Mythen und Glaubenssätze mit wissenschaftlichen Fakten abzugleichen, das tun Skeptiker seit jeher auf der Jahreskonferenz "SkepKon". Diesmal ist ein weiteres Element hinzugekommen: Den Dialog auf die Bühne zu holen, Vertreter unterschiedlicher Wertvorstellungen an einem Tisch zusammenzubringen und in kontroversen Debatten wertschätzend zu diskutieren. Zudem zeigte sich die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) mit einem erweiterten Themenspektrum, das neben Althergebrachtem wie alternativen Heilmethoden oder Prä-Astronautik auch aktuelle gesellschaftliche Debatten umfasst. Die Veranstaltung fand vom 29. bis 31. Mai im Regensburger Marinaforum statt.
Die Diskursöffnung, initiiert vom 2024 gewählten neuen Vorstand unter Leitung des Vorsitzenden André Sebastiani, trifft offenbar auf ein Bedürfnis in der Gesellschaft: Mit 320 Teilnehmern war die diesjährige SkepKon die bestbesuchte skeptische Veranstaltung, die es je im deutschsprachigen Raum gegeben hat. Auch das Programm setzte mit seinem vielfältigen Angebot neue Maßstäbe, versammelte es doch mehr als dreimal so viele Referentinnen und Referenten wie in den Vorjahren, die teils parallel in verschiedenen Räumen auftraten oder im Stream zugeschaltet waren. Als weiteres Novum gab es Diskussionspanels und Workshops – unter anderem mit der Initiative Sokratischer Weg für bessere Debattenkultur und der skeptischen Aktivistin Susan Gerbic aus den USA. "Im Gegensatz zu vergangenen SkepKons haben wir uns diesmal bewusst in Kontroversen eingemischt und kritisches Denken auch dort angewandt, wo noch kein Standpunkt als gesichert gelten kann", sagt Dr. Nikil Mukerji, Wissenschaftlicher Leiter der GWUP. Darüber hinaus konnten YouTuber und Podcaster gleich vor Ort Content produzieren. Auch "The Boys of Reason" stellten sich in einem Panel vor – das gemeinsame YouTube-Projekt von Mukerji, dem Content Creator Sinan Kurtulus und dem Buchautor Matthias Narr ("BiasedSkeptic"). Wer Lust hatte, sich selbst für die GWUP zu engagieren, fand in einem eigenen Programmpunkt Anregungen, sich individuell einzubringen.
Ziel der GWUP ist, kritisches Denken tief in der Gesellschaft zu verankern und für alle zugänglich zu machen, ergänzte die SkepKon-Organisatorin Stefanie Weig, die auch im GWUP-Vorstand aktiv ist:
"Deshalb fördern wir gezielt skeptische Content Creators – vor allem YouTuber und Podcaster. Wir vernetzen sie und unterstützen sie bei der Produktion hochwertiger Inhalte. Auf der SkepKon 2025 haben wir das erstmals konkret umgesetzt: mit einem eigens eingerichteten YouTube-Studio, in dem unsere Creators vor Ort spannende Interviews mit den Referenten führten. So erreichen wir mehr Menschen und gewinnen sie für die skeptische Mission."
Tag 1
Bereits der erste Veranstaltungstag, Donnerstag, 29. Mai, vermittelte einen Eindruck vom erweiterten Themenspektrum der GWUP, das auch politische und gesellschaftliche Fragen umfasst: In Medienberichten über die Präsidentschaft Donald Trumps werde vieles skandalisiert und als "Wahnsinn" pathologisiert, wie Prof. Claudia Franziska Brühwiler von der Universität St. Gallen (Schweiz) zeigte. Bei einer sachlichen und faktenorientierten Einordnung biete sich jedoch ein anderes Bild. Gewiss, Brühwiler sparte nicht mit Kritik an Trump, den sie als "unpräsidial" bezeichnete. Jedoch sieht sie ihn nicht als Ideologen, vielmehr als einen Instinktpolitiker, der transaktional handelt und Knalleffekte liebt. Dabei folge er einer konservativen Logik, die der Wertehaltung von breiten – mehrheitlich weißen, christlichen – Wählergruppen entspricht. Brüwilers Fazit: "In Amerika mögen die Dinge verrückt aussehen, sie sind es aber nicht – jedenfalls im klinischen Sinne."
