WIEN. (hpd) Wenn Satire und Religion aufeinander treffen, gibt es oft genug Krach. Denn das Bodenpersonal Gottes sieht es gewöhnlich nicht gerne, wenn ihre Vorstellungen durch den Kakao gezogen werden. Theodor Much ist da aus einem anderen Holz.
Der Vorsitzende der Wiener jüdischen Reformgemeinde Or Chadasch hat gerade ein Bändchen mit Satiren herausgebracht, die religiösen Fundamentalismus und Irrationalismus aufs Korn nehmen. hpd sprach mit dem Autor über seine Motivation, seine Quellen und die Grenzen satirischer Kritik.
Herr Much, ich weiß, es gehört sich nicht, aber das Material, das Ihren Texten über das Jenseits zugrunde liegt, ist so erstklassig, dass ich um die Frage nicht herumkomme: Wer ist Ihre Quelle?
Theodor Much: Sie werden sicher verstehen, dass ich meine erstklassigen Quellen nicht preisgeben darf. Denn als verantwortungsvoller Autor muss ich auch an die Sicherheit meiner Informanten denken. Glauben Sie mir: die himmlischen Behörden kennen keinen Spaß, geht es um Bekanntgabe von heiklen Informationen an kritische Lebewesen im gesamten Universum! Dass ich all diese Informationen erhielt (und weiter erhalte) hängt aber mit meiner vorbildlichen Lebensweise, meinem herausragenden Charakters, meinen hervorragenden Beziehungen zum Vatikan und dem Oberrabbinat in Jerusalem zusammen und auch mit der Tatsache, dass ich ein tiefgläubiger Homöopath und Astrologe bin, eine Tatsache die im (fundamentalistischen) Jenseits sehr geschätzt wird.
Was Sie da auswerten, ist sensationell: die Memoiren Methusalems, die Sodom und Gomorra-Protokolle, eine exklusive Zeitschriftenausgabe... Aber die Aussagen widersprechen in vielen Punkten der Überlieferung. Warum sollten wir Ihnen mehr Glauben schenken als der traditionellen Version?
Es geht eigentlich darum, dass die himmlischen Behörden im Allgemeinen der Meinung sind, dass die Menschheit noch nicht für die ganze Wahrheit reif ist. Daher müssen manche Wahrheiten teilweise oder ganz verschwiegen, andere Informationen hingegen können der Menschheit nur nach und nach enthüllt werden. Es bleibt daher Ihnen überlassen, mir zu glauben oder mich als Hochstapler zu sehen.
Sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, welche Folgen das nach sich ziehen würde, falls Ihre Dokumente wirklich echt sind? Millionen von Bibeln müssten neu gedruckt werden, für Rabbiner, Imame, ja für unzählige von Religionslehrern wären Umschulungen fällig...
Ihre Sorge ist unberechtigt. Denn die wenigen Leser, die ich mit meinem Buch erreiche, sind gebildete, hochintelligente, aber zurückhaltende Persönlichkeiten, die mit ihrem neuen Wissen sehr sorgsam umgehen werden. Ihr Einfluss auf die große Öffentlichkeit, den Medien und die große Politik ist außerdem viel zu gering, um ein wirkliches Umdenken zu erreichen.
Spaß beiseite, Herr Much. Normalerweise schreiben Sie Sachbücher. Warum haben diesmal Sie die Form der Satire gewählt?
Also Spaß beiseite: Sachbücher sind eine gute Sache. Doch um gegen Aberglauben, Unwissenheit, Fundamentalismus und Vorurteilen anzukämpfen, helfen oftmals gute Argumente wenig. Daher habe ich mich für Satire entschieden, sozusagen als Komplementärmedizin gegen menschliche Dummheit.
Sie sind Vorsitzender der Wiener jüdischen Reformgemeinde Or Chadasch. Da stellt sich das unbedarfte Publikum doch die Frage: „Darf der das?“
Im Judentum – und besonders im modernen, liberalen Judentum – ist Kritik willkommen und Humor wichtig. Kein Jude, auch nicht sehr konservative Juden, würden wegen einer Karikatur auf die Barrikaden steigen oder Menschen tätlich angreifen. Diese Aussage gilt auch für moderne Christen. Daher kann ich sagen: Ja ich darf.
Generell gefragt: Was darf Satire in Bezug auf Religion?
Im Prinzip fast alles, dabei muss aber stets der Grundsatz des Rabbi Hillel gelten: „Tue keinem etwas an, was du nicht willst, dass man dir tut“. Soll heißen: verleumden ist nicht gestattet, Wahrheiten zu sagen, so unbequem sie auch sein mögen, sehr wohl. Ich vermute sogar, dass Gott nicht ganz humorlos ist.
Gab es auch negative Rückmeldungen aus Kreisen der Religionsgemeinschaften?
Bisher nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass religiöse Fundamentalisten meine Bücher nicht lesen.
Ihr letztes Buch handelte vom „Großen Bluff“ Alternativmedizin. Wie geht das mit Ihren Religionssatiren zusammen?
Alternativmedizinische Verfahren – damit meine ich in erster Linie irrationale, esoterische und dogmatische Diagnose- und Therapieverfahren (wie etwas die Homöopathie, Astromedizin oder Kinesiologie) – sind in sich geschlossene und dogmatische Glaubenssysteme, die keine Kritik vertragen und Kritiker mit großem Hass verfolgen. Scheinmediziner haben vieles mit dem religiösen Fundamentalismus gemeinsam, der weder Nächstenliebe noch Toleranz oder Humor kennt. Das Flagschiff der medizinischen Esoterik ist die Homöopathie, mit der sich viel Geld machen lässt. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Menschen auf medizinische Scharlatane vertrauen und ihr Geld für Hokus Pokus-Verfahren zum Fenster hinauswerfen.
Die Fragen stellte Martin Bauer.
Theodor Much: Willkommen im Jenseits. Satirische Erzählungen. 159 Seiten, kartoniert, Euro 12.-, ISBN 978-3-86569-115-6
Das Buch ist im Denkladen erhältlich.