Michael Schmidt-Salomon über Islamkritik und die GBS

Selbstbestimmung statt Gruppenzwang

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Michael Schmidt-Salomon
Michael Schmidt-Salomon

BERLIN/OBERWESEL. (hpd) In den vergangenen Tagen wurde der Giordano Bruno Stiftung (GBS) unterstellt, Propaganda für den Rassismus zu machen. Auslöser dafür war eine Veranstaltung unter dem Titel "Das hat mit dem Islam nichts zu tun" der Frankfurter Regionalgruppe der GBS, bei der Mina Ahadi und Hartmut Krauss auftraten.

In einem Blog berichtet ein als "Frankfurter Antifaschist Philipp Kissel" bezeichneter Autor über die Veranstaltung und unterstellt der Giordano Bruno Stiftung "Volksverhetzung". Veranstaltungen dieser Art machen nach Meinung des Autoren "Nazi-Ideologie hoffähig". Für ihn habe die Veranstaltung eine ganze Religion verunglimpft; sie "relativierte den Faschismus und die Judenvernichtung, leistete rassistischer Nazi-Ideologie Vorschub und war unwissenschaftlich und volksverhetzend."

Angesichts des Eintretens der Giordano Bruno Stiftung für Menschenrechte und Religionsfreiheit lassen sich diese ideologischen Verwirrungen nur schwer nachvollziehen. In der linken Szene sind jedoch häufig auch Fehleinschätzungen zu verzeichnen; so auch die Vorstellung, der Islamismus sei eine antiimperialistische Kraft und Islamkritik sei daher notwendigerweise rassistisch motiviert.

Unter der Überschrift "Antifa dreht durch und erhebt schwere Anschuldigungen gegen Giordano Bruno Stiftung" reagiert die Webseite opposition24.de auf die Vorwürfe und bat die GBS um eine Stellungnahme.

Diese liegt nun vor und wird mit freundlicher Genehmigung von Michael Schmidt-Salomon hier im hpd ebenfalls veröffentlicht.

Selbstbestimmung statt Gruppenzwang: Gegen Islamismus UND Fremdenfeindlichkeit

Die Giordano-Bruno-Stiftung hat sich stets mit großer Entschiedenheit sowohl gegen Rassismus, Fremden- bzw. Muslimfeindlichkeit als auch gegen die Verteidigung/Verharmlosung reaktionärer Tendenzen innerhalb bestimmter islamischer Communities ausgesprochen.

Diese Haltung kommt klar zum Ausdruck in unserem Positionspapier "Selbstbestimmung statt Gruppenzwang: Gegen Islamismus UND Fremdenfeindlichkeit", das auch in Frankfurt ausgelegt wurde. Das Positionspapier ist auch im Internet verfügbar, siehe hierzu die entsprechende Meldung auf der gbs-Website.

Menschen, die zu einem rigiden Freund-Feind-Denken neigen (was in einigen Antifa-Kreisen leider verbreitet ist), haben Schwierigkeiten, solch differenzierte Positionen nachzuvollziehen. Viele meinen offenkundig, man müsse entweder auf der Seite von Pegida ODER auf der Seite des Zentralrats der Muslime bzw. DITIP stehen.

Das ist jedoch eine Fehlwahrnehmung. Das Problem der gegenwärtigen Debatte besteht darin, dass wir gleich mit zwei irrationalen Lagern zu kämpfen haben: Einerseits ist völlig klar, dass der Pegida-Bewegung fremdenfeindliche und nationalistische Positionen zugrunde liegen, die wir selbstverständlich in keiner Weise hinnehmen können.

Andererseits müssen wir auch bei den Anti-Pegida-Demonstrationen Kritik anmelden, da diese die Gefahren des Islamismus und auch die rigiden, patriarchalen Normen in einigen (besonders frommen) muslimischen Communities unzulässig ausblenden. Die Realitätsverleugnung geht bei einigen Anti-Pegidaisten so weit, dass sie sogar behaupten, der islamistische Terror habe nichts mit dem Islam zu tun.

Leider jedoch ist das, was wir "Islamismus" nennen, keine "Perversion des Islam", wie man oft hört, sondern eine weit verbreitete Lesart dieser Religion, die weltweit etwa ein Viertel der Muslime teilen und die man leider auch mit entsprechenden Zitaten aus den "heiligen Schriften" untermauern kann. Totalitäre, faschistoide Verhältnisse findet man sowohl in den Hochburgen des sunnitischen Islam (etwa in Saudi-Arabien) wie auch des schiitischen Islam (etwa im Iran). Diese verhängnisvolle Tatsache muss man in einer offenen Gesellschaft ansprechen dürfen, ohne dafür ins "rechte Lager" gerückt zu werden.