Weiter ging es mit einer Reihe von klassischen Themen, wie sie schon länger von Skeptikern betrachtet werden. So präsentierte der Blogger und hpd-Autor Michael Scholz einen Abriss über die NS-Pseudomedizin und ihre langfristigen Folgen. Im gemeinsam mit dem Mediziner Prof. Dr. Edzard Ernst erarbeiteten Vortrag kamen unter anderem die Ideologisierung der Medizin und die Förderung von Alternativmedizin unter der Naziherrschaft zur Sprache.
Auch der Psychologe Prof. Dr. Christoph Bördlein knüpfte mit seinem Vortrag über den Barnum-Effekt an bisherige GWUP-Arbeiten an. Barnum-Texte sind so allgemein und positiv formuliert, dass viele verschiedene Menschen sie speziell auf sich selbst beziehen. Sie werden oft von Hellsehern und Wahrsagern verwendet. Wie Bördlein zeigte, fallen wir alle leicht auf den Barnum-Effekt herein, unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft. Die frühere Vermutung, Frauen wären anfälliger, bestätigte sich dabei nicht.
Auch Prof. Mag. Dr. Erich Eder von der Universität Wien befasst sich bereits seit Langem mit skeptischen Fragen. Von Hause aus Zoologe und Mitbegründer der österreichischen Gesellschaft für Kritisches Denken, führte er jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen mit der Firma Grander. Diese vertreibt Geräte zur esoterischen "Wasserenergetisierung" sowie "energetisiertes" Wasser in Flaschen. Durch die aufreibenden Rechtsstreitigkeiten mit Grander habe er viel gelernt, so Eder: Vor allem, wie wichtig die Unterstützung durch andere Menschen ist.
Schier Unglaubliches sollen sogenannte Mantrailer-Hunde bei der Aufklärung von Verbrechen vollbringen. Laut einer Studie im Fachblatt Forensic Science International seien die Tiere sogar in der Lage, menschliche DNA zu erschnüffeln. Die Sensationsmeldung wurde von Publikumsmedien begeistert aufgegriffen, dennoch fürchtet der Forensische Molekularbiologe Prof. Dr. Cornelius Courts nicht um seine Stelle. Wie unplausibel die Behauptung, wie fehlerhaft die Studie ist, zeigte er in seinem prägnanten Vortrag. Das Alarmierende: Alle Schwächen und Fehler der Arbeit wurden bei der fachlichen Qualitätssicherung im Peer-Review-Verfahren offenbar übersehen. Hätten Gerichte die untaugliche Methode als Beweismittel anerkannt, wären womöglich Unschuldige verurteilt und Täter freigesprochen worden. Immerhin hat das Fachjournal inzwischen eine "expression of concern" veröffentlicht, um Probleme in der Veröffentlichung kenntlich zu machen.
Auch in anderer Hinsicht hatte Cornelius Courts Subtanzielles beizutragen, nämlich in der Podiumsdiskussion zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages – ein Experiment, das in dieser Form Premiere auf einer SkepKon hatte. "Dialog oder Distanz?", lautete der Titel, unter dem sich skeptische Akteure der Frage widmeten, mit wem Skeptiker den Dialog suchen sollten – und mit wem besser nicht. Moderiert von Nikil Mukerji, diskutierte Courts mit Varnan Chandreswaran (Psychologe und YouTuber), Janos Hegedüs (Arzt und YouTuber), Dr. Theodor Lammich (Jurist und Gründer des "Netzwerks Hochschuldialog") sowie Claudia Franziska Brühwiler.
