Anlässlich der seit gestern tagenden Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) will das Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen mit einer Kunstaktion einmal mehr auf das Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam machen. Noch bis Donnerstagabend protestieren Vertreter der Organisationen in Fulda.
Das Entsetzen auf der Synodalversammlung vor gut zwei Wochen war groß. Nicht nur darüber, dass der Text zur Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral abgelehnt wurde. Sondern auch darüber, dass die Bischöfe sich kaum an der Diskussion beteiligt haben, um dann mit einem Minderheitsvotum das Papier scheitern zu lassen.
Wir Betroffenen sexualisierter Gewalt und des geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche kennen das seit Jahrzehnten: Die absolute Ohnmacht, das vollkommene Ausgeliefertsein in einem System, bei dem die Verantwortlichen vor allem darauf achten, juristisch und kirchenrechtlich unangreifbar zu sein, die Macht nicht zu verlieren und die alleinige Deutungshoheit zu zementieren.
Die Entscheidungsgewalt wird allenfalls dann an "unabhängige" Kommissionen verlagert, wenn die Bischöfe zuvor die Rahmenbedingungen für deren Entscheidungskompetenz festgezurrt haben und die Verantwortung für die Konsequenzen abwälzen können.
Das zeigt sich insbesondere am Verfahren zur "Anerkennung des Leids": Verantwortung für die Missstände im Anerkennungsverfahren lehnen die Bischöfe ab. Schließlich arbeite dieses Gremium unabhängig. Unabhängig? Die DBK hat doch die Vorgaben des Verfahrens im Vorfeld diktiert. Bis hin zu dem Auswahlverfahren der sieben Gremienmitglieder und den Obergrenzen für Anerkennungszahlungen.
Betroffene monieren schon lange die niedrigen Zahlungen, haben privat juristische Gutachten erstellen lassen und öffentlich auf diesen Missstand hingewiesen. Sei es in Offenen Briefen, in der Presse oder bei Gesprächen mit den Bischöfen.
Auch der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz fordert eine gerechtere Anpassung der Summen zur Anerkennung des Leids. In einer extra gegründeten Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Betroffenenbeirats, der UKA und dem ständigen Rat der DBK wurde monatelang diskutiert. Der Betroffenenbeirat schlug einen Sockelbetrag vor, der auch Unterstützung bei der UKA fand. Letztendlich wurde dieser Vorschlag vom ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz abgelehnt.
Während der scheidende Missbrauchsbeauftragte der DBK, Bischof Stefan Ackermann, vor 230 Synodalen öffentlich behauptet, die Zahlungen orientierten sich am oberen Rahmen der Schmerzensgeldtabellen, kommen Kerstin Claus, Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, und Prof. Hans Schulte-Nölke, Leiter der Studie zur Aufarbeitung im Bistum Osnabrück, zu einem ganz anderen Schluss. Als vor einer Woche im Rahmen einer Pressekonferenz ein Zwischenbericht vorgestellt wurde, sagte dieser wörtlich: "Es gibt zwar ein Verfahren der Deutschen Bischöfe für Leistungen in Anerkennung des Leids. Die nach diesen möglichen Zahlungen und Leistungen bleiben aber weit hinter dem zurück, was Verletzte nach dem staatlichen Recht erhalten würden."
Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie wenig sich die Bischöfe von Betroffenen, Anwälten, Wissenschaftlern und Politikern beeindrucken lassen, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen geht.
Prof. Thomas Großbölting, Leiter der Missbrauchsstudie im Bistum Münster, hat in einem hpd-Interview die Gesamtsituation mit folgenden Worten zusammengefasst: "Zynisch gesprochen ist es aus Sicht der Bistumshierarchen bislang gar nicht so schlecht gelaufen: Keiner musste seinen Platz räumen. Es laufen zwar die Gläubigen in Scharen weg, aber auf die ist man nicht unbedingt angewiesen, wenn man im Vatikan oder in der Erzbischöflichen Residenz in Köln lebt."
Die Betroffenen, die sich im Aktionsbündnis zusammengeschlossen haben, lassen sich dadurch nicht beirren und fordern weiterhin:
- eine unabhängige und staatliche Kommission für Aufarbeitung und Schmerzensgeld
- einen juristischen Beistand für Betroffene aufgrund der an ihnen begangenen Verbrechen
- Gerechtigkeit und Genugtuung durch tatsächliche Entschädigungen
- den Stopp der Verjährung bei sexuellem Missbrauch
- Transparenz bei den Verfahren zur Anerkennung des Leids
- eine Begründung der Entscheidung als Grundlage für ein Widerspruchsrecht
- die Beschlagnahmung von Täterakten
Um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen, versammeln sich Vertreter des Aktionsbündnisses Betroffeneninitiativen noch bis Donnerstag täglich von 9:30 - 18:00 Uhr am Bonifatiusplatz in Fulda.