Kontinuität rechtsextremistischer Gewalt

(hpd) Der Journalist Olaf Sundermeyer legt mit „Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt“ einen Reportageband zum Thema vor, welcher insbesondere der Darstellung bekannter und weniger bekannter Fälle der letzten Jahre über die NSU-Serienmorde hinaus große Aufmerksamkeit schenkt.

Die besondere Brutalität und Kaltblütigkeit der Serienmorde des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) stehen weiterhin im Fokus des öffentlichen Interesses. Immer noch sind einige Aspekte ihrer Taten ungeklärt und das von den Ermittlungsbehörden gezeichnete Bild weist einige Widersprüche auf. Die damit einhergehende Konzentration auf die neonazistische Klein-Zelle lenkt aber den Blick davon ab, dass es darüber hinaus mit geringerer Intensität durchaus noch andere Fälle rechtsextremistisch motivierter Gewalt gibt. Die von den Polizeibehörden präsentierten statistischen Daten gehen von um die zwei Fälle pro Tag aus. Insofern ist der „Terrorismus nur die höchste Eskalationsstufe rechtsextremer Gewalt“ (S. 8) wie der freie Journalist Olaf Sundermeyer in seinem Buch „Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt“ schreibt. Er will darin eine „Anatomie rechtsextremer Gewalt anhand beispielhafter Fälle ... aus nächster Nähe“ (S. 18) vornehmen. Dazu führte er sowohl mit Opfern wie mit Tätern ausführliche Gespräche.

Ausgangspunkt der Darstellung von Sundermeyer ist die Feststellung, dass die notfalls mit Gewalt beabsichtigte Vertreibung von Homosexuellen, Linken, Moslems und Obdachlosen das Ziel der Neonazis ist. Die NPD gilt ihm als der „parlamentarische Arm der rechtsextremen Bewegung“ (S. 8), sei deren politisches Ziel doch mit dem der Rechtsterroristen identisch. Da ihr parlamentarischer Weg vielen Neonazis nicht als erfolgreich erscheine, so die Warnung des Autors, würden sie sich von der Partei ab- und einer Orientierung hin zu „Taten“ zuwenden.

Das Buch gliedert sich in drei große Teile: Zunächst geht der Autor auf die Entwicklung des Rechtsterrorismus in den 1970er und 1980er Jahren ein, wobei auch die Herausbildung gewalttätiger Gruppen in der ehemaligen DDR thematisiert wird. Danach finden die fremdenfeindlichen Ausschreitungen und Tötungen von Beginn der 1990er Jahre Aufmerksamkeit, können diese Ereignisse doch als Rahmenbedingungen wie Vorgeschichte des NSU-Terrorismus gelten.

Danach geht Sundermeyer ausführlicher auf die Opfer und Orte der rechtsextremistisch motivierten Gewalt ein. Er bringt bekannte und weniger bekannte Fälle in Erinnerung, welche die Dimension und Folgen dieser Taten auch für das gesellschaftliche Klima verdeutlichen: „Die erste Stufe im Kampf um Raumgewinn ist erreicht, wenn die potenziellen Opfer rechtsextremer Gewalt eine Gegend als Angstraum meiden. Und der erstreckt sich zweifelsfrei über weite Teile des ländlichen Ostdeutschlands, auch wenn man dort nur sehr punktuell von ‚national befreiten Zonen’ sprechen kann“ (S. 103). Es werden aber auch neuere Entwicklungen im Westen wie etwa um die gewaltbereiten „Autonomen Nationalisten“ behandelt. Und schließlich widmet sich der Autor den Ereignissen um den NSU und betont bezogen auf den Neonazismus die Selbstverständlichkeit von Gewaltanwendung als Mittel des politischen Kampfes. Gegen Ende problematisiert er noch die Hilflosigkeit des Staates und die Versäumnisse der Ermittlungsbehörden.

Sundermeyer gehört zu den Fachjournalisten, die sich auf Recherchen zum Rechtsextremismus spezialisiert haben. Die vorgelegten Bücher stellen dann informative Reportageberichte zur Entwicklung in der Szene dar, wofür etwa ebenso das zusammen mit Christoph Ruf vorgelegte Werk von Sundermeyer „In der NPD. Reisen in die National befreite Zone“ von 2009 steht. In dieser Dimension können auch die Stärken des Bandes „Rechter Terror in Deutschland“ gesehen werden. Hierbei verdienen insbesondere die Berichte über die Wahrnehmung der Opfer und deren Umfeld Interesse, findet diese Dimension doch ansonsten nur selten Aufmerksamkeit in den Medien. Der Autor legt eine journalistische Darstellung vor und berücksichtigt nur eingeschränkt die wissenschaftliche Literatur zum Thema. Auch darüber hinaus findet man bei ihm keine systematischen Analysen, was aber wohl nicht sein Anliegen ist. Insbesondere in der Rekonstruktion der unterschiedlichen Fallbeispiele besteht der Erkenntnisgewinn des Bandes.

Armin Pfahl-Traughber
 

Olaf Sundermeyer, Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt, München 2012 (C. H. Beck-Verlag), 271 S., 16,95 €

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