Ich denke, dass die Veranstaltung in Frankfurt auf diesen Sachverhalt aufmerksam machen sollte. Übrigens handelte es sich dabei nicht um eine Veranstaltung der Giordano-Bruno-Stiftung, sondern um eine Veranstaltung einer unserer beiden gbs-Regionalgruppen in Frankfurt. (Hintergrundinfo: Die gbs-Regionalgruppen setzen sich nicht aus gbs-Stiftungsmitgliedern (Vorstand, Kuratorium, Beirat), sondern aus Mitgliedern des gbs-Förderkreis zusammen und führen ihre Veranstaltungen unabhängig von den Stiftungsverantwortlichen durch.

Als Befürworter des Graswurzelprinzips lässt die Stiftung den Regionalgruppen größtmögliche Handlungsspielräume, nur in äußersten Notfall würden wir in die Autonomie der Gruppen eingreifen.)

Da ich bei der Veranstaltung in Frankfurt nicht zugegen war, weiß ich nicht, ob die Argumente der Referenten im Antifa-Bericht richtig wiedergegeben wurden. Drei Aspekte sind jedoch klar:

  1. Weder Mina Ahadi noch Hartmut Krauss vertreten rassistische/faschistische Positionen, sondern haben sich in aller gebotenen Deutlichkeit von jeder Form von Rassismus/Faschismus abgegrenzt. Mina Ahadi hat zudem für Flüchtlinge aus islamischen Ländern mehr getan als wohl sämtliche Frankfurter Antifas zusammengenommen. Hierbei wurde sie auch aktiv durch die Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt.
  2. Obwohl die gbs mit Mina Ahadi seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeitet (so gelang es uns gemeinsam, ein "Recht auf Asyl für Ex-Muslime" in Deutschland durchzusetzen, ist ihre Position in der Islamkritik keineswegs deckungsgleich mit der Position der gbs (dies trifft in ähnlicher Weise auch auf Hartmut Krauss zu). So schließt die gbs im Unterschied zu Ahadi/Krauss keineswegs aus, dass es humanistische Islaminterpretationen gibt, die sich unter gesellschaftlich günstigen Umständen durchsetzen könnten. Die unterschiedlichen Sichtweisen kamen 2013 bei der 2. Kritischen Islamkonferenz deutlich zum Vorschein, als Mina Ahadi das Positionspapier "Selbstbestimmung statt Gruppenzwang" (s.o.) für den Zentralrat der Ex-Muslime nicht unterzeichnete (im Unterschied etwa zu Hamed Abdel-Samad, Necla Kelek oder Lale Akgün, siehe hier).
  3. Die Tatsache, dass Mina Ahadi und Hartmut Krauss in ihrer Islamkritik mitunter Positionen vertreten, die wir nicht teilen, bedeutet selbstverständlich nicht, dass wir sie nicht als Referenten einladen könnten. Im Unterschied zu manchen Antifa-Gruppen laden wir eben nicht bloß Referenten ein, die unserer Meinung sind, sondern auch Referenten, die zum Teil deutlich andere Positionen vertreten, da wir die "produktive Streitkultur der Aufklärung" wertschätzen. Dies wiederum ist keineswegs eine Besonderheit der gbs, wie sich leicht zeigen lässt: So referiere ich als vermeintlicher "Chef-Atheist Deutschlands" regelmäßig auf Veranstaltungen der evangelischen oder katholischen Kirche, was natürlich keineswegs bedeutet, dass die Verantwortlichen der Großkirchen meine humanistisch-naturalistischen Überzeugungen teilen würden. Kurzum: Bei der in Antifa-Kreisen verbreiteten Denkfigur “Referent X spricht auf der Veranstaltung von Organisation Y, also teilt Organisation Y die Ansichten von Referent X” handelt es sich um einen logischen Fehlschluss, der zu dramatisch falschen Einschätzungen führen kann. Der Antifa-Bericht zur Veranstaltung der gbs-Regionalgruppe Frankfurt ist hierfür ein gutes Beispiel.

Fazit: Wer ausgerechnet der Giordano-Bruno-Stiftung rechtes Gedankengut unterstellt, weiß offenkundig nicht, wovon er spricht. Denn wie kaum eine andere Institution in Deutschland wenden wir uns gegen rechte Gruppenideologien jeglicher Couleur. Chauvinisten findet man leider in nahezu jedem Lager, nicht nur bei Deutschnationalen, sondern auch bei fundamentalistischen Christen, Muslimen, Hindus etc.

Daher wäre es fatal, wenn Antifaschisten die Realität des islamischen Faschismus (siehe IS, Saudi-Arabien, Iran etc.) verdrängen würden. Auch wenn die meisten Muslime in Europa faschistoide Interpretationen ihrer Religion ablehnen, findet der islamische Totalitarismus weltweit noch immer sehr viel mehr Anhänger als der islamische Humanismus.

Man muss dieses Problem zur Kenntnis nehmen, um es gemeinsam mit liberalen, humanistisch gesinnten Muslimen lösen zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schmidt-Salomon