Ein paar grundsätzliche Gedanken zu Freihandelsabkommen

TTIP – Abgesang auf ein Monster?

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BERLIN. (hpd) Nach der beeindruckenden Demonstration am 10. Oktober 2015 in Berlin gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA möchte man nur noch mit einer optimistischen und positiven Grundhaltung gemeinsam mit dem Popsänger Andreas Bourani sein Glas erheben und sagen: "Auf Uns!" Doch sind wir noch lange nicht am Ziel angelangt.

Uns stehen noch einige Jahre des Widerstands bevor, um diese Freihandelsabkommen zu stoppen. Üblicherweise dauern die Verhandlungen über Freihandelsabkommen vier bis sechs Jahre. Bei CETA waren es Sieben und es ist noch nicht ratifiziert. TTIP wird erst seit gut zwei Jahren verhandelt, so dass die Demonstration nur der vorläufige Höhepunkt einer breiten Widerstandsbewegung gewesen sein darf. Die vor uns liegende Wegstrecke ist noch sehr lang. Die Hauptaussage des Liedes von Andreas Bourani lautet auch, dass "Aufgeben" keine Lösung ist!

Dieses Lied hat die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien auf dem Weg zum Sieg begleitet. Wir sollten es auch zu unserer Hymne des gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Widerstands gegen undemokratische Handelsverträge machen!

Eigentlich ist schon alles zu den geplanten Abkommen irgendwann und irgendwo gesagt oder geschrieben worden, so dass es schwierig ist, einen originellen Beitrag zu liefern. In dieser Informationsmenge wurden jedoch Köder wie das Chlor-Hühnchen ausgelegt, die all jene auf eine falsche Fährte locken sollen, die sich nicht hauptamtlich mit dem Thema befassen. Deshalb versuche ich hier die Spreu vom Weizen zu trennen und das Augenmerk auf die wesentlichen Aspekte von TTIP sowie der anderen Freihandelsabkommen zu lenken.

Geheimdiplomatie im 21-sten Jahrhundert

Geheimverträge dienten in der Vergangenheit häufig dazu, einen bestehenden Rechtszustand zwischen Staaten zu stören oder zu beseitigen und hatten fatale Auswirkungen. Grundsätzlich verbietet das Völkerrecht auch heute keine Geheimverträge. Aber in der Charta der Vereinten Nationen ist festgelegt, dass alle völkerrechtlichen Verträge bei den Vereinten Nationen angezeigt werden müssen, um von diesen und dem Internationalen Gerichtshof geprüft zu werden.

Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP), ist ein aktuell verhandeltes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union und den USA. (Wikipedia)

Das Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA (dt. Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen, auch als Canada – EU Trade Agreement gelesen) ist ein verhandeltes aber noch nicht ratifiziertes europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen.

Das Trade in Services Agreement (TISA; deutsch Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) ist eine in Verhandlung befindliche Sammlung von Vereinbarungen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen 23 Parteien einschließlich der USA und der Europäischen Union. Das TISA-Abkommen soll weltweit Dienstleistungen liberalisieren.

Geheimdiplomatie ist der Weg hin zu Geheimverträgen, dokumentiert den Ausschluss der Bevölkerung von Entscheidungen - deren Folgen sie jedoch tragen müssen - und betreibt oft das Gegenteil des von den Verhandlungspartnern öffentlich Behaupteten. Sie passt nicht in unsere Zeit und bringt eine Demokratie in Verlegenheit, die auf den öffentlichen Diskurs der öffentlichen Angelegenheiten durch kundige und verständige Bürger setzt.

Wenn aber das Ergebnis der Geheimverhandlungen von völkerrechtlichen Vereinbarungen nicht geheim gehalten werden kann, dann muss man sich doch die Frage stellen, welchen Sinn diese Geheimdiplomatie hat. Offensichtlich soll der Souverän, sprich die Bürgerinnen und Bürger, und deren RepräsentantInnen, also die Abgeordneten, vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Was den Parlamenten dann noch bleibt, ist entweder zuzustimmen oder abzulehnen.

Nach allem was man hört führen TTIP, CETA und TISA zum Abbau demokratischer Rechte – darauf werden wir später noch zurückkommen. Kein Wunder also, dass diese Verhandlungen so geheim wie möglich vor sich gehen sollen. Vor allem überzeugte Europäer müssen sich bei der hier zu beobachtenden Verselbständigung der Brüsseler Bürokratie in ihrer Forderung nach mehr Demokratie in der Europäischen Gemeinschaft bestärkt fühlen!

Schon allein aufgrund der skandalösen Art und Weise, wie die o.g. Freihandelsabkommen verhandelt wurden und werden, sollten sie von den Parlamenten abgelehnt werden. Mit der Ratifizierung von in Hinterzimmern ausgehandelten Vereinbarungen würden die Parlamente auch den skandalösen Verhandlungsprozess abnicken und ihrer eigenen Entmündigung zustimmen.

Das Chlor-Hühnchen

Unter anderem das viel zitierte Chlor-Hühnchen muss nun dazu herhalten, die USA in den Augen der europäischen Öffentlichkeit zu Zugeständnissen zu bewegen, die dann als Erfolg "knallharter Verhandlungen" gefeiert werden. Das Chlor-Hühnchen ist aber nur ein Köder, um die Aufmerksamkeit der Kritiker von anderen Regelungen des TTIP-Vertrages abzulenken.

Es geht auch nicht um Arbeitsplätze. Denn wenn infolge TTIP/CETA in Europa Arbeitsplätze entstehen würden, müssten sie in den USA/Kanada wegfallen, und vice versa. Oder an einem anderen Ort der Welt, wenn wir Handelsverträge auf ihre globale Wirkung hin betrachten. Dass durch diese Handelsabkommen Arbeitsplätze entstehen, die zuvor an anderen Orten nicht bereits existierten, ist von den Befürwortern nicht belegt worden.

In Wirklichkeit geht es um die Einführung von Konsultationsverfahren, die als intransparente Verfahren die Demokratie und den Rechtsstaat aushöhlen. Durch "living agreements" werden politische Gestaltungsmöglichkeiten und die Gesetzgebung auf eine Ebene verlagert, wo sie nur noch eingeschränkt durch das Parlament und die Öffentlichkeit beeinflusst werden können.

Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat durch TTIP

Mit dem Instrument der Regulatorischen Kooperation soll ein sogenanntes Frühwarnsystem eingerichtet werden, bei dem die Vertragspartner sich schon in einer sehr frühen Phase über geplante handelsrelevante Maßnahmen gegenseitig informieren müssen. Außerdem soll ein Beschwerdemechanismus zu den geplanten Regulierungsmaßnahmen definiert und Analysen bezüglich der Auswirkungen auf den Handel erstellt werden. Lobbyisten betroffener Unternehmen sollen zu geplanten handelsrelevanten Maßnahmen konsultiert werden. Diesen Prozess koordiniert dann ein transatlantischer Regulierungsrat.