WARSCHAU. (hpd) Die Entwicklungen in der Ukraine sind zurzeit das Top-Thema in Polen; der beginnende Wahlkampf für die anstehenden Wahlen zum Europaparlament gerät fast vollständig in den Hintergrund. Die Krise im Nachbarland sorgt auch für etwas, das es bisher in Polen nie gab: Eine Einigkeit innerhalb der zersplitterten Parteienlandschaft.
Im polnischen Parlament (Sejm) sprachen sich alle Parteien für ein energisches Vorgehen und Sanktionen gegenüber den ukrainischen Machthabern aus. Premierminister Donald Tusk, rechtsliberale Bürgerplattform (PO), bekundete gestern die Bereitschaft Polens, Flüchtlinge und Verwundete aufzunehmen und die ukrainische Regierung unter Druck zu setzten. Mittel dafür seien unter anderem Einreisebeschränkungen in die Europäische Union für Regierungsmitglieder sowie das Einfrieren von Konten innerhalb der EU. Dafür bekam Tusk Applaus und Unterstützung vom Vorsitzenden der rechtsklerikalen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Jaroslaw Kaczynski – ein Novum im Sejm. Zustimmung bekam Tusk auch von den anderen Sejm-Fraktionen.
Wirtschaftliche Sanktionen werden von polnischen Politikern jedoch kritisch betrachtet. Die Ukraine sei ein wichtiges Exportland für Polen, viele Unternehmen seien davon abhängig.
Heute wollen sich Spitzenpolitiker aller Parteien, polnische EU-Abgeordnete sowie Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski treffen, um über die weiteren Aktivitäten Polens zu beraten. Ein übergreifender Konsens und somit eine einheitliche Linie Polens rückt in greifbare Nähe.
Die Entwicklungen beim östlichen Nachbarn Polens werden derweilen mit Sorge betrachtet. Ex-Präsident und Ukraine-Experte Aleksander Kwasniewski erwartet einen tragischen Ausgang mit vielen Toten und Verletzten. Pawel Kowal, Polen ist das Wichtigste (PJN), sieht ein Bündnis zwischen EU und USA als reale Kraft, die an der Situation etwas ändern könne. Politiker und Kommentatoren sehen überwiegend düstere Szenarien aufziehen, sie sehen wenige Möglichkeiten, von außen auf die Situation einzuwirken.
Lukas Plewnia
Anmerkung:
Nach Informationen des Außenministeriums flog der deutsche Außenminister Steinmeier angesichts der Lage in der Ukraine heute gemeinsam mit seinen polnischen und französischen Amtskollegen, Radosław Sikorski und Laurent Fabius, nach Kiew zu Gesprächen mit Opposition und Regierung.