Der Elitenforscher und Soziologe Michael Hartmann problematisiert in seinem Buch "Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden" die gesellschaftlichen Folgen von sozialer Exklusivität der Mächtigen im Lande. Was zunächst wie ein Diskursbeitrag zum Populismus klingt, kann sich auf fundierte sozialwissenschaftliche Studien stützen – und geht einher mit beachtenswerten politischen Warnungen.
"Die Eliten kennen nicht mehr die Lebenswelt des Volkes" – auf derartige Aussagen bezogene Diskurse prägen den anwachsenden Populismus. Handelt es sich hierbei aber nur um ein kursierendes Eliten-Bashing, das gerade die Lufthoheit über den Stammtischen dominiert? Allzu schnell sollte man diese Frage nicht bejahen, denn so platt derartige Bekundungen sind, entsprechen sie doch nicht selten der sozialen Wirklichkeit. Darauf macht der Soziologe Michael Hartmann in seinem Buch "Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden" aufmerksam. Auch wenn der gewählte Titel eine oberflächliche Wutschrift erwarten lässt, handelt es sich doch um eine faktengestützte Abhandlung zum genannten Thema. Das hat mit dem vorherigen Beruf von Hartmann zu tun, war er doch lange Jahre Professor für Soziologie an der TU Darmstadt und hatte sich auf die kritische Elitenforschung als Schwerpunktthema konzentriert. Dabei entstand eine Fülle von eindrucksvollen Studien, die auch international vergleichend angelegt waren.
Sein neues Buch bilanziert deren Ergebnisse im Lichte der erwähnten Problematik. Bereits in der Einleitung formuliert Hartmann als zentrale These: "Die Eliten sind in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Probleme zu erkennen und die Folgen ihrer Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen" (S. 9). Zur Elite gehören für Hartmann nicht Prominente und Reiche, sondern nur die Personen, die etwa in Politik und Wirtschaft reale Macht ausüben können. Der Autor blickt zunächst auf die soziale Herkunft und stellt fest, dass sie dadurch in Einstellung und Habitus geprägt sind und entsprechend denken und handeln. Daraus folgt: "Die Eliten in den großen westlichen Industriestaaten sind überwiegend sozial exklusiv und homogen." Deren Haltung "zu sozialer Ungleichheit und neoliberaler Politik wird entscheidend durch ihre soziale Herkunft geprägt" (S. 29).
Der Blick nach Großbritannien und den USA zeige, dass dort Politiker aus der Upperclass Politik für die Upperclass machen würden. Als deren gesellschaftliche Folge stiegen die sozialen Unterschiede an. Dabei handele es sich um ein internationales Phänomen, das eben auch für Deutschland konstatiert werden könne. Einher gehe damit eine besondere Deutung, welche der eigenen Interessenlage entspreche: kriminelle Finanztricks werden legitimiert, Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachtet, Steuerforderungen als staatlicher Raubzug diffamiert. Damit lebe die Elite mental und sozial in ihrem eigenen Kosmos. Hartmann erklärt sich dadurch auch den Rechtspopulismus, der damit eingehenden Unmut aufgreife. Als Alternative fordert er eine Politik jenseits des Neoliberalismus und eine Orientierung am Schlüsselwort der "sozialen Gerechtigkeit". Dazu heißt es bezogen auf Konsequenzen: "Die Veränderung der Labour Party unter Jeremy Corbyn zeigt, wie eine solche Wende inhaltlich und personell aussehen müsste" (S. 249).
Auch wenn manche Aussage von Hartmann wie aus dem populistischen Diskurs klingen mag, meint er es weder inhaltlich noch politisch so. Mit der Berufung auf eine Fülle von eigenen und anderen sozialwissenschaftlichen Studien macht der Autor deutlich, dass nicht wenige gesellschaftlichen Probleme mit der sozialen Exklusivität der mächtigen Eliten zusammenhängen. Gerade deren Abgeschlossenheit wird als Problem ausgemacht, ist doch auch Deutschland mehr eine Eliten- und weniger eine Leistungsgesellschaft. Mitunter neigt Hartmann aber auch zu Vereinfachungen. So hat der Aufstieg des Rechtspopulismus zwar auch etwas mit der Abgehobenheit von mächtigen Eliten und der Anstieg von sozialer Ungleichheit zu tun, lässt sich aber angesichts von noch anderen Bedingungsfaktoren allein oder primär nicht darauf zurückführen. Auch stellt sich die Frage nach den politischen Alternativen noch genauer, wenngleich Antworten darauf nicht die Aufgabe eines Soziologen sein müssen. Insgesamt handelt es sich gleichwohl um eine beachtenswerte Studie.