Ausgangspunkt war der Auftritt Chandreswarans in einem YouTube-Format von Jasmin Kosubek, wo auch Verschwörungstheoretiker auftreten. Er hatte dort zum Thema "Wokeness" gesprochen – für manche ein legitimer Ansatz, um neue Zielgruppen zu erreichen. Andere sehen darin die Gefahr, ein problematisches Format aufzuwerten. So etwa Hegedüs: Zwar erreiche man neue Menschen, zum Umdenken bringe man sie aber kaum. Zudem berge die Teilnahme von Skeptikern an fragwürdigen Formaten die Gefahr, diese zu legitimieren.
Brühwiler dagegen sprach sich für eine Abwägung von Aufwand und Nutzen aus. Einen differenzierten Blick empfahl auch Cornelius Courts und nannte als Entscheidungshilfe drei persönliche Filter: den "Radioaktivitätsfilter" (keine Gespräche mit Leuten, die völligen Unsinn verbreiten), den "Utilitarismusfilter" (Bringt es etwas?) und einen "Geiz-Neid-Eitelkeit-Filter", der persönliche Präferenzen berücksichtigt.
Und was sagt Chandreswaran selbst? Als Psychologe wolle er verstehen, warum Menschen bestimmte Dinge glauben. Zudem beobachte er die zunehmende Tendenz, Diskussionen nicht mehr inhaltlich, sondern auf Basis von Gruppenzugehörigkeiten zu führen: Aber: "Wenn wir Wissenschaft attraktiver machen wollen, müssen wir Vielseitigkeit aushalten." Ähnlich argumentierte auch Theodor Lammich. Er betonte die bedeutende Rolle einer Bereitschaft zum Dialog für die wissenschaftliche und demokratischen Kultur.
Tag 2
Der zweite Veranstaltungstag, Freitag, 30. Mai, begann ebenfalls mit einem neuen Thema im Repertoire der GWUP. Gleich die ersten drei Vorträge befassten sich mit der Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) für die skeptische Arbeit. Den Anfang machte Axel Ebert, Psychologe, Kommunikationsberater, Trainer und Buchautor. In seinem Vortrag ging Ebert der Frage nach, ob sich KI-Chatbots für die skeptische Recherche nutzen lassen. Seine Empfehlung: Besser nur als Ausgangspunkt der Recherche nutzen, nicht als Endpunkt!
Ein weiterer Programmpunkt widmete sich der Gefahr von KI-generierten Deepfakes im Dienste der Desinformation. Doch wie kann man sie erkennen? Die eine universelle zuverlässige Prüfmethode gibt es nicht, so Johannes Zeller in seinem Vortrag. Der Journalist und KI-Berater empfiehlt deshalb einen Mix aus visuellen und technischen Methoden, um zu prüfen, ob eine Abbildung authentisch ist. Wichtigstes Instrument sei jedoch das kritische Denken. Das gelte auch für den Schutz vor KI-gestützten Scams – alten Betrugsmaschen, die mit neuen technischen Möglichkeiten noch besser funktionieren.
Wie man digitalen Betrug erkennt, erklärte anschließend der Informatiker und Podcaster Ali Hackalife. Die Gefahren lauern vielerorts: In Phishing-Mails und QR-Codes, gefälschten Briefen von der Bank, aber auch in ungesicherten WLAN-Netzwerken von Hotels. Zur Sprache kamen auch Erpressermails, die sich auf angebliche Mitschnitte der eigenen Webcam beziehen. Der Rechner wurde angeblich gehackt und Pornokonsum oder sexuelle Aktivitäten des Empfängers aufgezeichnet. Meist handle es sich jedoch um Fakes. Viel gefährlicher seien tatsächliche Datenleaks. Und: Nicht die Technik stelle das Problem dar, so der Referent: "Der Mensch ist die Schwachstelle".
