Oerlenbacher Gespräche

Die unselige Trennung von Staat und Kirche

"Gott wollte keine Nation auf Basis säkularer Gesetze!" - "Halleluja!"Thomas Lehmann fragt den Herrn Bischof, wie sich Christen angesichts der Trennung von Staat und Kirche in der Politik ihren Überzeugungen entsprechend engagieren könnten. Den Glauben dürfe man nicht in die Kirchen einsperren, antwortet Bischof Hofmann. „Die Einzelnen müssen schon das, was sie als richtig erkennen, auch in ihrer politischen Überzeugung umsetzen.“ Dieses Thema wird die weitere Diskussion entscheidend mitbeherrschen. Trotz der Trennung von Staat und Kirche gibt es übrigens einen Staatsvertrag der beiden Großkirchen mit der Bundespolizei in Deutschland. Und insofern ist diese ganze Trennungsgeschichte sowieso überschätzt, nicht wahr? Trennung ist gar nicht vorgesehen in den christlichen Werten, sondern Treue.

Der Herr Bischof hat in seinem Vortrag immer wieder einmal betont, dass Christen in Deutschland in der Mehrheit sind. Dafür erhält er Widerspruch von einem der anwesenden Gemeindemitglieder. „Die Kirche ist gar nicht vom Staat fernzuhalten“, sagt er außerdem. „Wir sind nicht irgend so ein Verein wie andere auch, sondern wir haben die Seele des Grundgesetzes.“ Der Herr Bischof stellt klar: „Für mich sind Christen alle die, die getauft sind.“ 70-80% sollen das ihm zufolge sein. Mir inklusive, denn ich wurde auch getauft, wenn ich das einmal hinzufügen dürfte. Insofern wird meine folgende, antireligiös motivierte Kritik als innerchristliche zu verstehen sein. Da man als Naturalist sowieso keine Debatten mit Theisten gewinnen kann (erläutern Sie in fünf Minuten, was sich seit der Rennaissance ideengeschichtlich zugetragen hat), muss ich bestimmte Kritikpunkte auswählen. Ich beginne mit einer Kritik der Zehn Gebote und ihrer angeblichen Wichtigkeit.

Bei meiner Wortmeldung räume ich zunächst ein, dass ich das Tötungsverbot und das Gebot, man solle nicht stehlen, nachvollziehen könne. „Was ich nicht nachvollziehen kann, ist: Du sollst keinen Gott außer mir haben.“ Ich erläutere, dass dies zu einer Tribalisierung führe, bei der eine Gruppe gegen die andere kämpfe wie im 30-jährigen Krieg. „Dass das ein Wert sein soll in unserer pluralistischen Gesellschaft kann ich jetzt nicht nachvollziehen.“ Auch dass man nichts darstellen solle am Himmel und auf der Erde ist mir fremd, so stelle die Kunst doch alles Mögliche aus beiden Bereichen dar.

„Es ist ein eifersüchtiger Gott, der Rache nimmt bis in die dritte und vierte Generation. Ich finde das völlig unethisch, bis in die dritte und vierte Generation noch Rache zu nehmen“, sage ich ferner und betone, dass der Täter bestraft werden solle und nicht seine Nachkommen. „Steht aber in diesem Buch drin. Nächster Punkt: Im Alten Testament steht auch, dass ungehorsame Kinder gesteinigt werden sollen. [...] Dass Sklaverei in Ordnung ist wird niemals widerrufen, in der ganzen Bibel nicht.“ Ich weise zudem noch darauf hin, dass – der Herr Bischof meinte ja, eine gottlose Gesellschaft führe zu der Duldung von Kindesmissbrauch und Vergewaltigung – kein Wort gegen Kindesmissbrauch und Vergewaltigung in der Bibel steht und erinnere illustrationshalber daran, dass Lot mit seinen Kindern Sex hatte, nachdem sie ihn verführten.

Eines muss man Bischof Friedhelm Hofmann lassen: Er geht sorgfältig auf jeden meiner Kritikpunkte ein:

Kindesmissbrauch

Zunächst weist er darauf hin, dass Lot für sein Vergehen von Gott bestraft worden sei, „und wie!“. In Genesis 19 steht, dass Lot mit einer Tochter Moab zeugte, von der die Moabiter abstammen und mit der anderen Ammon, aus der die Ammoniter hervorgehen.

Ich räume ein, dass man argumentieren könnte, dass sich die Israeliten mit den Moabitern und Ammonitern im folgenden häufig bekriegen, was man als Strafe Gottes interpretieren könnte, obgleich Lot davon nichts mehr mitbekommt. Ergänzen könnte man allerdings, dass es sich um den selben Lot handelt, der vor dem Sex mit seinen Töchtern eben diese zu den lüsternen Männern Sodoms hinausschickt, um sie anstelle seiner männlichen Gäste (Engel Gottes) vergewaltigen zu lassen (Genesis 19, 8).