "Enttaufungsstation" - Petra Daheim verkündet den Text der Enttaufungsurkunde (Fotografie: Rainer Ponitka)