Den vielfältigen Verknüpfungen von skeptischer Herangehensweise und Geschichtswissenschaft widmete sich der folgende Veranstaltungsblock. So griff der Archäologe und Blogger Leif Inselmann ein Thema aus der Prä-Astronautik auf, indem er vorführte, wie der Buchautor Zecharia Sitchin durch falsche Übersetzungen aus alten mesopotamischen Texten Berichte über außerirdische "Astronautengötter" herausliest. Anschließend führte die Technikhistorikerin Dr. Anna Veronika Wendland vor, wie sich das Handwerk der Geschichtswissenschaft in der skeptischen Arbeit anwenden lässt. Dies demonstrierte sie am nächsten Tag beispielhaft in einem zweiten Vortrag anhand einer skeptischen Betrachtung der Angstkommunikation im russisch-ukrainischen Krieg. Stets spielen Quellen und ihre kritische Einordnung eine entscheidende Rolle, betonten beide im anschließenden Panel, moderiert von der Historikerin Judith Faessler, stellvertretende Vorsitzende im GWUP-Vorstand.
Auch bei Entscheidungen über die private Geldanlage erweist sich das skeptische Denken als zielführend: Es gilt, kluge Entscheidungen zu treffen, statt der eigenen Intuition und dem Wunsch nach schnellem Gewinn zu folgen – gar nicht so einfach, wenn "Finfluencer" mit knalligen Headlines und emotionalen Storys die sozialen Medien fluten. Fachleute wie Dr. Gerd Kommer sprechen auch von "Finanzpornografie". Wie dagegen eine wissenschaftlich fundierte Anlagestrategie aussehen kann, skizzierte Kommer – Ökonom, Vermögensverwalter und Sachbuchautor – in seinem Vortrag. Dabei benannte er häufige Anlegerfehler und plädierte für einen wissenschaftsbasierten Investmentansatz.
In einem weiteren Vortrag widmete sich Prof. Dr. Ilse Jacobsen, Professorin für Mikrobielle Immunolgie in Jena, den gegenwärtigen hitzigen Debatten über den Geschlechtsbegriff.
Nach Claudia Franziska Brühwiler am Vortag warf auch ein weiterer Referent, Dr. Dr. Sebastian Schnelle, einen Blick auf die politische Szene der USA. Der promovierte Philosoph setzte sich insbesondere mit Schlüsselfiguren der amerikanischen Neoreaktion (NRx) auseinander, etwa mit dem Vordenker Curtis Yarvin, dem Finanzier Peter Thiel, dem US-Vizepräsidenten JD Vance und Elon Musk, Besitzer der Plattform X. Gemein sind ihnen die Ablehnung der liberalen Demokratie gegenüber technokratischen Regierungsformen und die Fähigkeit, Medienlandschaften zu beeinflussen. Wie weit das im Einzelnen geht, ist unklar, sagte Schnelle. So gebe es keine Belege, dass auf X gezielt rechter Content gepusht wird. Dennoch: Die Abwesenheit von Beweisen sei etwas anderes als ein Beweis von Abwesenheit.
Weitere Vorträge des Tages widmeten sich dem anthroposophischen Antisemitismus (Sozialwissenschaftler Jonas Hessenauer), der modernen Ernährungswissenschaft (Ökotrophologe Konstantin Linder), der Rolle von Wikipedia in der Wissenschaftskommunikation (Susan Gerbic) und der Angewandten Verhaltensanalyse. Zum Abschluss des Tages stand noch ein Highlight auf dem Programm: Via Livestream referierte der renommierte US-Skeptiker Michael Shermer über die Bedeutung von Wahrheit für das skeptische Denken.
