BERLIN. (hpd) Mehr als 200.000 Unterstützer (Stand am heutigen Mittag) hat eine am 23. Dezember gestartete Petition gegen die ausländerfeindlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden bereits. Der Initiator der Aktion, Karl Lempert*, hat als Ziel bezeichnet, eine Million Unterschriften zu sammeln.
Im Petitionsaufruf heißt es: “Jetzt ist die Zeit, zu bekennen, dass ’Wir sind das Volk!’, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion – oder was auch immer - gilt und weiter gelten muss!” Denjenigen, die mit einem Hinweis auf eine bevorstehende Islamisierung des “Abendlandes” gegen Ausländer hetzen, sollen, ja müssen die Demokraten in Deutschland eindeutig entgegentreten. Nur einige Politikerbekenntnisse reichen da nicht aus.
Es bereitet Genugtuung: Die Gegenbewegung gegen die selbsternannten deutschnationalen Retter des “Abendlandes” läuft an und zeigt sich bereits in großen Demonstrationen; diese Bewegung dürfte ebenso machtvoll werden, wie bereits andere öffentliche Bekundungen gegen Ausländerfeindlichkeit in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Auch die Aktion “Für ein buntes Deutschland” ist Teil dieser Bewegung von Demokraten; deshalb ist es wichtig, die Internet-Unterschriftensammlung zu einem Erfolg zu machen.
Am Montag vor Weihnachten hatten die antidemokratischen Demonstranten in Dresden christliche Weihnachtslieder lautstark stimmlich abgesondert, um die Zugehörigkeit des “Abendlandes”, im besonderen Deutschlands, zur christlichen Leitreligion und Leitkultur zu betonen. Ihr Vorhaben ist, alles Nichtchristliche, in erster Linie aber alles Muslimische, auszugrenzen. Dazu ist ihnen jede Verdrehung von Daten und Fakten, ja bereits das Verschweigen von Tatsachen recht.
Eine kulturell-reaktionär orientierte Sammlungsbewegung zur Rettung des christlichen (oder auch jüdisch-christlichen) Abendlandes in einem Land, in dem immer mehr Menschen sich von den großen christlichen Kirchen abwenden, ist das allerletzte, was benötigt wird. Wes Geistes Kind derartige Kräfte übrigens sind, hat sich bereits vor Monaten in Baden-Württemberg gezeigt, als es nicht gegen Muslime, sondern um dumpfen Hass gegen die Ziele der baden-württembergischen Schulplanung (Verhinderung von Vorurteilsbildung bei Schülern und Schülerinnen gegen gleichgeschlechtlich orientierte Menschen) ging.
Nochmals zu den Weihnachtsliedern: Zu argumentieren ist Sache der Demonstranten von Dresden nicht, da ist gemeinsames Gegröle schon eher angesagt – zumindest hat man dabei nicht das Risiko, Fragen gestellt zu bekommen. Bekanntlich haben die Demonstranten von dem Organisationsleiter Bachmann und seinen Leuten strikte Order erhalten, sich gegenüber Journalisten und Andersdenkenden nicht zu äußern. Die wenigen, die sich bislang dann doch, trotz massiven Hinderungsversuchen seitens der in großer Zahl eingesetzten Ordner, geäußert haben, haben immerhin eines deutlich gezeigt: sie vertreten nicht die schöngefärbten Parolen der mittlerweile fabrizierten offiziellen Erklärung der Gruppe um den verurteilten Straftäter Bachmann, sondern zeigen eine antidemokratische Gesinnung, Ressentiments und Ausländerhass.
Ob auf diese Leute mit Argumenten, wie jetzt von politischer Seite gefordert, überhaupt wirksam eingewirkt werden kann, ist aus vielerlei Gründen, auch wegen der Schlichtheit ihrer Gemüter und der Einfachheit ihrer Weltbilder zu bezweifeln, sollte aber keineswegs unversucht gelassen werden. Niemals sollte in einer Demokratie auf einen “Kampf mit Argumenten” verzichtet werden, auch nicht darauf, berechtigte soziale Ängste, die bei manchen der Demonstranten offenbar vorhanden sind, zu thematisieren.
Aber um welche Themenbereiche geht es überhaupt? Hajo Funke hat im hpd vor kurzem darauf hingewiesen, dass es um “unterschiedlichste Ängste, Sorgen und Wut” gehe, die Pegida aufgreife und dass es um die “Mobilisierung von Vorurteilen gegen den Islam und die Muslime” gehe. Er hat eine Reihe von Beispielen genannt, die Ursache des Unmuts gerade von Menschen in der früheren DDR sind. Mit den “Ängsten, Sorgen und der Wut” von BürgerInnen muss sich die Politik befassen. Das bedeutet ganz wesentlich, dass das weitere Auseinanderdriften der Gesellschaft gestoppt werden muss, was eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik erfordert. Das bedeutet aber auch, Menschen vor Ort in Verwaltungsentscheidungen einzubeziehen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu bestimmen. Und manches mehr. Asylpolitik gehört jedoch nicht zu diesen Themen, hierauf dürfen solche, denen das Schicksal anderer Menschen gleichgültig und das des “christlichen Abendlandes” vorrangig wichtig ist, keinerlei Einfluss erlangen.
Den rassistischen Bauernfängern, die mit den diffusen Ängsten von Menschen ihr politisches Geschäft treiben wollen, muss klare Kante gezeigt werden. Auch ihren intellektuellen Apologeten, die mit Scheinargumenten und der Verdrehung von Tatsachen operieren.
Eine Auseinandersetzung mit “dem Islam” ist im Zusammenhang mit Pegida aber gewiss nicht erforderlich. Lale Akgün hat vor Weihnachten im hpd geschrieben: “Die Themen Islam im Allgemeinen, in Deutschland im Besonderen und die Islampolitik der Bundesregierung sind eine eigene Diskussion wert, aber im Zusammenhang mit der Pegida sind sie völlig fehl am Platz, denn die Pegida-Organisatoren benutzen den Islam nur als Projektionsfläche für ihr weithin braunes Gedankengut. Deswegen sollte man auch nicht den Pegida-Initiatoren auf den Leim gehen, und nicht mit Gegenargumenten aufwarten, die die islamfeindlichen Aspekte entkräften sollen. Es geht mitnichten um den Islam, es geht um irgendwas, was für Andersartigkeit steht, um auf die Migranten einzuprügeln.” Dem ist nichts hinzuzufügen.
Hier kann unterzeichnet werden: change.org
*Karl Lempert war bereits Initiator der Online-Unterschriftensammlung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die vor einigen Wochen getötete Studentin Tugce Albayrak. Der hpd berichtete: “Zivilcourage”