Cradle to Cradle

"Die Transformation hin zu einer klima- und ressourcenpositiven Gesellschaft ist möglich"

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Konzertgelände auf dem Tempelhofer Feld
Konzertgelände auf dem Tempelhofer Feld

Mit rund 150 Teilnehmenden beim C2C Summit: Labor Tempelhof und 180.000 Besuchenden von drei Konzerten der Band Die Ärzte am 23., 24. und 25. August 2024 ist das Leuchtturmprojekt für am Kreislaufprinzip "Cradle to Cradle" orientiere Großkonzerte in die zweite Runde gestartet.

"Wir brauchen Projekte, die Mut machen und die zeigen, was möglich ist. Das tut unserem Land gut. Für die Politik ist das Labor Tempelhof hilfreich. Um voranzukommen, muss man sich trauen, Spielräume zu nutzen. Das Labor Tempelhof zeigt, was diese Spielräume sein können. Wo das Projekt an Hürden stößt, wird sichtbar, wo Politik die Rahmenbedingungen verbessern kann", sagte Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, in seiner Keynote zu Beginn des Summits am 23. August 2024 im Besucherzentrum des Flughafens.

"Mit den Konzerten des Labor Tempelhof zeigen wir 2024 erneut, was mit Cradle to Cradle schon möglich ist. Der C2C Summit als Auftakt hat verdeutlicht, dass wir seit Start des Projekts auch die Kultur- und Veranstaltungsbranche für das Thema begeistern konnten", so Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen, geschäftsführender Vorstand der Cradle to Cradle NGO. "Im Vergleich zu 2022 haben wir 2024 viele C2C-Innovationen erweitert, skaliert und ergänzt. Darüber haben wir uns ebenso gefreut wie über das umfassende und interaktive Bildungs- und Informationskonzept zu Cradle to Cradle und Circular Economy auf dem Gelände. Unser Ziel bleibt es, mit dem Projekt auch ein Signal an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu senden: Die Transformation hin zu einer klima- und ressourcenpositiven Gesellschaft ist möglich und C2C ist der richtige Ansatz dafür."

"Endlich können wir das Labor Tempelhof fortführen. Wir freuen uns, das Projekt auf das nächste Level zu heben und zahlreiche neue Lösungen auf dem Weg zu klima- und ressourcenpositiven Veranstaltungen umzusetzen", so Tabea Kaplan und Marcel Tietze, Geschäftsführung von Loft Concerts. "Wir sind dankbar für den Support und die vielen neuen Kooperationen, die uns in unserem Tun bestätigen und zugleich antreiben. Für uns bleibt klar: Unsere Branche muss sich wandeln und das schaffen wir nur zusammen. Wir müssen gemeinsam ins Handeln kommen, um zukunftsfähige Lösungen zu etablieren, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch und sozial nachhaltig sind."

C2C Summit: Labor Tempelhof, Foto: © Paul Gärtner
C2C Summit: Labor Tempelhof, Foto: © Paul Gärtner

Mit dem Labor Tempelhof zeigen die Initiatoren Cradle to Cradle NGO, Loft Concerts, KKT – Kikis Kleiner Tourneeservice und Side by Side Eventsupport, wie und warum Großkonzerte dazu beitragen können, die Welt zu einem lebenswerten Ort zu machen. Ohne Müllberge, ohne giftige Chemikalien in Produkten und ohne Klimakatastrophe. Das Projekt ist 2022 gestartet und wurde vom 23. bis 25. August 2024 mit drei Großkonzerten der Band "Die Ärzte" mit jeweils rund 60.000 Zuschauenden am Flughafen Tempelhof fortgesetzt. Bei Planung, Umsetzung und Produktion wurden möglichst viele klima- und ressourcenpositive Produkte, Prozesse und Innovationen umgesetzt und getestet. Eingerahmt wurden die Konzerte von einem Informationskonzept über Cradle to Cradle, Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeit.