Tag 3
Der Abschlusstag, Samstag, 31. Mai, startete mit einem weiteren hitzig diskutierten Thema: Prof. Gijsbert Stoet von der University of Essex, ebenfalls per Stream zugeschaltet, sprach über das "Paradox der Geschlechtergleichstellung": Gemeinhin wird angenommen, dass sich mit zunehmender Gleichstellung der Geschlechter Berufswahl und Interessen von Männern und Frauen annähern würden. Doch die Untersuchung von Stoet und seinem Kollegen David Geary kommt zum gegenteiligen Schluss. Gerade in Ländern mit hoher Geschlechtergleichheit unterscheiden sich die Berufsinteressen von Männern und Frauen erheblich. Als mögliche Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch zieht Stoet Forschungen heran, die auf biologische Faktoren hinweisen. Zudem sei es denkbar, dass Menschen eher dazu neigen, ihren wahren Interessen nachzugehen, wenn sie weniger durch wirtschaftliche Faktoren eingeschränkt sind.
Stoet übte auch Kritik an der gängigen Interpretation von Daten zur Geschlechtergleichheit, wie sie der "Gender Equality Report" des World Economic Forum jedes Jahr für Länder weltweit erfasst. Die Skala reicht von 0 (keine Gleichstellung) bis 1 (vollständige Gleichstellung), Deutschland erreicht einen Wert von 0,81, was Rang 7 entspricht. An der Spitze steht Island mit 0,94. Doch dieses Ranking spiegelt nicht unbedingt die Lebensrealität wider, so Stoet. So kann ein Land einen hohen Wert erzielen, wenn dort viele Frauen in der Politik vertreten sind – obgleich ein Großteil der Bevölkerung unter schwierigen Bedingungen lebt. So erklärt es sich auch, dass Nicaragua auf Platz 6 und Namibia auf Platz 8 liegen.
Zudem stellte der Report fest, dass in einigen Ländern weniger Mädchen als Jungen weiterführende Schulen besuchen. Manche sehen darin den Beleg für eine Benachteiligung von Mädchen im Bildungsbereich. Doch die genannten Zahlen weisen auf eine fehlerhafte Interpretation hin: So macht es stutzig, wenn angeblich 104 Prozent der Jungen, aber nur 98 Prozent der Mädchen auf eine weiterführende Schule gehen: Der Wert über 100 Prozent entsteht durch Wiederholer, die doppelt gezählt wurden. Das vermeintliche Ungleichgewicht deutet also eher auf Bildungsprobleme bei Jungen hin als auf eine Benachteiligung von Mädchen.
In einem weiteren Vortrag behandelte Dr.-Ing. Norbert Aust die mögliche Rolle der Kernenergie in der deutschen Energiewende. Zudem vermittelte der langjährige GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma einen Ausblick auf das, was wir heute über die wahrscheinliche Entwicklung der Weltbevölkerung sagen können. Er zeigte sich zuversichtlich, dass unser Planet dank fortschrittlicher Technologien auch eine Bevölkerung von bald zehn Milliarden Menschen ernähren kann. Als ein künftiges Problem nannte er die drohende Überalterung in einigen Ländern. Und er plädierte dafür, das kritische Denken schon früh bei Kindern zu fördern.
Dass Wissenschaftler mitunter auch zur Zielscheibe von Shitstorms werden, wurde in der letzten Paneldiskussion der Veranstaltung am Beispiel von Marie Luise Vollbrecht erörtert. Die Biologin erlangte 2022 bundesweit Bekanntheit, als ihr Vortrag über das biologische Geschlecht auf der "Langen Nacht der Wissenschaft" an der Humboldt-Universität Berlin nach Protesten abgesagt wurde. Statt den Dialog zu suchen, hätten Aktivisten ihr auf X fälschlich Transfeindlichkeit vorgeworfen, so Vollbrecht, die selbst am Panel teilnahm. Dennoch würde sie heute nur wenige ihrer Tweets anders formulieren, sagte sie rückblickend. Theodor Lammich, der nach dem Auftakt-Tag auch an diesem Panel teilnahm, wertet die "Causa Vollbrecht" als Musterfall. Das Geschehen zeige, wie wichtig es sei, aufzustehen und derartige Probleme anzusprechen. Häufig werde unterschätzt, wie breit das politische und weltanschauliche Spektrum der Menschen ist, die Cancel Culture kritisch sehen.
