Die Alanus Hochschule erfindet einen neuen Steiner

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Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn (Campus I Johannishof)
Alanus Hochschule Bonn

"Esoteriker", "Rassist", "Scharlatan" sind heute übliche Bezeichnungen für Rudolf Steiner. Das möchte die anthroposophische Alanus Hochschule ändern: "Philosoph" oder "Wissenschaftler" hört sich einfach besser an und verkauft sich auch viel leichter. Ein Dialog über den neuen Steiner.

"Kannst Du 'sachadäquat multiperspektivieren'?"

"Was soll das sein?"

"Na, mir zum Beispiel sagen, in welchen Inkarnationen 'Novalis' lebte, bevor er zum Dichter wurde."

"Und?"

"Novalis war in seinen vorherigen Leben schon 'Johannes der Täufer' und 'Raffael', der Maler."

"Klingt ziemlich 'gaga' – halluziniert da jemand?"

"Rudolf Steiner 'sieht' einfach mehr als Du – der Professor hat das Wort:

'(…) sprach sich der Referent für eine 'Entmythologisierung' der Symbolsprache Steiners aus. So sei beispielsweise der esoterisch aufgeladene Terminus des 'Hellsehens' nicht unbedingt durch die Annahme eines höheren geistigen Sinnesorgans, sondern durch die Wiederherstellung der Funktionalität einer Wahrnehmung zu erklären, die in der Lage sei, auf relevante Sach- und Sinnzusammenhänge aufmerksam zu machen, die unter der Dominanz des Empirismus aus dem Blick geraten seien. 'Entmythologisiert' bedeute 'Hellsehen' demnach das Vermögen sachadäquater Multiperspektivität.'

Das sagt Prof. Dr. Hartmut Traub, Honorarprofessor für Philosophie und Didaktik, an der anthroposophischen Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn."

"Bonn? Ist eine Rheinische Karnevalshochburg – vielleicht ist das eine Büttenrede für seine Student*innen? Maximal selbstironisch, den Wissenschaftsbetrieb parodierend: wie viele Fremdworte bringe ich in einem Satz unter, und verkünde den totalen Nonsens?"

"Nein, Hartmut Traub meint das ernst, das ist sein Referat auf der Tagung 'Atelier »Anthroposophie«'."

"'Sieht' Steiner auch noch anderes als Inkarnationen berühmter Persönlichkeiten?"

Rudolf Steiner behauptet, in der 'Akasha-Chronik' lesen zu können, einem allumfassenden Weltgedächtnis im 'Äther' – und macht die ganz großen Vorhersagen: in der Zukunft wird die Menschheit auf dem Planeten 'Vulkan' leben – nur ein Beispiel, Steiner 'sieht' noch viel, viel mehr …"

"'Hellsehen für Fortgeschrittene', würde ich mal sagen."

"Ganz normal, wenn es nach Hartmut Traub geht, so wie auch 'Karma' – dazu sagt er:

'Als weiteres Beispiel der Entmythologisierung eines anthroposophischen Theorems wird vorgeschlagen, die Karma-Theorie weniger als Geschichte einer Reihe individueller Wiedergeburten zu interpretieren, sondern deren alternatives Erklärungspotential als verantwortungsethisches Modell vorbewusster Verhaltensdispositionen gegenüber biologistisch-genetischen oder soziologisch-milieutheoretischen Identitätstheorien auszuloten.'"

"Das ist das glatte Gegenteil von dem, was Steiner tut – wie war das noch mal mit Johannes, Raffael, Novalis?"

"Traub erfindet einen neuen Steiner."

"Und wozu?"

"Weil man das Steiner-Original so schlecht verkaufen kann: Steiner, der Esoteriker, Rassist, Scharlatan – wer will den haben?"

"Der echte Steiner soll aus der Welt geschafft werden? Wie soll das denn gehen?"

"Steiner liest doch sowieso kaum einer. Es reicht, wenn man dem neuen Steiner in 'wissenschaftlichen Publikationen' oft genug 'wissenschaftliches Denken' attestiert, das überprüft doch später keiner mehr."

"Seit wann sind denn Hellsehen und Karma 'wissenschaftliches Denken'?"

"Hartmut Traub bescheinigte Steiner schon 2016 'wissenschaftlich-philosophisches Denken' – und war damit erfolgreich, ist damit Professor an der Alanus Hochschule geworden."

"An einer 'Hochschule', die Rudolf Steiner umetikettiert? Und ein neues Haltbarkeitsdatum auf ihre Steiner-Mogelpackung klebt?"

"Das ist ihr Existenzzweck: Wer würde noch seine Kinder in die Waldorfschule schicken, wenn er wüsste, was das wirklich ist …"

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