Eine feministische Zeitschrift vergibt einen Schmähpreis für Männer an eine Frau. Die im Stile eines geifernden Zickenkriegs daherkommende Begründung ist nicht nur peinlich, sondern verrät auch die eigenen Ideale.
Seit 2019 vergibt die Zeitschrift EMMA den Preis für den "sexistischsten lebenden Mann" (in Anlehnung an den "Sexiest Man Alive" des US-Magazins People). Bisherige Preisträger waren Kollegah, Christian Lindner, Papst Franziskus, Sascha Lobo und Jan Böhmermann. War die Auswahl schon in den vergangenen zwei Jahren (seit Beginn des Ukraine-Kriegs) immer weniger nachvollziehbar, so kommt sie jetzt daher wie ein peinlicher Zickenkrieg. Seit sich die verdiente Alt-Feministin Alice Schwarzer mit ihrem Magazin EMMA an die Seite Sahra Wagenknechts begab, geht es spürbar bergab. Was schade ist, denn es gibt in Deutschland noch genügend zu tun für den Feminismus. Stattdessen sah man sich berufen, sich für Friedensverhandlungen mit einem Kriegstreiber stark zu machen, für den Frieden dann ist, wenn er alles bekommt, was er will und der aus seinem Tun auch zunehmend keinen Hehl mehr macht. Da man sich aber offenbar nicht eingestehen kann, dass man sich hier möglicherweise verrannt hat, schlägt man lieber um sich, auch auf Kosten der eigenen Ideale. Da kann auch der vorgeschobene Sarkasmus nicht darüber hinwegtäuschen.
War nicht das Ablehnen vorgefertigter Frauenbilder einmal ein Kernanliegen des Feminismus? Ging es nicht einmal darum, dass Frauen alles tun und sein dürfen, was sie wollen, ohne dabei nach ihrem Geschlecht beurteilt zu werden? Wie kommt eine feministische Zeitschrift darauf, fragt man sich, eine Frau, die in ihrem Erscheinungsbild und ihrem Handeln nicht wie eine Barbie oder Hausfrau daherkommt, dafür zu verurteilen und sie als Mann zu betiteln? Das sollte ihr selbst überlassen bleiben und keine Rolle bei der Beurteilung ihrer Person spielen, gerade nicht durch eine feministische Zeitschrift.
Es ist vollkommen legitim und notwendig, Politiker für ihr Handeln zu kritisieren, wenn man findet, dass es falsch ist. Dafür muss man auch nicht einer Meinung sein. Ich teile die Haltung der EMMA zum Ukraine-Krieg nicht, aber natürlich darf sie Marie-Agnes Strack-Zimmermann für ihr politisches Vorgehen anprangern, das die Herausgeberin falsch findet. Doch dafür scheint man wenige inhaltliche Argumente zu haben, denn ein Großteil der Begründung für den Erhalt des Preises lässt sich ad hominem über das Auftreten der Politikerin aus, auch eine küchenpsychologische Einschätzung darf nicht fehlen. "(…) diese Frau beweist, dass Frau weder den Vornamen wechseln, noch Hormone schlucken, geschweige denn sich die Brüste abnehmen lassen muss, um ein ganzer Kerl zu sein", heißt es da etwa. Oder: "Die Helm-Frisur sitzt, das Feindbild auch. Mit Ray-Ban-Brille und hochgestelltem Kragen ist sie allzeit bereit zum Abheben: unsere 'Eurofighterin' (Wahlslogan FDP). Ganz wie ihr offensichtliches Vorbild Tom Cruise (als Kampfpilot 'Maverick' in 'Top Gun'). Der hatte es auch auf russische MiGs abgesehen. Im Cockpit hockt sie wie er."
Was das mit dem im Namen des Preises aufgeführten Sexismus zu tun hat, bleibt schleierhaft, wenn, dann wäre der Sexismus-Vorwurf an EMMA zu richten. Oder wirft das Magazin mit dieser Betitelung Strack-Zimmermann vor, sich quasi wie eine "Geschlechtsverräterin" zu verhalten, weil sie sich nicht "weiblich genug" gibt? Definiert EMMA, was weiblich ist? Liebäugelt man vielleicht mit konservativen Geschlechtervorstellungen, mit denen autoritär regierte Staaten des Ostens die Uhren zurückdrehen wollen? Anders kann ich mir diese würdelose Entgleisung nicht erklären.
9 Kommentare
Kommentare
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Das ist leider sehr wahr. Als Emma- Abonnentin war ich zumindest ratlos, als ich das las. Schade.
malte am Permanenter Link
Schon die "Auszeichnung" von Böhmermann war ziemlich schräg.
Gerhard Lein am Permanenter Link
Danke Gisa, auf den Punkt gebracht. Chapeau!
Verona am Permanenter Link
Ja, ich hatte mich schweren Herzens nach dem Bündnis von Alice mit Sahra Wagenknecht von meinem langjährigen EMMA-Abo getrennt. Es ist zum Weinen, dass diese wichtige Stimme (bzw.
G. Eschke am Permanenter Link
Da schließt sich die Emma, sprich Alice Schwarzer, wohl dem rechten Zeitgeist an! Frauen müssen sich moderat und ausgleichend verhalten, sie sollen den Männern zur Seite stehen und die Familie managen.
Clemens am Permanenter Link
"Frauenpower" heißt nicht "Krieg führen" – oder für Sie schon?
gita neumann am Permanenter Link
Liebe Gisa, angesichts deiner sehr erfreulich glasklaren Worte traue ich mich, deine Frage so zu beantworten: Ich würde jetzt innerlich durchaus den k.w. ("kann weg") Vermerk dahinter setzen ...
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
Vielen Dank Gisa Bodenstein! Alice Schwarzer/EMMA, die in der Vergangenheit viel Positives geleistet hat, ist irgendwann auf dem Weg falsch abgebogen - leider.
Tobias Seyb am Permanenter Link
Ich denke, das ist das Schicksal von allen ideologiegesteuerten Modellen - irgendwann, wenn sich die Welt immer noch nicht nach deren Vorstellungen geändert hat und immer mehr Voraussetzungen für die Ideologie wegfall
Der Feminismus in Deutschland kann schon lange weg. An seiner Stelle wäre ein Einsatz für Gerechtigkeit für alle sehr willkommen und sinnvoll.