Gegen Versuche, das Rad zurückzudrehen

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Auf der Gegenkundgebung beim sog. "Marsch für das Leben" am 20.09.2014
Auf der Gegenkundgebung beim sog. "Marsch für das Leben" am 20.09.2014

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BERLIN. (hpd) Die selbsternannten “Lebensschützer” trugen am Sonnabend wieder einmal weiße Kreuze und vorgefertigte Parolen - gut gesichert von der Polizei - durch die Berliner Innenstadt. Etwa 600 Menschen protestierten friedlich gegen diese Ewiggestrigen und hielten ihnen bunte und kreative Transparente entgegen.

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zog ein positives Resümee der Kundgebung. “Religiöse Vorstellungen einzelner Gruppen dürfen in einer freiheitlichen Gesellschaft niemals wieder zum moralischen oder gar gesetzlichen Maßstab für das Leben aller Menschen werden” sagte Sybill Schulz vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung gleich im Anschluss an die Kundgebung. Sie betonte, dass Mädchen und Frauen, ob homosexuell oder heterosexuell, heute prinzipiell ihre individuelle Sexualität und Familienplanung frei und selbstbestimmt leben können. Dies ist eine über mehr als 200 Jahre erkämpfte Errungenschaft. Und deshalb - so Schulz “dürfen wir das Recht auf freie Entscheidung nicht dem Zeitgeist opfern, der unter dem Eindruck des demographischen Wandels, aufgeheizter Debatten um Migration und einer allgemeinen sozialen Krise steht.”

In einer Grußbotschaft des Regierenden Bürgermeisters, Klaus Wowereit, heißt es deshalb auch: “Frei und selbstbestimmt über die eigene Familienplanung entscheiden zu können: Dafür haben Generationen von Frauen gekämpft. Dazu sollte sich unsere Gesellschaft auch heute und in Zukunft ohne Wenn und Aber bekennen. Und wo Menschen in Not und Konflikte geraten, sollte die Maxime gelten: Hilfe statt Bevormundung.
Gerade in Berlin ist spürbar, wie sich unsere Gesellschaft zum Besseren gewandelt hat. Unser Land ist bunter und toleranter geworden. Frauen und Männer leben in vielen unterschiedlichen Formen zusammen. Aber: Es gibt immer wieder Versuche, das Rad zurückzudrehen. Das dürfen wir nicht zulassen.”

Ein gesetzliches Verbot der Abtreibung hätte keine positive Wirkungen - sondern würde im Gegenteil die Gesundheit der betroffenen Frauen gefährdet. Das unterstrich auch die polnische Aktivistin Ellisiv Rognlien auf der Kundgebung. Im katholischen Polen gebe es offiziell nur rund 700 “legale” Schwangerschaftsabbrüche jährlich. Doch “Organisationen für das Recht auf Abtreibungen schätzen sie auf mindestens 100.000 im Jahr. Es gibt einen riesigen Abtreibungsuntergrund – der allerdings nur denen zugänglich ist, die sich das finanziell leisten können.”

Auch Ulrike Haase, die Sprecherin von der LAG selbstbestimmte Behindertenpolitik der LINKE, trat dafür ein, “dass behinderte Frauen mit Kinderwunsch ein ungehindertes Recht und den Anspruch auf Unterstützung haben, um das Kind zu kriegen, ob das Kind behindert ist, oder nicht.” Doch - und damit unterscheidet sie sich von den an der Kundgebung schweigend Vorbeimarschierenden: “Umgekehrt darf eine behinderte Frau jedoch nicht dazu verpflichtet werden, eine ungewollte Schwangerschaft austragen zu müssen. Auch dann nicht, wenn das Kind ohne Behinderung zur Welt käme.” Diese Entscheidung der Frauen wollen die Kreuzträger jedoch beschneiden. Nicht die Frau, sondern “Gott” soll die Entscheidung darüber treffen.

Die öffentliche und politische Thematisierung der existierenden Probleme darf nicht der Propaganda von Fundamentalisten und Nationalisten überlassen werden, warnte Sybill Schulz in ihrer Rede. “Wir fordern die notwendigen Rahmenbedingungen für ein Leben, in dem alle Menschen ihre jeweilige Sexualität und ihre vielfältigen Familienmodelle leben können, ohne durch die Vorstellungen christlicher Fundamentalisten oder religiöser Extremisten bevormundet, diskriminiert und stigmatisiert zu werden.”

Als der Schweigemarsch - weiträumiger von der Gegenkundgebung getrennt als noch im vergangenen Jahr - am Brandenburger Tor vorüberzog, wurde er mit lebensbejahenden Parolen und bunten Transparenten empfangen. Sehr zum Missfallen der Kreuzträger. Zu Übergriffen, etwa auch körperlichen, wie manche schreiben, kam es - schon allein der starken Polizeipräsenz wegen - dabei nicht.

Und dass die Teilnehmerzahlen von den Organisatoren einer Demonstration geschönt werden, kennt man von fast jeder Demonstration; aber 5.000 waren es sicherlich nicht, die durch die Stadt zogen; eher weniger als im vergangenen Jahr. Die Polizei sprach gegenüber dem hpd von rund 2.500 bis 3.000 Teilnehmern.