Bundesamt hält Jesiden für "nicht gefährdet"

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Jesidische Flüchtlinge aus dem Irak erhalten im Camp Newroz Hilfe vom International Rescue Committee (nord­syrische Provinz al-Hasaka, August 2014)
Jesidische Flüchtlinge aus dem Irak erhalten im Camp Newroz Hilfe vom International Rescue Committee (nord­syrische Provinz al-Hasaka, August 2014)

BERLIN. (hpd) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hält Jesiden aus dem Irak für nicht gefährdet. Es hält die Klage eines jesidischen Flüchtlings, der um Asyl in Deutschland gebeten hatte, für "unzulässig“.

Wie einer Stellungnahme des BAMF, die dem NDR vorliegt, zu entnehmen ist, stellt sich die Behörde hinter ein umstrittenes Urteil, in dem das Verwaltungsgericht Lüneburg am 12. Juni 2014 das Schutzbegehren des 27-jährigen Flüchtlings Saado Khalafshamo zurückgewiesen und ihn zur Ausreise in den Irak aufgefordert hatte.

Dieses Urteil diente dem BAMF als Begründung, um die Klage eines jesidischen Flüchtlings aus dem Irak, der mit Hinweis auf die Verfolgung seiner Glaubensgemeinschaft durch die Terrorgruppe ISIS um Asyl in Deutschland gebeten hatte, für “unzulässig” zu erklären. Der Asylsuchende stammt aus dem Nordwesten des Irak, von wo im Sommer zehntausende Jesiden vor der Terrorgruppe ISIS geflüchtet sind; viele davon kamen dabei um. Als wäre das nicht bekannt, “weist das Bundesamt für Migration in seiner Stellungnahme vom 10. September 2014 das Argument, bei den Jesiden im Irak handele es um eine verfolgte Gruppe, zurück.” Es erklärte, dass es bezweifelt, dass sich die als “klärungsbedürftig bezeichnete Tatsachenfrage überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten lässt.”

Britische Dschihadistinnen zwingen weibliche Jesiden zur Prostitution

Es ist bekannt, dass die Jesiden durch die Islamisten der IS bedroht sind. Dabei werden die Methoden der Unterdrückung immer widerlicher. So meldeten gestern die Deutsch-Türkischen Nachrichten, dass britische Gotteskriegerinnen mehrere Tausend jesidische Frauen in die Zwangsprostitution verschleppt haben. Die Rede ist dabei von 3.000 Frauen, die in Bordelle im Irak und Syrien verschleppt wurden. “Gerechtfertigt wird die Entführung, der Verkauf und der Einsatz im Bordell mit dem unislamischen Verhalten der Verschleppten.”

Die Bordelle sollen von der so genannten Al-Khanssaa-Brigade der IS betrieben werden. In diesem “weiblichen Arm der Terrormiliz” sind viele britischstämmige Frauen vertreten. Es heißt, “die IS-Vorsteher [haben] den Britinnen diese Position bewusst zugedacht, weil sie sich offenbar als engagierteste unter den ausländischen Kämpferinnen hervorgetan haben.”

Diese Methoden werden inzwischen als ethnische Säuberung bezeichnet. Anfang August verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deshalb die Gewalt vor allem gegen Frauen und Kinder und verabschiedete eine einstimmige Erklärung.

Angriffe auf jesidische Flüchtlinge in Deutschland

Doch selbst wenn es den jesidischen Flüchtlingen gelingt, in Deutschland Asyl zu erhalten: die Angriffe hören deshalb nicht auf. In Hamburg kam es zu Schlägen und Quälereien durch das Wachpersonal, das sich aus Sunniten zusammensetzte und aus den Reihen anderer Asylbewerber.

Doch auch von außerhalb gab es Angriffe: “So soll beispielsweise ein ägyptischer Asylbewerber zusammen mit einer größeren Zahl von Salafisten, die außerhalb der Unterkunft wohnen, jesidische Kurden geschlagen und ihnen die Enthauptung angedroht haben, bis die Polizei einschritt, die das Lager seitdem mit bewacht.”

Ähnliche Fälle gab es nach dem Bericht auch in Berlin und Hessen.

 

Nachtrag am 18.09.2014, 12:25 Uhr

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat seine Entscheidungspraxis im Hinblick auf irakische Jesiden geändert.

Das umstrittene Urteil des VG Lüneburg ist vom 12.06.2014 und hat offenbar die bis dahin (seit Jahren) vorhandene Situation von Jeziden im Irak bewertet. Möglicherweise lagen zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Erkenntnisse über den dauerhaften Vorstoß von ISIS in von Jeziden bewohnte Gebiete und die Verfolgung der Jeziden durch die Terroristen vor. Erst am 10.06.2014 hatte der Einmarsch der „Gotteskrieger“ in den Nordwesten Iraks mit dem Vorstoß auf Mossul begonnen. Zwischenzeitlich hatte bereits das OVG  Niedersachsen (bei dem die Berufung gegen das Urteil des VG Lüneburg verhandelt wird) das Bundesamt aufgefordert, die ursprüngliche asylablehnende Entscheidung zu überprüfen.

Auch das Verwaltungsgericht Hannover bejaht Gruppenverfolgung von Jeziden im Irak und stellt auf die seit dem 10.06.2014 veränderte Situation im NordIrak ab.