Michael Hartmann, Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden, Frankfurt/M. 2018 (Campus-Verlag), 276 S., ISBN 9783593509280, 19,95 Euro
17 Kommentare
Kommentare
Jürgen Hinrichs am Permanenter Link
Moin,
Viele Grüße
Stefan Dewald am Permanenter Link
JA! Ich stimme Ihnen zu.
Golf spielen ist keine Geselligkeit der Eileiter … (upps) Eliten, sonder ein Freizeitvergnügen, dass jedermensch auch vor Ort ausprobieren kann. Suchtipp: Natural Born Golfers
Ich wünsche ernsthaft — viel Spaß mit dieser Erfahrung.
Der Stefan!
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Die Eliten kennen nicht mehr die Lebenswelt des Volkes" - haben sie die je wirklich gekannt, gar kennen wollen? Ich denke, nein.
John am Permanenter Link
Auch interessant war das Gespräch mit M. Hartmann zum "Kampfbegriff Elite" am 3.5.2017 bei 3-Sat Kulturzeit:
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=66369
In D finden sich die Bürger auf den vom Steuerzahler mit unnötig hohen Finanzhilfen kontrollierten Privatschulen wieder. z.B. diesen Eliteschulen, über die 3-sat am 3.5.2017 ebenfalls informierte.
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=66367
Rudi Knoth am Permanenter Link
Wie ist dies denn mit den Medien? Ich denke da zum Beispiel an Jakob Augstein, der für ein multikulturelles auch den Sozialstaat in der jetzigen Form aufgeben will.
Habnix am Permanenter Link
Das Multikulturelle lässt sich prima als billige Arbeitskraft ausnutzen und das selbst, wenn er als Deutscher im Personalausweis geführt wird.
rainerB. am Permanenter Link
Glückwunsch Herr Rezensent! Sind Sie doch nach ca. 2 Jahren und zahlreichen Rezensionen zum Thema des sog. "Rechtpopulismus" nun doch bei den eigentlichen Ursachen angelangt.
Sie fanden es aber stets interessanter, propagandistische Populismus-Definitionen auf dem hpd nachzuplappern, wie z.B. 'Populisten würden einen Gegensatz zw. Volk und einer Elite konstruieren' - als ob es diesen gar nicht gäbe...
Und auch jetzt wollen Sie die Hauptursache immer noch bestreiten: "Mitunter neigt Hartmann aber auch zu Vereinfachungen. So hat der Aufstieg des Rechtspopulismus zwar auch etwas mit der Abgehobenheit von mächtigen Eliten und der Anstieg von sozialer Ungleichheit zu tun, lässt sich aber angesichts von noch anderen Bedingungsfaktoren allein oder primär nicht darauf zurückführen." Nicht primär??
Da frage ich mich, welche "anderen Bedingungsfaktoren" es stattdessen sein sollen?? Der "Aufstieg des Rechtspopulismus" hat sehr wohl primär mit wachsender soz. Ungleichheit zu tun, denn diese verschafft ihm überhaupt erst die massenwirksame Klientel, ohne die Rechtsautoritäre über einen begrenzten Einfluss nicht hinauskommen würden!
Es ist ein Armutszeugnis für den hpd, bzgl. "Populismus"-Diskussionen über zwei Jahre hinweg nicht aus einem parteienbezogenen Links-Rechts-Schema und polit. Korrektheit herausgefunden zu haben!
Und auch mit dieser Rezension sind Sie leider sehr spät am Thema "Wie die Eliten die Demokratie gefährden", denn schon im April hat Paul Schreyer fast gleichlautend getitelt: "Die Angst der Eliten - Wer fürchtet die Demokratie?" und aus demokratischer Sicht tiefgründig beantwortet.
Bleibt nur zu hoffen, dass nun auch der hpd wegkommt vom nicht zielführenden 'Populisten wollen die Demokratie abschaffen' und endlich erkennt, dass große Teile der etablierten Eliten in DE wie auch der EU schon seit Jahren mit nichts Geringerem beschäftigt sind!
malte am Permanenter Link
Das Problem mit dem Eliten-Begriff der Rechtspopulisten ist doch, dass hier gar nicht real existierende Eliten angegriffen werden, sondern der politische Gegner einfach willkürlich als Elite definiert wird.
rainerB. am Permanenter Link
@malte: "...dass hier gar nicht real existierende Eliten angegriffen werden, sondern der politische Gegner einfach willkürlich als Elite definiert wird." Was soll denn dieser verquere Satz, bitte?
