An Karfreitag veranstaltete das säkulare Spektrum Vorträge, Tanz und Konzerte, um gegen die staatlich verordnete Stille zu protestieren (eine Übersicht findet sich hier). Auch in Stuttgart wurde geifeiert, im "LKA Longhorn". Der SWR berichtete darüber (siehe Video am Ende des Artikels). In dem Beitrag kam auch der katholische Stadtdekan von Stuttgart Christian Hermes zu Wort. Seine Aussagen will die Stuttgarter Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung so nicht stehen lassen und antwortet ihm in einem Offenen Brief, den der hpd hier im Wortlaut veröffentlicht.
Sehr geehrter Herr Stadtdekan Hermes,
im SWR-Interview sagten Sie den "Party-People", dass sie frei hätten, weil die Christen Karfreitag feiern, was so klingt, als hätten wir den Christen den Feiertag zu verdanken. Tatsächlich haben wir frei, weil Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag ist. Über gesetzliche Feiertage entscheidet der Gesetzgeber, nicht die Christenheit oder die katholische Kirche. Im Grundgesetz ist festgelegt, dass der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als "Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung" gesetzlich geschützt sind. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 zur ersten "Heidenspaß statt Höllenqual"-Party wissen wir auch, dass der Staat niemandem vorschreiben darf, was er zum Erlangen seiner seelischen Erhebung zu tun oder lassen hat – nicht einmal an Feiertagen, die historisch aufgrund ihrer Bedeutung für eine christliche Bevölkerung zu gesetzlichen Feiertagen wurden.
Wir hätten daher nicht im Traum erwartet, dass unsere weltanschauliche Karfreitags-Tanzveranstaltung Sie dazu bewegen könnte öffentlich über die Konsequenzen einer Abschaffung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag nachzudenken.
Tatsächlich wäre die Streichung einer ganzen Reihe von kirchlichen Feiertagen aus der Liste der gesetzlichen Feiertage ein großer Schritt, um die fortschreitende Säkularisierung und die weltanschauliche Vielfalt der Gesellschaft zu respektieren. Angst, dass dabei die Gesamtzahl der Feiertage abnimmt, müssten Sie nicht haben, denn wie das Bundesverfassungsgericht schon 2004 geurteilt und 2016 nochmals bestätigt hat, "ist ein unantastbarer Kernbestand an Feiertagen zu bewahren".
Mögliche säkulare Anlässe für gesetzliche Feiertage gäbe es genug, beispielsweise den Weltfrauentag, den Tag der Menschenrechte oder den Evolutionstag. Da, wie Sie sicher wissen, Ostern und Weihnachten sowieso ursprünglich heidnische Feste waren, könnten an diesen Tagen auch die ursprünglichen Feste "Frühlingsanfang" und "Wintersonnwende" gefeiert werden.
Bei Ihrer Sorge um ungestörte Gottesdienste an Feiertagen möchten wir Ihnen ebenso beipflichten wie bei Ihrem Anliegen, dass alle Weltanschauungen gleichermaßen respektiert werden müssen. Gleichzeitig freuen wir uns, dass Sie – wie wir – nicht für ein Tanzverbot oder für landesweite Stille an religiösen Feiertagen plädieren. Da wir in diesen wichtigen Punkten einer Meinung sind könnten wir uns vorstellen, dass sie evtl. ein Mitstreiter dafür wären, das weder verfassungs- noch zeitgemäße Feiertagsgesetz von Baden-Württemberg zu ändern.
Man könnte Feiertage beispielsweise auch säkularisieren und personalisieren. Jeder könnte ein Kontingent an Urlaubstagen zur Feier der wichtigen Feste seiner jeweiligen Weltanschauung bekommen. Die dazu gehörenden Kulturveranstaltungen könnten dann, während sie stattfinden, beispielsweise durch eine Ruhezone von 500 Meter Radius geschützt werden.
Für die die momentan knapp 50 Prozent der Bevölkerung, die der katholischen oder evangelischen Kirche angehören, wären Karfreitag und Ostermontag dann auch ohne staatlichen Nachdruck weiterhin Festtage. Gleichzeitig wären aber nicht mehr wie bisher ausschließlich christliche Feiertage im Feiertagsgesetz mit Schutzvorschriften für ihre Veranstaltungen geschützt, sondern auch die höchsten Feiertage der Juden (Jom Kippur – Versöhnungstag), Muslime (Eid al Adha – das Opferfest), Buddhisten (Visakha Puja – Buddhas Geburtstag) und Konfessionsfreien (Welthumanistentag/Sommersonnwende am 21. Juni oder Weltatheistentag am 23. März).
Falls sich eine solche flexible Lösung nicht umsetzen lassen sollte, könnte man natürlich alternativ auch gesetzliche Feiertage entsprechend der weltanschaulichen Zusammensetzung der Bevölkerung einführen – wobei man auch der Bedeutung der einzelnen Feste Rechnung tragen müsste.
Wenn Sie Recht mit Ihrer Einschätzung haben und unsere Aktivitäten langfristig zu einer solchen Entwicklung beitragen, dann sind uns Ihre Worte Ansporn auf dem von uns eingeschlagenen Weg weiterzumachen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Klaus Wich (1. Vorsitzender)
Dr. Ingmar Schwarz (Pressesprecher)