Deutschland deine Kinder (23)

"Von Jetzt an kein Zurück"

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2015: Kinostart "Von jetzt an kein zurück"
2015: Kinostart "Von jetzt an kein zurück"

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"Martin"- Anton Spieker, "Ruby" - Victoria Schulz
"Martin"- Anton Spieker, "Ruby" - Victoria Schulz

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1966 Rugbys Eltern, Mutter Ursula Ofner, Ben Becker, Vater und Haushaltsvorstand
1966  Rugbys Eltern, Mutter Ursula Ofner, Ben Becker, Vater und Haushaltsvorstand

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1966 - Gegen den Willen des Vaters
1966 - Gegen den Willen des Vaters

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1966: Ruby im katholischen Heim bei den "Barmherzigen Schwestern"
1966: Ruby im katholischen Heim bei den "Barmherzigen Schwestern"

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1966 und weitere Jahre: Fürsorgeerziehung Freistatt - Jugendliche auf dem Weg zur Arbeit ins Moor
1966 und weitere Jahre: Fürsorgeerziehung Freistatt - Jugendliche auf dem Weg zur Arbeit ins Moor

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Regie und Drehbuch: Christian Frosch
Regie und Drehbuch: Christian Frosch

BERLIN. (hpd) Ein Spielfilm sagen die einen, andere Drama oder Melodrama. Der Film führt in die 60er Jahre, beginnt 1968 in einer Provinzstadt im Irgendwo der noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Dieser Bericht bezieht sich auf die Premiere in Berlin und den Film an sich.

Die Voranmeldungen zur Premiere überstiegen die Erwartungen der Produzenten und des Verleihs. Ein größerer Saal musste angemietet werden. Auch da reichten die Plätze reichten nicht aus, so wurden aus dem Foyer weitere bequeme Sitzmöbel in den Saal gezogen und standen für spät kommende Gäste bereit. Zu ihnen gehörte Ben Becker, er blieb zurückhaltend und erst pragmatisch auf der Treppe sitzen. An Reaktionen von 20- bis 30-jährigen Gästen wurde gleich zu Beginn der Vorführung deutlich, wie fremd ihnen die Lebenswirklichkeit ihrer Eltern- und Großeltern-Generation geworden ist.

Vorangestellt ein Satz aus der Bibel, die Sprüche Salomons, 13.24: "Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten." Im Volksmund: "Wer sein Kind liebt, der züchtigt es." Und einen Satz aus dem Munde der "Omi": "Die sind alle bekloppt."

Die Handlung

Teil 1: Der Film zeigt zwei Familien, sie leben in sauber aufgereihten Siedlungshäusern, sozusagen nur einen Häuserblock von einander entfernt.

Da gibt es Martin. Er lebt mit seinem Vater, 1922 geboren, und dessen Mutter, also Martins "Omi" in einem Haushalt. Der Vater ist alleinerziehend, kriegstraumatisiert und bekommt eine Invalidenrente. Er ist evangelisch. Die drei Generationen leben in einer Art kumpelhaften Verhältnis und tolerieren einander. Der begabte Martin rebelliert im Klassenzimmer gegen Biederkeit und die sogenannte Anständigkeit. Die Schulleitung ermahnt, dennoch wird er von der Schule verwiesen und über das Amtshilfeverfahren des Jugendamtes gegen den Willen des Vaters in das Erziehungsheim der Diakonie in Freistatt eingeliefert. Dafür fährt ein Polizeiwagen vor und übernimmt diesen Akt.

Die katholische Familie, Vater, Mutter und zwei Töchter funktioniert nach traditionellen Regeln. Der Vater arbeitet, die Mutter hat zu Hause zu bleiben.

Ruby, die älteste Tochter, als Rosemarie getauft und so gerufen, spielt neben Martin die zweite Hauptrolle. Rubys Vater liebt seine Tochter, ihre Stimme im Kirchenchor zu hören macht ihn stolz. Er befindet sich in einer Doppelrolle. Er spricht sich die Verantwortung zu, auf Rosemarie aufzupassen, damit sie “anständig” bleibt. Ruby setzt sich mit kurzen Rock dagegen zur Wehr, hört Beat-Musik, arbeitet heimlich, nachdem der Vater sie gegen ihren Willen vom Gymnasium abgemeldet hat, in einem Plattenladen. Ruby voll der Musik, der Rebellion gegen Macht und Rechte der Eltern.

Ruby und Martin, Nachbarskinder, treffen sich im Aufbruch gegen den Anspruch der Institutionen, gegen Unterdrückung. Neben der Zuneigung zueinander ist das die Verbindung der beiden. Liebe kann ein Wort dafür sein. Der Film zeigt gemeinsam erlebte Freude und vorsichtige Annäherung.

"Bist Du Jungfrau, ich will es wissen, bist Du Jungfrau….?" ein Schrei des Vaters an Ruby, versteckt die Frage: "bringst Du Schande über die Familie?" Ebenso drückt sich seine Gewalttätigkeit aus, seine Doppelrolle, Ruby zurückzubringen, "anständig", "jungfräulich" und mit dieser Ehre, Ehefrau zu werden.