Welche Verwerfungen die Affäre außerdem auf Wikipedia auslöste, berichtete Ali Hackalife. Dort habe man ebenfalls versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Der Streit unter den Editoren entzündete sich an einem kontroversen Satz: Ali wollte diesen Satz als Meinung kennzeichnen – woraufhin er angegriffen wurde. Ein Beispiel, wie Cancel Culture Kreise zieht, auch über die ursprünglich betroffene Person hinaus.
Besonderes Potenzial für Anfeindungen bringen Debatten über Rassismus mit sich. Wie sich auch dieses Thema sachlich und skeptisch betrachten lässt, zeigte der Soziologe und Publizist Dr. Christian Zeller in seinem anschließenden Vortrag. Dabei ging er von der Frage aus, ob es Rassismus gegen Weiße gibt – und er näherte sich dem Thema mit dem Instrumentarium der Begriffsdefinition, wobei er definitive Aussagen zu institutionellen oder sozialstrukturellen Effekten außen vor ließ. Tatsächlich begegnet man häufig der Behauptung, Rassismus gegen Weiße gebe es gar nicht. Doch was ist hier überhaupt gemeint? Am Beispiel der Critical Whiteness Studies zeigte Zeller, wie der Begriff "Rassismus" selektiv so ausgelegt werde, dass "nur Weiße Rassisten sein können", während andererseits "Rassismus gegen Weiße" nicht existiere. Das gelinge, indem man Weiß nicht als Hautfarbe, sondern als soziale Position, nämlich die des Unterdrückers, definiert. Im Meinungskampf habe sich diese Strategie als erfolgreich erwiesen, doch sie schwächt die wissenschaftliche Aussagekraft der Sozialwissenschaften erheblich. Laut Zeller wirke sich das auch auf die Gesellschaft aus, denn verlässliche Erkenntnisse über Rassismus sind wünschenswert in einer Gesellschaft, die die rechtliche Gleichbehandlung aller Menschen zum Ziel hat.
Zum Abschluss der Veranstaltung führte der Philosoph und Buchautor Adriano Mannino aus, welche Kontroversen in den Bereich des skeptisch-wissenschaftlichen Denkens fallen. Als Kern skeptischer Arbeit identifizierte er die rationale Unterscheidung von Fakt und Mythos: Durch epistemische Rationalität lasse sich entscheiden, welche Belege welche Aussagen erhärten; Überzeugungen lassen sich so als (wahrscheinlich) wahr oder falsch identifizieren. Auf dieser Basis wäre es Mannino zufolge auch denkbar, wenn sich eine Skeptikergruppe ausschließlich der Kritik von Esoterikmessen widmet. Anders sieht es aus, wenn man bei der Auswahl von Themen praktische Prioritäten beachtet, und knappe Ressourcen, etwa bei den Aktiven, berücksichtigt. Ebenso sollten ethische Kriterien eine Rolle spielen, also bevorzugt solche Kontroversen angegangen werden, bei denen falsche Entscheidungen Risiken wie Leid, Tod oder den Verlust von Freiheitsrechten bergen. Schließlich sei auch zu beachten, bei welchem Thema der Grenznutzen zusätzlicher rationaler Kritik größer ist.
Bisher hätten sich Skeptikergruppen weltweit auf die epistemische Rationalität konzentriert, so Manninos Fazit. Sein Vortrag war auch ein Plädoyer dafür, das inhaltliche Spektrum der skeptischen Arbeit auszuweiten.
2 Kommentare
Kommentare
P.J. am Permanenter Link
Die im Artikel erwähnten YouTuber sind die Macher u.a. dieser Kanäle:
_ https://www.youtube.com/@varnan_nikil
_ https://www.youtube.com/@SinansWoche
_ https://www.youtube.com/@BiasedSkeptic
RPGNo1 am Permanenter Link
Viele Dank für die exzellente Zusammenfassung über den Ablauf der SkepKon 2025. Sie macht Lust auf die Videos, die bald veröffentlicht werden soll.