Gestern hat der Zentralrat der Konfessionsfreien seine Agenda im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt. Die "Säkulare Ampel" benennt zwölf zentrale Themen, die den Kern der künftigen politischen Arbeit des Vereins bilden sollen, und erläutert die Forderungen an die Regierungsparteien. Der hpd gibt sie im Wortlaut wieder.
1. Gleiches Arbeitsrecht für alle garantieren
Für religiöse Träger setzt der deutsche Staat das übliche Arbeitsrecht außer Kraft. Homosexuelle, Wiederverheiratete oder Konfessionsfreie können fristlos entlassen und kategorisch vom Bewerbungsprozess ausgeschlossen werden. Rund 1,3 Millionen Beschäftigte dürfen keine Betriebsräte gründen und nicht streiken; sie werden systematisch diskriminiert und indirekt zur Kirchenmitgliedschaft gezwungen – mit dem Segen des Gesetzgebers. Der Europäische Gerichtshof hat diese Praxis mehrfach gerügt und Deutschland aufgefordert, sein Arbeitsrecht auch auf religiöse Arbeitgeber anzuwenden.
"Wenn die Kirchen in diese Reform einbezogen werden, ist schon jetzt klar, dass in diesem Bereich nicht das juristisch Notwendige geschehen wird", sagt Ingrid Matthäus-Maier, die in mehreren Verbänden des Zentralrats aktiv ist. In den 1970er Jahren hat sie das "Kirchenpapier" der FDP mitverfasst, war danach finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und ist heute aktives Mitglied der Säkularen Sozis. Matthäus-Maier meint, die Ampelkoalition müsse in Sachen Arbeitsrecht in die Offensive gehen: "Die Kirchen haben nie von sich aus auf etwas verzichtet – warum also sollten sie es jetzt tun?"
Momentan sind Religionsgemeinschaften vom Betriebsverfassungsgesetz ausgenommen (§ 118). Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz lässt in Paragraf 9 "eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung" zu. Solche Sonderregelungen werden oft mit einem vermeintlichen "Selbstbestimmungsrecht" der Religionsgemeinschaften begründet. In Wahrheit existiert ein solches Recht aber gar nicht. In Artikel 140 GG heißt es vielmehr: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig" – und zwar: "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes". Die Kirchen haben laut Verfassung also bloß ein "Selbstverwaltungsrecht" – und sie stehen keineswegs über dem Gesetz, sondern müssen sich diesem unterordnen.
Da der Staat den Kirchen wichtige Aufgaben im Sozial-, Medizin- und Bildungs-Bereich übertragen hat, glauben viele Menschen fälschlicherweise, die Kirchen würden die Kirchensteuern zur Finanzierung sozialer Aufgaben einsetzten. Tatsächlich aber wird die Arbeit von Caritas und Diakonie zu über 98 Prozent mit Versicherungsbeiträgen sowie den Mitteln der öffentlichen Hand finanziert, wie der Sozialwissenschaftler Dr. Carsten Frerk, Leiter der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), ausführlich belegt hat.
Zum Betrieb der konfessionellen Krankenhäuser beispielsweise tragen die Kirchen keinen einzigen Cent selbst bei. Dennoch maßen sie sich an, bis in die intimsten Aspekte des Privatlebens ihrer Angestellten hineinzuregieren. Da der deutsche Staat die kirchlichen Sozialkonzerne Caritas und Diakonie zu den größten nichtstaatlichen Arbeitgebern Europas gemacht hat, trägt er für die faire Behandlung der Beschäftigten eine besondere Verantwortung, der er nun nachkommen muss.
Der Zentralrat der Konfessionsfreien fordert deshalb ein Ende des sogenannten "Dritten Wegs", der den Kirchen bis heute eine Lizenz zur Diskriminierung gibt. Der ehemalige ver.di-Chef und heutige Sprecher für Arbeit und Soziales der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Frank Bsirske hat Recht, wenn er das das "kirchliche Arbeitsrecht" als "Relikt der Vergangenheit" bezeichnet, das wir "komplett abschaffen" sollten. Wie er, so verlangen auch wir: "Gleiches Arbeitsrecht für alle!"
6 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Punkt für Punkt volles Programm.
Gut so!
Stefan am Permanenter Link
Danke für Euer Engagement - offensichtlich ist der Bedarf dafür größer als je zuvor. Ich finde die Punkte kristallklar und sehr nachvollziehbar - der Logik kann man sich nicht verschliessen.
Wie kann man (über Mitgliedschaften in gbs und eifriges Teilen in social media / Freundeskreis etc. hinaus) unterstützen?
Gruss und schönes Wochenende.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Nachdem ich diesen Bericht gelesen und verinnerlicht habe, frage ich mich,:::Worauf
Eine Regierung, welche ständig gegen die Einsichten und Wünsche der Bevölkerung handelt kann und wird sich nicht lange an der Macht halten können.
A.S. am Permanenter Link
Lieber Herr Baierlein, solange die Bürger so dumm sind, gläubige PolitikerInnen zu wählen, wird das Parlament die Gesetze machen, die die Kirche will.
A.S. am Permanenter Link
Insgesamt ein gutes Programm, aber bei Punkt 12 muss ich doch Kritik üben:
Indoktrination kann nicht Privatsache sein. Religion wird uns indoktriniert.
Demokratie geht in der Theorie davon aus, dass vernünftige Menschen mit freiem Willen eigenständig Informationen bewerten, daraus Schlüsse ziehen und Entscheidungen trefffen.
Was aber bleibt von Demokratie, wenn die Menschen (der Souverän der Demokratie) systematisch indoktriniert und manipuliert werden? Es kann die Regierung sein, die die Bürger indoktriniert. Es können aber auch gesellschaftliche Gruppen sein, die die Bürger zu indoktrinieren versuchen. Die religiösen Führer indoktrinieren ihre Gläubigen systematisch. Auf diesem Wege schaffen sie es, dass die gläubigen Bürger selber ihre Demokratie zerstören.
Nein, Indoktrination darf keine Privatsache sein.
Religion ist Indoktrination + Angstpädagogik + Manipulation.
Religion wird uns indoktriniert, mit Religion werden wir manipuliert. Die Kirche indoktriniert uns, die Kirche manipuliert uns.
Mit Religion werden Menschen und Menschenmassen gesteuert. Von Priestern. Wer gibt Priestern das Recht dazu?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ A.S.
Demokratie zu legen.