Eliten existieren real und sind die Herrschenden, womit sie für Oppositionelle logischerweise immer den politischen Gegner darstellen und von diesen auch angegriffen werden. Was soll daran "willkürlich sein"? Dieser Zusammenhang ergibt sich einfach zwingend aus gegensätzlichen politischen Zielstellungen (s. Ungarn, Italien gg. die EU-Politik betreibenden Eliten).
Vielmehr wird der Begriff Populisten willkürlich auf politische Gegner angewendet, ohne dass dies (im Gegensatz zu 'Eliten')
auf alle zutreffend ist, also ohne dass sog. Populisten meist tatsächlich existieren.
malte am Permanenter Link
Was ist daran verquer? Rechtspopulisten behaupten einfach gerne, gegen Eliten anzukämpfen, weil sich das besser anfühlt und sie die Menschen dadurch emotional ansprechen können.
Wenn Rechtspopulisten von "Eliten" sprechen, sind damit nicht real existierende Eliten - also Menschen, die reale Macht ausüben - gemeint, sondern ein bestimmtes kulturelles Millieu. In diesem Weltbild, auf das der Begriff "verquer" tatsächlich passt, gehört ein Mensch, der in einer Großstadt lebt, in einem prekären Job in der Medienbranche arbeitet, morgens Soja-Latte trinkt und schon mal gehört hat, was das Wort "Gender" bedeutet, angeblich zu den Eliten, während der Kleinunternehmer aus dem Vorort, der zwei Autos in der Garage stehen hat und jeden Samstag im Schützenverein vorbeischaut, angeblich "den kleinen Mann auf der Straße" darstellt. Siehe auch den Text "Wer Elite ist, bestimmen wir" von Bernhard Torsch in konkret 1/17.
rainerB. am Permanenter Link
Ihre Fixierung auf dem Thema "Rechtpopulismus" bei der Diskussion um Eliten zeigt für mich wieder das eigentliche Problem zeitgemäßer Kritik, nämlich das Unmöglichmachen einer solchen durch den ständigen Bez
Ihre voreingenommene Sichtweise scheint ja auch der Rezensent zu pflegen, wenn er schreibt: "Auch wenn der gewählte Titel eine oberflächliche Wutschrift erwarten lässt..." "Auch wenn manche Aussage von Hartmann wie aus dem populistischen Diskurs klingen mag..." Das zeigt doch, dass im liberalen bis linksliberalen Mainstream Elitenkritik bisher stets als angbl. populismuslastig angesehen wurde, und man kein Wasser auf diesen leiten möchte. Diese auch wohl Ihre Haltung ist m.E. das Grundübel, welches eine breite antineoliberale Diskussion verhindert, weil sie jede berechtigte und notwendige Kritik als "populistisch" diffamiert. Dabei ist der Neoliberalismus eine besonders stark ausgeprägte Elitenherrschaft.
Ausführungen zum völlig fragwürdigen Populismusbegriff als Kampfbegriff im dt.-sprachigen Raum unterlasse ich hier, auch wenn durch diese m.E. Ihr Standpunkt noch fragwürdiger würde.
malte am Permanenter Link
Mit seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber der "Elitenkritik" liegt Herr Pfahl-Traughber meiner Meinung nach durchaus richtig.
rainerB. am Permanenter Link
"Wenn sich eine politische Diskussion auf die Eliten fixiert, bedeutet das in der Regel eine Verlagerung von der (richtigen) Suche nach den Ursachen von Problemen auf die moralistische Suche nach "Schuldigen
M.E. muss eine Suche nach Ursachen die Benennung von Verantwortlichen (Schuldigen) beinhalten, weil beides i.d.R. ja zusammenfällt, und Kritik sonst wenig Sinn ergebe. Politik wird von physischen Menschen gemacht bzw. beeinflusst, und zwar maßgeblich von Eliten in Machtpositionen und nicht von unpersönlichen "gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen"! Strukturen sind vielmehr das Ergebnis des Wirkens von Eliten. D.h. die Ursachen können nur bei Eliten gefunden werden, welche ständig versuchen, diese Strukturen zu ihrem Vorteil zu optimieren bzw. zu verteidigen, wie z.B. die Eigentums- u. Vermögensverhältnisse. Insofern ist es m.E. eben keine Fehlinterpretation, wenn "gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen [...] als perfider Plan und böser Wille einzelner Akteure" dargestellt wird, weil dies oft genug zutreffend ist, wie bei jeder größeren Eigennutzmehrung auf Kosten der Allgemeinheit.
