Die Giordano-Bruno-Stiftung demonstriert mit ihrer Großplastik "Der Hängemattenbischof" und der Zeichnung "Aufklärung auf Katholisch" vom 19. bis 21. Januar in München gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen sowie weiteren (auch kirchlichen) Initiativen wie Maria 2.0, Wir sind Kirche und Ordensfrauen für Menschenwürde gegen die unzureichende Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals.
Die Protestaktion findet anlässlich der für den 20. Januar um 11:00 Uhr angekündigten Veröffentlichung der zweiten Missbrauchsstudie des Erzbistums München-Freising statt. Die Studie wird mit Spannung erwartet, da sie Details darüber enthalten soll, wie viel der frühere Münchener Erzbischof Joseph Ratzinger – der spätere Papst Benedikt XVI. – selbst gewusst hat und auch darüber, ob dies von einem seiner Nachfolger – Kardinal Reinhard Marx – vertuscht wurde.
Der Leiter der Protestaktion, David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), erklärt dazu: "Die Kirchenoberen können sich nicht dahinter verstecken, dass sie nichts gewusst hätten, dass die Verantwortlichkeit nicht klar geregelt und die Aktenführung lückenhaft gewesen wären. Bei so etwas Gravierendem wie Kindesmissbrauch ist selbstverständlich der Chef einer Diözese gefordert. Er muss seinen Laden so organisieren, dass er davon Kenntnis erlangt und dann auch entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen. Aufgrund der Berichte der vielen Menschen, die sich bei den Betroffeneninitiativen melden, kann man wohl sagen: Wenn der Papst und auch seine Nachfolger es nicht gewusst haben, dann ist das überhaupt nur möglich, weil sie es nicht wissen wollten. Sie hätten sich Augen und Ohren zuhalten müssen, um heute ihre Unwissenheit vorschieben zu können. Das wäre schon schlimm genug – aber eben auch absolut unglaubhaft. Viel wahrscheinlicher ist, dass ihnen die Betroffenen egal und der Schutz der Kirche und ihres Personals wichtiger waren. Und deswegen haben sie bewusst geschwiegen."
Hilfe-Portal des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): www.hilfe-portal-missbrauch.de – Die Organisatoren wissen aus zahlreichen Gesprächen, wie sehr die Veröffentlichung einer neuen Missbrauchsstudie und die sie begleitende Berichterstattung die Betroffenen von Missbrauch triggern kann. Viele werden die vom Erzbistum eingerichtete Anlaufstelle nicht kontaktieren wollen, da sie aus ihrer Sicht zur Täterorganisation gehört. Das Hilfe-Portal des UBSKM bietet eine staatliche Alternative.
Um diese "Aufklärung auf Katholisch" anzuprangern, zeigt das Protestbündnis ein über vier Meter großes Banner: Anstatt der berühmten "Drei Affen" sind darauf die katholischen Würdenträger Ratzinger, Marx und Woelki zu sehen, die sich Augen, Ohren bzw. Mund zuhalten – stellvertretend für die gesamte katholische Kirche in Deutschland.
Die lange Bank des Missbrauchsskandals
Die Organisatoren erwarten, dass auch dieses Gutachten nichts daran ändern wird, dass die katholische Kirche die Betroffenen am langen Arm verhungern lässt und zeigt daher erneut den "Hängemattenbischof" des Düsseldorfer Karnevalswagenbauers Jacques Tilly. Agnes Wich von der Betroffeneninitiative Süddeutschland erläutert dies für das Aktionsbündnis: "Natürlich wäre es für uns eine Genugtuung, endlich mal schwarz auf weiß zu lesen, dass auch Kirchenfunktionäre, die noch am Leben sind, sich der Vertuschung schuldig gemacht haben. Doch für uns sind andere Fragen wichtiger. Erstens: Wann schlagen Politik und Justiz der Täterorganisation Kirche endlich die Führung über die Aufarbeitung aus der Hand? Zweitens: Wann folgen aus den vielen kirchlichen Gutachten Konsequenzen, wann werden sowohl Kirchenfunktionäre entlassen als auch den Betroffenen endlich angemessene Entschädigungen gezahlt?"
Jens Windel von der Betroffeneninitiative Hildesheim ergänzt: "Es ist unglaublich: Während in Frankreich die Bistümer, Bischöfe und Priester wenige Monate nach Veröffentlichung der landesweiten Missbrauchsstudie beginnen, Kirchen- und teilweise auch Privatbesitz zu verkaufen, um Entschädigungszahlungen leisten zu können, sitzen die Kirchenoberen in Deutschland wie die Made im Speck und speisen die Betroffenen mit Krümeln ab."
Wie schon bei den vorangegangenen Aktionen in Köln und Fulda ist auch die "Lange Bank des Missbrauchsskandals" wieder mit dabei – auf die Kirche und Politik die Aufarbeitung sinnbildlich immer wieder schieben. Ihr Erfinder, David Farago, erklärt: "Nach 16 Jahren des Hinhaltens und Wegsehens durch die regierungsführenden C-Parteien sollte die neue Koalition auch hier 'mehr Fortschritt wagen' und sich des Themas endlich annehmen. Als 'Schiedsrichter im weltanschaulich neutralen Staat' darf die Politik die Aufarbeitung nicht länger der Täterorganisation überlassen und sollte – wie schon 2021 von den Betroffenen vorgeschlagen – eine Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission sowie ein Opfergenesungswerk gründen."
Zur Protestkundgebung aufgerufen hat die Giordano-Bruno-Stiftung gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen. Diesem gehören zahlreiche Betroffenenorganisationen an:
- Betroffeneninitiative kirchlicher Missbrauch Süddeutschland e. V.
- Eckiger Tisch e. V.
- MoJoRed e. V. – Missbrauchsopfer-Josephinum-Redemptoristen
- Betroffeneninitiative-Hildesheim
- Initiative Ehemaliger Johanneum Homburg
- Selbsthilfe Missbrauch Münster
- Selbsthilfe Missbrauch Rhede
- Initiative für einen Gedenkort am Johanneum
- Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier MissBiT e. V.
Am 19. Januar werden ab 16:00 Uhr auch die folgenden Organisationen an dem Protest teilnehmen:
- Maria 2.0 (Ortsgruppe München)
- Wir sind Kirche
- Ordensfrauen für Menschenwürde
- Initiative Sauerteig aus Garching a. d. Alz
Gegen 16:30 Uhr wird es u. a. Redebeiträge geben von:
- David Farago, Giordano-Bruno-Stiftung
- Renate Spannig, Maria 2.0, Ortsgruppe München
- Agnes Wich, Betroffeneninitiative Süddeutschland
- Dr. Dr. Wolfgang Rothe, Seelsorger im Erzbistum München-Freising
- Schwester Susanne Schneider, Ordensfrauen für Menschenwürde
Die Versammlung mit dem "Hängemattenbischof" wird vom 19. bis 21. Januar täglich von jeweils 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr in München an täglich wechselnden Orten stattfinden:
- Mittwoch, 19.01.2022: Marienplatz
- Donnerstag, 20.01.2022: vor dem "Haus der Bayerischen Wirtschaft" (Max-Joseph-Straße 5)
- Freitag, 21.01.2022: Stachus