Wenn eine Heimleitung freiwillige Helfer denunziert

"Ich fühlte mich so allein gelassen."

Gespräche mit der Präventionsbeauftragten der Polizei, mit Mitarbeitern vom Opferschutz der Polizei, mit der “Zentrale für Gewalt gegen Frauen” (BIG) und Leitungen anderer Flüchtlingsheime bestätigte den freiwilligen Helfern, die die junge Afghanin vor ihrem Mann in Schutz nahmen, dass diese völlig korrekt gehandelt haben. Es wurde gemeinsam entschieden, den Bewohnern des Flüchtlingsheimes in der Winsstraße noch einmal die Rolle der freiwilligen Helfer und des Dolmetschers deutlich zu machen, damit diese nicht denken, dass eine Frau als “ehrlose” böse Europäerin die junge Afghanin dazu gebracht hätte, ihren Mann zu verlassen. (Die “Schändung der Familienehre” ist in vielen Kulturen Grund zu grausamer Rache.) Es sollte damit ein klares Signal gesetzt werden, dass diese Entscheidung hierzulande als gesellschaftlich legitim gilt und vom Staat unterstützt wird. Es sollte klargestellt werden, dass das deutsche Recht den Schutz von Frauen vor Gewalt vorsieht.

Das Versagen der Heimleitung

Statt sich jedoch zu einer solchen Aufklärung bereit zu zeigen, verhängte die Heimleitung ein sofortiges Hausverbot für die beiden freiwilligen Helfer. Damit wurde wissentlich in Kauf genommen, dass der verlassene Ehemann und etliche der Heimbewohner die freiwilligen Helfer als “Schuldige” ansahen; Schuld daran, die “Familienehre” des Mannes verletzt zu haben. Und das kann für die “Schuldigen” lebensgefährlich werden.

Wie gefährlich zeigt sich in der weiteren Entwicklung: Am vergangenen Sonntag bekam die Dolmetscherin auf ihrem privaten Telefon einen Anruf aus Afghanistan. Es war der Ehemann der geschlagenen Frau, der sich bereits wieder in Afghanistan aufhielt, der: “dringend seine Frau sprechen [müsse], er hätte ihr etwas zu sagen.” Auf die Frage nach seiner Frau habe “die Heimleiterin mir gesagt, sie wisse überhaupt nichts, sie habe damit nichts zu tun.” Es sei allein die “Schuld” der freiwilligen Helfer, dass seine Frau nicht bei ihm sei.

Man kann davon ausgehen, dass die Telefonnummer von der offenbar überforderten Heimleiterin weitergegebenen wurde, weil sie sich nicht mit dem aggressiven Mann auseinander setzen wollte. Damit wurden nicht nur jegliche Abmachungen boykottiert und gegen den erklärten Willen der staatlichen Stellen gehandelt, die deutlich machen wollten, dass der Schutz der Frau vor der Gewalt durch ihren Ehemann ein gesellschaftliches Anliegen ist; viel schlimmer noch wurden die freiwilligen Helfer (und deren Familie) der Gefahr ausgesetzt, Opfer des Mannes (oder seiner Verwandten) zu werden.

Die Betroffenen fordern vom Trägers des Heimes, dem “Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V.” mindestens eine Entschuldigung. Besser wäre jedoch eine offen geführte Aussprache, personelle Konsequenzen wegen des grob fahrlässigen und konsequent destruktiven Handelns der Heimleiterin sowie eine Rücknahme des Hausverbotes.

Kein Einzelfall

Leider sind die geschilderten Zustände: die völlige Überforderung der staatlichen Stellen, der Träger der Einrichtungen, des Sicherheitspersonals und auch der freiwilligen Helfer, kein Einzelfall. Immer wieder erfährt man von Gewalt gegen Flüchtlinge, von den unhaltbaren Zuständen im Lageso. Ohne die hervorragende Vernetzung der freiwilligen Helfer untereinander, die oft genug mitten in der Nacht noch helfen, wenn die Umstände das nötig machen, wäre das gesamte System bereits auseinander gebrochen. Der Berliner Senat ist anscheinend außerstande, mit den vielen Flüchtlingen umzugehen.

Helfer berichten, dass manche Flüchtlinge bereits 5 bis 6 Stationen in Flüchtlingsheimen verschiedener Städte hinter sich gebracht haben. Ein Flüchtling zum Beispiel wurde erstmals in München untergebracht, dann über Rostock und Schwerin nach Berlin verfrachtet. Jeweils in provisorischen Unterkünften untergebracht hat er bis heute noch keinen Asylantrag stellen können; obwohl er sich bereits seit gut 2 Monaten in Deutschland aufhält.

Zudem versagt das System auch deshalb, weil Flüchtlinge in verschiedene Kategorien eingeteilt werden: Syrische Flüchtlinge werden bevorzugt behandelt (was mehr als verständlich ist), aber mit afghanischen zusammen in Unterkünften untergebracht. Das führt immer wieder zu Spannungen und Gewalt zwischen den Flüchtlingsgruppen, da – dem Innenminister sei Dank – die Afghanen mit der Abschiebung rechnen müssen, seit ihr Heimatland als “sicher” eingestuft wurde; was die Flüchtlingen nicht verstehen, herrscht dort doch noch immer Bürgerkrieg (und ist dort sogar auch die Bundeswehr noch stationiert).

Es fehlt ein “Runder Tisch”, an dem offen und ohne Beschönigung miteinander lösungsorientiert gestritten wird. Es müssen sich endlich Ausländerbeauftragte, Sicherheitsbehörden, Frauen- und Kinderhilfsdienste, die Träger der Flüchtlingsheime und Flüchtlingshilfevereine an einen Tisch setzen. Schon allein, um zukünftig zu verhindern, dass eine überforderte Heimleiterin das Leben von freiwilligen Helfern gefährdet.