Die Zulassung von Suizidhilfe in Alters- und Pflegeheimen steht derzeit in verschiedenen Kantonen auf der politischen Agenda. Der assistierte Suizid ist eine Freiheit und ein Recht, das vom Bundesgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anerkannt wird. Doch noch verwehren viele Alters- und Pflegeheime ihren Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit, diese Freiheit in ihren Räumlichkeiten zu verwirklichen, wenn sie dies möchten. Die Organisation DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben hat hierzu einen klaren Standpunkt.
Die Diskussion um die Zulassung von Suizidhilfe in Gesundheitseinrichtungen und ihre Verankerung in den kantonalen Gesundheitsgesetzen steht derzeit in verschiedenen Kantonen auf der politischen Agenda. Der ärztlich unterstützte begleitete Suizid ist seit rund 40 Jahren Praxis in der Schweiz. Das Bundesgericht, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und weitere Gerichte haben die Freiheit und das Recht bestätigt, über Art und Zeitpunkt des eigenen Lebensendes zu bestimmen und dafür die Unterstützung Dritter zu beanspruchen. Ein selbst gestaltetes Lebensende in den eigenen vier Wänden ist eine Selbstverständlichkeit und der Wunsch der meisten Menschen.
Neuer Wohnort Gesundheitseinrichtung
Wenn die Kräfte nachlassen und zunehmend Unterstützung und Pflege nötig werden, ist womöglich der Umzug in ein Alters- und Pflegeheim angezeigt. Die Wohnung oder das Zimmer in einer solchen Gesundheitseinrichtung wird zu den neuen eigenen vier Wänden. Dass die Grundfreiheiten und Menschenrechte auch dort gelten, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch einige Einrichtungen und konservativ-religiöse Kreise glauben nicht nur, dass in diesem neuen Zuhause ausschließlich das Hausrecht der jeweiligen Einrichtung gelte, sondern auch, dass dieses über den Freiheiten und Menschenrechten der Bewohner stehe und damit diesen das Recht auf Suizidhilfe verwehrt werden könne. Dies ist jedoch ein zweifacher Irrtum.
Gewährleisten der Menschenrechte
Der Staat ist verpflichtet, die Menschenrechte zu respektieren und zu gewährleisten, dass diese in Anspruch genommen werden können. Jede Einrichtung, die eine Dienstleistung erbringt, für die in irgendeiner Form finanzielle Mittel vom Staat fließen, mithin also staatliche Aufgaben wahrnimmt, steht ebenfalls in dieser Pflicht. Konsequent gewichtete das Bundesgericht 2016 die Freiheit der Bewohner und Patienten in einer von der Heilsarmee betriebenen, staatlich subventionierten Einrichtung höher, den Zeitpunkt und die Form ihres Lebensendes selbst zu wählen, als die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Trägerin der Institution.
Ungleichbehandlung beseitigen
Durch den damaligen Stadtarzt Albert Wettstein wurde bereits 2002 eingeführt, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Stadtzürcher Alters- und Pflegeheimen in ihren dortigen vier Wänden Suizidhilfe in Anspruch nehmen können. In den Kantonen Neuenburg, Waadt und Genf wurde dies durch Gesetzgebung ermöglicht. Am 23. Mai 2022 hat auch der Zürcher Kantonsrat in einer ersten Abstimmung entschieden, dass künftig Heime im Kanton Zürich ermöglichen müssen, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner Suizidhilfe dort in Anspruch nehmen können. Damit wird konsequent eine Gleichbehandlung aller Kantonseinwohner angestrebt.
Echte Wahlfreiheit
Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, in Gesundheitseinrichtungen alle legalen Formen von Unterstützung in Anspruch nehmen zu können, um nach dem eigenen Verständnis von Moral und Würde vom Diesseits ins Jenseits reisen zu können; sei es durch den natürlichen Lauf der Dinge, die Palliative Care, durch Sterbebegleitung oder durch einen assistierten Suizid. Wer in ein Alters- und Pflegeheim eintritt, soll sich keine Gedanken darüber machen müssen, welcher Form von Unterstützung er oder sie dereinst den Vorzug geben möchte. Somit ist auch die Idee abzulehnen, eine Deklarationspflicht für jene Einrichtungen einzuführen, die Suizidhilfe nicht zulassen möchten, obwohl sie staatlich mitfinanziert sind.
Belastung entlasten
Gelegentlich wird von Gegnern der Suizidhilfe in Gesundheitseinrichtungen behauptet, eine solche wäre eine Belastung für das Personal dieser Einrichtung und deshalb müssten die Bewohner das Haus dafür verlassen. Dies ist ein weiterer Irrtum, verhält es sich doch umgekehrt: Wie eine leitende Ärztin und Palliativmedizinerin an einem Podiumsgespräch des Institut Neumünsters unlängst aufzeigte, liegt die emotionale Belastung für das Pflegepersonal gerade darin, wenn sich eine Patientin aus deren Fürsorge entfernen muss.
Die Meinung der Öffentlichkeit
Die Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz ist der Meinung, Alters- und Pflegeheime, deren Betrieb mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird, müssten in ihren Einrichtungen Suizidhilfe durch eine Suizidhilfeorganisation zulassen. Dies belegen Umfragen. Auf den Punkt bringt es eine Bewohnerin des Stadtzürcher Alterszentrums Sydefädeli: "Ich möchte nicht die Dienste einer Suizidhilfeorganisation annehmen. Ich bin aber grundsätzlich dafür, dass man das darf, vor allem in einem Heim wie hier. Ich finde es merkwürdig, dass das immer noch unter dem Deckel gehalten wird. Das sollte doch selbstverständlich sein!"