Als Illustration empfehle ich das neue Buch von Norbert Häring 'Schönes neues Geld', worin dieser die einzelnen, planmäßig vorgehenden Akteure bzgl. Zurückdrängung des Bargeldes beim Namen nennen kann und auch muss, um zu zeigen, was und wie seitens von Eliten zum Nachteil der Allgemeinheit gespielt wird. Wenn man Härings Analyse dieses einen Themas auf sämtliche Politikbereiche hochrechnet, wird man m.E. nur schwerlich eine "grundsätzliche Skepsis gegenüber Elitenkritik" weiterpflegen können. Zumal eine solche nicht hilft Ursachen zu finden, sondern dies geradezu verhindert.
Wie im Fall des Rezensenten, welcher in seinen vielzahligen Buchvorstellungen zum sog. "Rechtspopulismus" ein Symptom breittritt, statt sich mal Literatur zu zuwenden, welche die wirklichen (neoliberalen) Ursachen jenseits des sog. Populismus behandelt. Aber Bücher wie Stegemanns 'Das Gespenst des Populismus' oder Schreyers 'Angst der Eliten' scheint er nicht kennen zu wollen, weil die vermutlich seinem Anti-Populismusweltbild nicht entsprechen. Er wird erst jetzt durch mehr und mehr solcher Bücher wie das obige von Hartmann, gewissermaßen gezwungen, sich auch bei Rezensionen dem Befund zu stellen, dass das Wählerpotential des sog. "Rechtspopulismus" Symptom ist, und nicht Ursache!
Und mit welch widerstrebender Grundhaltung er das macht, verrät seine Sprache: "eine oberflächliche Wutschrift erwarten lässt", "wie aus dem populistischen Diskurs klingen mag". Genau das scheinen nämlich seine (Vor)Urteile über Bücher mit Thema Elitenkritik zu sein.
Reinhard R. Weth am Permanenter Link
rainerB meint, sein offenkundig pupulistisch-rechtslastiges, besserwisserisches und damit ungenießbares Süppchen ausgerechnet auf der Herdplatte dieses die Objektivität hochhaltenden Rezensenten kochen zu dürfen...
rainerB. am Permanenter Link
Danke Herr Weth, dass Sie exemplarisch in aller Ausführlichkeit meine Kritik bestätigen!
"Solange derartige Zeitgenossen glauben, mit "system-" und "elitekritischen" Beiträgen der vorliegenden Art ihre an den Nationalsozialismus zumindest erinnernden Ansichten untermauern zu dürfen" - ist exakt die von mir kritisierte Haltung, System- u. Elitenkritik generell unter "Populismus"verdacht zu stellen, ohne die Argumente überhaupt näher zu prüfen. Und die fast obligatorische Nazikeule ("an den Nationalsozialismus zumindest erinnernden Ansichten") schwingen Sie auch gleich mit.
Es sehr interessant wie verwegen, was Sie mir als "derartigen Zeitgenossen" so alles unterstellen. Wissen Sie Herr Weth, vor angbl. um die "Demokratie besorgten" Leuten wie Ihnen gruselt es mich genauso wie vor Rechtsautoritären. Ihre "stoische Ruhe" ist m.E. schlicht Ignoranz. Und Ihre "Entschiedenheit", "Brandstiftern" wie mir "auf die Finger klopfen" und eine Diskussionsbeteiligung "untersagen" zu wollen, liest sich für mich wie der Ruf nach Beschneidung der Meinungsfreiheit.
Mich befällt Sorge um die Demokratie, wenn ich Zeilen wie die Ihrigen lesen muss, und hoffe nur, dass Leute oder Parteien Ihrer Gesinnung nie das alleinige Sagen bekommen.
Lutz Konn am Permanenter Link
mich interessiert die Frage wer in Deutschland noch für unsere demokratische Verfassung steht, wenn Bedienstete im öffendlichen Dienst mit Verfassungsfeinden marschieren und den Hitlergruß zeigen - wenn ein Trump Getr
Karl Kraus am Permanenter Link
"Die Veränderung der Labour Party unter Jeremy Corbyn zeigt, wie eine solche Wende inhaltlich und personell aussehen müsste."
Das Buch gespart.
"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut", wie hilfreich auch der gute Rat des Papstes für eine soche Wende.
Die Elite schafft auch feine Eliteinstitute mit fein bezahlten Bullshitjobs für Agenten, die Banales fein verpackt verklickern dürfen, "Querdenker, Unbequeme, Kantige" sind willkommen, das System muss sich täglich neu beweisen.
Der ganze Scheiss wäre - im Zweifel mit links - zu erledigen. Sozialismus.