Die Eltern "überstellen" durch das Jugendamt ihre Tochter der geschlossenen Erziehungseinrichtung, dem katholischen Heim "Bei den Barmherzigen Schwestern". Der Grund: Verwahrlosigkeit.

Ruby wird ebenso wie Martin über den Polizei-Apparat in das Heim transportiert. Der Vater weint, die Mutter von Ruby ist am Fenster des elterlichen Schlafzimmers zu sehen, sie öffnet den Knoten ihrer bisher gezähmten Haarpracht. Das Leben nimmt seinen Lauf. Es ist ein Film, der kein Beichtgeheimnis bewahrt, er offenbart dieses.

Teil 2: In dem katholischen Erziehungsheim für Mädchen herrscht Mutter Benedikta und ihre "Schwestern". In "Freistatt", dem evangelischen Heim der Diakonie, spricht die Führung sich mit "Bruder" und "Vater" an. Gezeigt werden Facetten im Mädchen-Heim, weibliche Freundschaften. Im Gegensatz dazu spezifisch männliche "Jungs"-Rituale.

Die zur Besserung in die Heime weg gesperrten Jugendlichen, hören nicht auf, sich gegen den Machtapparat zur Wehr zu setzen. Die Unbarmherzigkeit von Menschen, die selber meinen, dass sie religiös einem Gott zu dienen haben und in seinem Sinne handeln, setzen sich selbst den Jugendlichen gegenüber an die Stelle ihres vermeintlichen Gottes. Verachtend, perfide und gewalttätig setzen sie ihre Macht um zu quälen, zu drangsalieren.

Teil 3: Deutschland 1977 - Ruby und Martin, aufgrund ihrer Volljährigkeit sind sie aus der Heimerziehung entlassen, aber nicht befreit davon.

Prolog

Geschehen ist dieser Missbrauch in Einrichtungen, unter der Prämisse "Lobet den Herren". Christian Frosch, Drehbuch und Regie sagt: "Von Anfang an war klar, die Vorgänge im Heim müssen authentisch erzählt werden. Erfindungen und Übertreibungen verbieten sich."

Ein Film für Zweifler. Weil … das, was man sieht, das möchte man nicht wahrhaben. Die Bilder scheinen zu bestechen – wollen sagen, das ist doch "nur" ein Film. Die Bilder sind so gut, die Schauspieler sind so gut., der Schnitt, die Geschichte wird so klar erzählt, die Verursacher und Leidensgeber bemitleiden sich selber.

Der Film ist so unerträglich, man kann nicht wegsehen. Ein sehenswerter Film.

Victoria Schulz wurde auf dem Internationalen Filmfest Oldenburg 2014 für ihre "eindringliche schauspielerische Leistung" als Ruby mit dem "Seymour Cassel Award" für die besten Schauspielerin ausgezeichnet.

 


Von jetzt an kein Zurück, Regie: Christian Frosch, Deutschland/Österreich 2014, 108 Minuten, Farbe Schwarzweiß, Deutscher Kinostart: 12. März 2015

 

Trailer
Offizielle Homepage

Kino-Zeit mit Bildern Trailer und Text

Christian Froschs neuer Spielfilm "Von jetzt an kein Zurück" war am 10. Februar 2015 im Rahmen der LOAL Vornominierungen auf der Berlinale zu sehen.

Frank Amann, Kamera

Darsteller:
Victoria Schulz - Ruby
Anton Spieker - Martin
Ben Becker - Rubys Vater
Ursula Ofner - Rubys Mutter
Thorsten Märten - Martins Vater
Helga Boettiger - "Omi"
Timo Hillebrand - Harry
Ivo Kortlang - Xaver
Michael Prelle - Direktor Newald
Kirsten Hildisch - Deutschlehrerin
Andreas Seifert - Priester
Ernie Mangold - "Mutter" Benedikta
Wallfriede Schmitt - "Schwester" Agathe
Cora Frost - "Schwester" Martha
Axel Olsson - Hausvater
Kristof Gerega - Bruder Udolf
Markus Hering  - Bruder Rossmann
Jan Breustedt- Kapo Horst
Tim-Daniel Drexler - Kapo Knut
Niklas Löffler - Kapo Uwe
Peter Meinhardt - Arzt
Thomas Birklein - Einarmiger Lieferant
Eva Maria Jost - Gisela
Nell Pietrzyk - Susanne
Malika Ziouech - Plattenverkäuferin
Jost Hering - Fürsorgebeamter
Eva Reichle - Katja 13
Helen Woigk - Katja 19

Produzent: Jost Hering (Jost Hering Filme), Co- Produzenten: Viktoria Salcher, Mathas Forberg (Prisma Film, Wien) mit Unterstützung von Cine+ und weltfilm

Förderer:
Hamburg/SWH Nordmedia BKM DFFF ÖFI Niederösterreich Kultur
Drehbuchentwicklung unterstützt durch EQUINOXE GERMANE