Insgesamt konnten 35 Maßnahmen umgesetzt werden. Darunter einige, die aus 2022 unverändert weitergeführt wurden, wie die Nutzung von 100 Prozent Ökostrom auf dem Konzertgelände sowie Maßnahmen, die deutlich skaliert werden konnten. So war das Speisenangebot auf dem Konzertgelände in diesem Jahr zu 100 Prozent vegan-vegetarisch (gegenüber zuvor 60 %) und die Anzahl an Trenntoiletten, aus denen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff zurückgewonnen und zu Flüssigdünger sowie Humus verarbeitet werden, stieg von damals 150 auf 255. Zu den Neuerungen 2024 gehören eine Mobilitätsumfrage, um die Datenbasis für die Weiterentwicklung des Mobilitätskonzeptes zu verbessern, sowie die Umsetzung eines ganzheitlichen Mehrweg-Systems, das zusätzlich zu Bechern erstmals auch Geschirr und Besteck umfasste. Eine ausführliche Beschreibung aller Maßnahmen und der jeweiligen Umsetzungspartner ist auf der Projektwebseite zu finden.

Auch soziale Aspekte wurden 2024 wieder beachtet, unter anderem durch Sozialtickets zu vergünstigten Preisen. "Die Entwicklung der Ticketpreise bei Großkonzerten ist absurd. Ich möchte jedenfalls keine Konzerte nur für Reiche organisieren. Auch die 83 Euro, die wir bei diesen drei Konzerten hier nehmen kann sich nicht jede*r leisten. Bei der Band habe ich mit der Idee, ein günstigeres Sozialticket anzubieten, offene Türen eingerannt. Wer einen Berechtigungsschein des Landes Berlin besitzt, erhielt die Tickets für 19,90 Euro. Zwei Prozent der Tickets für die drei Konzerttage wurden als Sozialtickets verkauft", erläuterte Kiki Ressler, Geschäftsführer von KKT, den Hintergrund der Sozialtickets.

Mit dem Flughafen Tempelhof findet das Laborprojekt erneut an einer der zentralsten und größten Veranstaltungslocations Berlins statt. Perspektivisch sollen die Projektergebnisse dort zur Grundlage für zirkuläre und nachhaltige Veranstaltungsleitlinien werden. "Umweltschutz und Nachhaltigkeit schreiben wir auch bei der Tempelhof Projekt GmbH groß", sagte Geschäftsführer Fabian Schmitz-Grethlein. "Dies findet nicht nur Berücksichtigung in unseren Baumaßnahmen und unserem Ziel, das gesamte Gebäude klimaneutral zu sanieren, sondern auch, wenn es darum geht, Großveranstaltungen bei uns am Flughafen umzusetzen. Diese so kreislauffähig und ressourcenpositiv wie möglich zu gestalten, ist uns Anliegen und Auftrag gleichermaßen. Dafür arbeiten wir daran, die nötige Infrastruktur, vor allem in Hinblick auf Mobilität und Energie, bereitzustellen. So liefert beispielsweise unser Feststrom für Veranstaltungen bereits 100 Prozent Ökostrom. Die Unterstützung des Labor Tempelhof ist für uns eine Selbstverständlichkeit, da auch wir hier wertvolle Erkenntnisse über Produkte, Prozesse und Maßnahmen für uns ableiten können. Das hilft uns auch bei allen anderen Aktivitäten hier vor Ort."

Nach der Vorstellung der erweiterten und neuen Cases mit anschließender Diskussion durch Tabea Kaplan, Michael Kellner, Kiki Ressler und Fabian Schmitz-Grethlein, moderiert durch Isabel Gomez aus der Geschäftsleitung von Cradle to Cradle NGO, befasste sich das Folgepanel mit anderen Festivals und Veranstaltenden, die sich ebenfalls auf den Weg in Richtung Zirkularität gemacht haben.

Moderiert von Jule Kauert, Projektleitung für das Labor Tempelhof bei Loft Concerts, berichteten Michael Fuchs (Sustainability Manager beim Berlin Marathon-Veranstalter SCC Events), Katharina Weber (Projektmanagerin bei Yourope – The European Festival Association) und Katja Mailahn (Geschäftsführerin der Mainzplus Citymarketing GmbH) von Herausforderungen und Chancen bei ihren Projekten. Bei einem Marathon spiele das Thema Kreislaufwirtschaft eine große Rolle, da große Mengen Material im Umlauf sei, sagte Michael Fuchs. Katharina Weber verwies auf eine eigene Umfrage, bei der mehr als 80 Prozent der befragten Veranstalter angegeben hatten, sich eine klimaneutrale Veranstaltung zum Ziel gesetzt zu haben, rund die Hälfte davon möchte dies bis spätestens 2030 erreichen. In diese Richtung entwickle sich auch das Veranstaltungsangebot von Mainzplus Citymarketing, sagte Katja Mailahn. Bei der Sommerkonzertreihe, die das Mainzer Kommunalunternehmen umsetzt, habe man sich konkret das Labor Tempelhof zum Vorbild genommen.

