Niederlande

Bauernproteste: Echter Klimaschutz ist möglich und nötig

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Über die Gülle gelangt Nitrat ins Grundwasser. Vielerorts sind Ackerflächen bereits zu stark belastet.
Über die Gülle gelangt Nitrat ins Grundwasser.

In den Niederlanden kam es zu teilweise ausufernden Protesten gegen die neuen Klimaschutzmaßnahmen der Regierung. Eine hohe Nitratbelastung durch Viehzucht und stickstoffhaltige Düngung setzt dort den Naturschutzgebieten und Moorlandschaften schwer zu. In einigen der südlichen Teile des Landes ist die Schweinedichte die höchste der Welt, wobei sich manche der entsprechenden Betriebe in der Nähe von Naturschutzgebieten befinden. Weite Teile des Parlaments befürwortet das Schließen einiger dieser Höfe – was von den betreffenden Viehhalter:innen naheliegenderweise abgelehnt wird. Aus wissenschaftlicher Sicht ist allerdings längst klar, dass eine Begrenzung der Erderwärmung durch die Einhaltung der Klimaschutzziele unabdingbar ist, wenn die Menschheit weiterhin auf diesem Planeten leben möchte.

Wirksamer Klimaschutz bedeutet Veränderung für Industrie, Gesellschaft und Individuum. Da jede:r einen Teil beitragen muss, um die völkerrechtlich verbindlichen Ziele zu erreichen, kann sich niemand mehr mit Verweisen auf die Verantwortung anderer Sektoren oder dem Glauben, dass künftige Technologien die Probleme schon zu lösen im Stande seien, herausreden. Das hat auch die niederländische Regierung erkannt, die nicht länger mitansehen wollte, wie seit Jahrzehnten etwa die zulässigen europäischen Grenzwerte für den Stickstoffausstoß überschritten werden, und relativ strenge Umweltauflagen erlassen. Um bis 2030 landesweit eine Verringerung des Ausstoßes dieses Treibhausgases um die Hälfte zu erreichen, müsse unter anderem der Viehbestand drastisch reduziert werden. Während die Emission von Stickoxiden im Verkehr etwa durch ein allgemeines Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen bereits angegangen wurde, sollen nun auch die Vieh-Betriebe ihren Anteil leisten, welcher in den Niederlanden aktuell noch mit 40 Prozent zu Buche schlägt. Im Zuge dieser Landwirtschaftsreform könnte knapp ein Drittel der tierhaltenden Betriebe vor dem Aus stehen. Insbesondere aber jene, die sich räumlich in der Nähe von Gebieten befinden, die eines besonderen Schutzes bedürfen.

Deshalb fühlen sich viele Bäuer:innen, die tatsächlich bereits einiges in puncto nachhaltiger Umrüstung getan haben, verraten und begehren gegen diese politischen Maßnahmen auf. Das Problem ist jedoch: Wenn auch die besten aktuell zur Verfügung stehenden Technologien in einer Branche nicht ausreichen, um die klar abgesteckten Ziele zu erreichen, ist manchmal ein grundlegendes Umdenken gefragt. Doch statt nach Bewirtschaftungsformen zu suchen, die nachhaltiger sind, wollen einige Landwirt:innen mit brennenden Heuballen, Güllefässern vor dem Haus der Umweltministerin, Demolierungen von Einsatzfahrzeugen und Straßenblockaden lautstark an den überholten Formen festhalten. Einige der Blockaden führten zu leeren Regalen in Supermärkten und bei mindestens einem der Proteste musste die Polizei bereits Schüsse abfeuern. Trotz der Einberufung eines Vermittlers konnte bislang keine Beilegung des Konflikts erreicht werden. Und aufgrund der Tatsache, dass eine Mehrheit im Parlament weiterhin die Einhaltung der Klimaschutzziele befürwortet und die globale Erwärmung wegen zu wenigen Maßnahmen weiter zunimmt, wird der Protest wohl auch nicht so schnell abebben.

Die Erde ist bereits um 1,1 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmt. Wie wichtig ein zeitnahes Umsteuern auf den 1,5-Grad-Pfad ist, zeigen aktuell die Jahrtausenddürren im Süden Europas und die dadurch begünstigten massiven Waldbrände in Frankreich, Spanien, Portugal und Italien eindrücklich. Die drohende Wasserknappheit ist aber etwa auch in Polen zu einem enormen Problem geworden – und zwar nicht allein durch den Klimawandel: Durch die intensive Landwirtschaft wurden vor allem im Westen des Landes eine Reihe natürlicher Feuchtgebiete trockengelegt und viele für die Speicherung von CO2 so wichtige Waldflächen gerodet. Auch in Deutschland werden regelmäßig Hitzerekorde gebrochen und ebenso hat die Zahl der verheerenden Überschwemmungen drastisch zugenommen. Allgemein zeigen wissenschaftliche Daten, dass Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Waldbrände, Stürme und Starkregen durch die globale Erwärmung und unsere Art zu wirtschaften deutlich häufiger auftreten.

Grund genug, dass Regierungen umwelttechnisch durchgreifen und trotz des absehbaren Widerstandes das Überleben der Menschheit auf unserem kleinen, noch blauen Planeten ermöglichen – worauf sich die internationale Staatengemeinschaft bei der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015 eigentlich auch geeinigt hatte. Dazu gehören alle 193 Länder, die Mitglied der Vereinten Nationen sind sowie die Cook-Inseln und der Inselstaat Niue. Dass es nicht fair ist, finanziell schwächere Regionen, die pro Kopf deutlich weniger Treibhausgase emittieren, mit den Folgen alleine zu lassen und dass Länder, die keine autokratische bis totalitäre Regierung habenm in der ethischen Pflicht stehen, die Fehlleistungen anderer – soweit tragbar – auszugleichen, ist eine Einsicht, die vielen Menschen offenbar noch bevorsteht. Ganz gleich, wie sehr einige sich vor dieser sträuben und die Hinweise der Klimatolog:innen ignorieren: Die jüngeren Generationen, die ein Interesse daran haben, noch eine gewisse Zeit lang auf diesem Planeten zu weilen, werden diese Einsicht zur Not ihrerseits mit jahrelangem Protest und mahnender Hand begleiten und letztlich erwirken.

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