Notizen aus Polen

Ein Regenbogen teilt Polen

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Regenbogen in Warschau
Regenbogen in Warschau

WARSCHAU. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht (April 2014). Mitte April wurde der Warschauer Regenbogen auf dem Erlöserplatz in der polnischen Hauptstadt wiedererrichtet. Zuvor wurde er mehrfach von Rechtsradikalen in Brand gesetzt und am Ende zerstört. Jetzt sorgt die Installation wieder für Kontroversen.

Der östliche Nachbar Deutschlands, eine aufstrebende Wirtschaftsnation, kämpft mit vielen Problemen, die der Kommunismus mit brachte und die die Transformation nicht bewältigen konnten. Das Land ist durchzogen von einer unsichtbaren Mauer, die Polen A von Polen B trennt; eine sehr hohe Mehrwertsteuer (24 %) und eine sehr niedrige Einkommenssteuer (zwei Stufen: 18 % und 32 %) belasten niedrige Einkommen überproportional. Eine klare politische Linie oder auch nur ein politischer Wille, um das zu ändern ist nicht in Sicht.

Vielmehr zerfleischen sich die Polen auf ideologischem Gebiet, da wo es oft nichts oder nur sehr wenig kostet. Das sieht man zum Beispiel am rigiden Abtreibungsrecht oder am mangelnden Vertrauen gegenüber dem Staat. So werden Ersatzkriege geführt, die nichts an der realen Situation im Lande ändern, sondern lediglich die Emotionen weiter hochkochen lassen.

Eine Episode eines solchen Ersatzkrieges konnte die polnische Öffentlichkeit im letzten Monat verfolgen. Am 11. April wurde eine künstlerische Installation auf dem Erlöserplatz in Warschau wieder aufgebaut, die nach Fertigstellung einen Regenbogen darstellt. Es ist eine neun Meter hohe bogenförmige Metallkonstruktion, auf der mehr als 22.000 künstliche Blumen in Regenbogenfarben befestigt wurden.

Nationalisten gegen Regenbogen

Am Mittag des 11. April begann die Montage der Metallelement, die zwischenzeitlich durch Protestanten aus dem nationalistischen Lager gestört wurde. Krzysztof Bosak, Vorsitzender der rechtsextremen und militanten Allpolnischen Jugend sowie Gallionsfigur der Nationalisten in Polen, führte die rechten Aktivisten an. Die Polizei musste eingreifen, 25 Personen wurden verhaftet und zur Polizeiwache gefahren. Zwei Nationalisten wird nun der Angriff auf Polizisten vorgeworfen, die anderen Aktivisten müssen mit Strafen wegen Störung der öffentlichen Ordnung und der Gefährdung des Straßenverkehrs rechnen. Später am Nachmittag betonte Bosak in einem Fernsehinterview, die Proteste haben lediglich friedlichen Charakter gehabt.

Die rechtsextremen Nationalisten protestieren gegen die Errichtung der Installation, da diese ihrer Meinung ein Symbol für Homosexualität ist. Dieses sei auf dem Erlöserplatz nicht angemessen und schon gar nicht in unmittelbarer Nähe der Kirche des Allerheiligsten Erlösers.

Immer wieder zerstört

Erdacht wurde der Warschauer Regenbogen von der Künstlerin Julita Wójcik jedoch nicht als Symbol für Schwule und Lesben. Ursprünglich stand er nämlich vor dem Europaparlament in Strassburg, der Anlass war die polnische Ratspräsidentschaft im Jahre 2011. Danach ist er am Erlöserplatz wiedererrichtet worden.

Der Warschauer Regenbogen wurde mehrmals in Brand gesetzt, aber erst am 11. November 2013 vollständig zerstört. Die Verluste wurden auf circa 25.000 Euro geschätzt. Daraufhin versprach die Warschauer Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz, das Kunstwerk werde repariert und wieder aufgebaut.

Preis der Freiheit

Offiziell wurde die Installation am 1. Mai fertiggestellt, zum zehnjährigen Jubiläum Polens in der Europäischen Union. Seit dem wird sie durch Überwachungskameras rund um den Platz und unzählige Polizisten bewacht. Als zusätzlicher Sicherheitsmechanismus sorgt eine fest installierte Sprinkleranlage für die Sicherheit des Regenbogens. Auf die Verkehrsinsel, auf der er steht, kommt man auch nicht. Jeder Versuch der Annäherung wird durch Polizisten unterbunden und mit einem Bußgeld von mindestens 12 Euro bestraft. Doch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Zum Beispiel wurde der Regenbogen mit Eiern beworfen.

Zwar ist die Auseinandersetzung um den Regenbogen ein Ersatzkrieg, doch muss man sich letztendlich, gerade auch aufgrund der latenten Rechtsradikalität in der polnischen Gesellschaft fragen: Sind Überwachung und Verhältnisse, die einem Polizeistaat ähnlich sind, der Preis für die Aufrechterhaltung eines Kunstwerkes und damit für das sich zur Wehr setzen gegen rechtsradikale Tendenzen?