Nach einer Führung über das Konzertgelände mit Stationen bei einigen der umgesetzten Maßnahmen sprachen Loft-Concerts-Geschäftsführer Marcel Tietze und Pascal C. Thirion, Bereichsleiter Vermietung Tempelhof Projekt, über den Flughafen als Veranstaltungslocation und den Spagat zwischen Denkmalschutz und Anpassungen der Infrastruktur. Eine direkte Versorgung mit Solarenergie oder die Sammlung und Nutzung von Regenwasser vom Dach sind bisher aufgrund des Denkmalstatus nicht möglich.

C2C-Summit
C2C Summit: Labor Tempelhof, Foto: © C2C-NGO

Im folgenden Panel gingen Josephine Kreische (Managing Director, Vytal Global), Caroline Kraas (Manager Packaging and Litter Reduction, WWF Deutschland), Sandra Tomašević (Project Lead Circular Futures, Project Together), Karen Matthiesen (Projektentwicklung und Nachhaltigkeit, Gastro Team Bremen) und Amrei Karsch (Projektleitung Beneficial Events Loft Concerts) auf das vor Ort umgesetzte Mehrweg-Konzept ein. Es wurde deutlich, wie sehr ein solches System bei komplexen Großveranstaltungen auf einer guten Zusammenarbeit basiert. Das Labor Tempelhof wurde von den Initiatoren in Kooperation mit der Allianz mehrweg.einfach.machen (initiiert von WWF, Project Together und dem Mehrwegverband) auch als Möglichkeit genutzt, gemeinsam mit der Kühne Logistics University Daten zum Nutzungsverhalten und zur Akzeptanz des Mehrwegsystems auf dem Konzertgelände zu erfassen. Die Daten werden nach den Konzerten ausgewertet und veröffentlicht. Die Studie soll, wie auch die Umsetzung im Labor Tempelhof, dazu beitragen, Mehrwegsysteme bei Großveranstaltungen zum neuen Normal zu machen.

Zum Abschluss des Tages stellten Daniel Anthes (Gründer und Geschäftsführer, Knärzje Bier) und Florian Augustin (Geschäftsführer, Finizio – Future Sanitation) vor, inwiefern auch Lebensmittelreste sowie in Kot und Urin enthaltene Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff im Sinn einer C2C-Kreislaufwirtschaft als Rohstoffe genutzt werden können.

Daniel Anthes zeigte, wie stark Lebensmittelverschwendung zur Freisetzung von Treibhausgasen beiträgt. Knärzje rettet altes Bio-Brot vor der Mülltonne und fügt es dem Brauprozess bei. Damit wird nicht nur Lebensmittelverschwendung vorgebeugt, sondern auch Anbaufläche freigesetzt. Der Ansatz von Finizio zeigt wiederum, wie die Kreislaufführung von Nährstoffen aus menschlichen Ausscheidungen funktionieren kann: Die Herstellung von Flüssigdünger und Humus aus den Inhalten von Trockentoiletten kann nicht nur die Abhängigkeit von Phosporimporten senken, sondern auch einen Beitrag zu einer regenerativen Landwirtschaft leisten. Noch verhindert die aktuelle Gesetzeslage die Ausbringung von Dünger aus menschlichen Fäkalien. Um dies zu ändern, wertet Finizio im Rahmen des Forschungsprojekts "ZirkulierBar" die Erkenntnisse aus Feldversuchen in Eberswalde aus, die Florian Augustin zufolge bisher sehr positiv sind.

Wie bereits 2022 werden auch 2024 die Umweltauswirkungen der umgesetzten Maßnahmen erfasst und ausgewertet. Sie fließen dann in das digitale Guidebook zum Labor Tempelhof für die Veranstaltungsbranche ein.

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