Oldenburg

"Der verkürzte Weg": Ein gelungenes Bühnenstück zum Thema Sterbehilfe

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Szenenfoto: Frau Klaasen (Dagmar Eitelberg) im Gespräch mit einer Pflegerin in Umschulung (Anne Höltermann)
Szenenbild "Der verkürzte Weg"

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Szenenfoto: Pflegerin Sonja (Renate Papesch) im Gespräch mit dem Kollegen Hans (Heiner Werner)
Szenenbild "Der verkürzte Weg"

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Regisseurin Myra Schulte in der Diskussion
Diskussion nach dem Theaterstück

Die Seniorentheatergruppe "Restrisiko" des Theaterpädagogischen Zentrums der Emsländischen Landschaft (TPZ Lingen) zog mit ihrem Bühnenstück "Der verkürzte Weg" Anfang Juni in der Mensa der Oberschule Ofenerdiek/Oldenburg die Zuschauer in ihren Bann. Das von den Schauspielern selbst entwickelte Stück bot den Zuschauern eine hervorragende Möglichkeit, sich aus mehreren Perspektiven mit dem Thema Sterbehilfe auseinander zu setzen. Eingeladen hatten der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg und der Förderverein Bürgerhaus Ofenerdiek.

Unter der Leitung von Myra Schulte schilderte das Stück eindrucksvoll die Konflikte, die entstehen können, wenn ein Bewohner in einem Seniorenwohnheim einen Pfleger vom Entschluss, selbstbestimmt sterben zu wollen, in Kenntnis setzt. Da ist Sonja (gespielt von Renate Papesch), die von einer Bewohnerin mit der Bitte konfrontiert wird, ihr die Hand zu halten, wenn sie geht. Sonja ist daraufhin voller Fragen: Hat sie etwas falsch gemacht? Etwas übersehen? Frau Klaasen war doch immer so eine lebensbejahende Person?

Frau Klaasen (gespielt von Dagmar Eitelberg) hat große Schmerzen, kann sich nicht mehr selbst versorgen, ihre Zukunftsaussichten sind sehr düster. Ein Leben voller Schmerzen und in Abhängigkeit will sie nicht weiter ertragen, sie will so selbstbestimmt, wie sie gelebt hat, auch aus dem Leben gehen.

Da ist Hans (dargestellt von Heiner Werner), der Sonja in ihrem Konflikt verstehen kann, aber der Meinung ist, dass das selbstbestimmte Sterben durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 ein Grundrecht geworden ist.

Margarethe (gespielt von Maria Helmkamp) ist bei ihrer Arbeit mit der gleichen Frage konfrontiert wie Sonja. Auch ihre Verzweiflung darüber und die ablehnende Haltung wird deutlich. Auch aus christlichen Gründen kann und will sie diese Hilfe nicht geben.

Hans und Sonja treffen sich. Durch den Bericht von Hans über Margarethes Problem und ihre Entscheidung wird Sonja deutlich, dass sie sich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet hat, Frau Klaasen bei ihrem Abschied zu helfen. Sie überlegt, dass es ja auch gut und schön sein kann nach so langer Zeit und den vielen schönen gemeinsamen Erinnerungen, ihr diesen letzten sehr persönlichen Wunsch zu erfüllen. Mit der Frage, wo sie denn Hilfe bekommen würde, endete die Aufführung.

Hohes Mitteilungsbedürfnis der Zuschauer

Die anschließende Diskussion der gut fünfzig Personen wurde sehr angeregt und sehr persönlich. Das Mitteilungsbedürfnis der Gäste war ausgesprochen hoch. Es wurde über viele persönliche Erlebnisse, auch über dramatisch verlaufene letzte Tage und Stunden von und mit sterbenden Angehörigen berichtet. Die Bandbreite der Erfahrungen ging weit auseinander, von einer hervorragenden Betreuung eines Sterbenden bis zu einer Verweigerung von Hilfe, die auch die Angehörigen an ihre Grenzen brachte.  

Der mit der Theatergruppe angereiste Mediziner Dr. Walter Höltermann brachte dankenswerterweise sein Fachwissen in die Diskussion ein, ihm wurden viele Fragen gestellt. Wie im Vorfeld geplant, beteiligten sich auch die Aktiven der Theatergruppe an der regen Diskussion.

Die Menschen wollen Selbstbestimmung

Nach einem selbstbestimmten Leben wollen die meisten Bundesbürger auch ein selbstbestimmtes Ende, das haben Umfragen in der Vergangenheit ergeben. Dieses Meinungsbild wurde auch während der Veranstaltung bestätigt: die Mehrheit der Anwesenden sprach sich gegen eine Neuauflage des Paragrafen 217 StGB aus.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 Paragraf 217 StGB gekippt und damit das Recht eines jeden Bürgers, über sein Leben und Sterben selbstbestimmt entscheiden zu dürfen, als Grundrecht definiert. Das oberste deutsche Gericht hat somit der Gesetzgebung in seinem Urteil sehr genaue Grenzen aufgezeigt.

Noch vor der Sommerpause dieses Jahres soll es im Bundestag eine neue Entscheidung zur Sterbehilfe geben. Inzwischen sind die Gesetzesentwürfe um Katrin Helling-Plahr und Renate Künast zu einem Entwurf zusammengefasst worden.

Der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg hofft auf eine weise Entscheidung; aus seiner Sicht braucht es kein neues Gesetz zur Sterbehilfe – der Gesetzgeber täte gut daran, den Willen der Bürger nicht weiter zu ignorieren.

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