Am Wochenende findet die Bundestagswahl statt. Auch wenn sozialpolitische Themen und vor allem die Zuwanderungsdebatte den Wahlkampf dominieren, stellt sich doch auch die Frage, welche Positionen die Parteien in Fragen vertreten, die für Säkulare von besonderem Interesse sind. Die hpd-Serie zu den Aussagen der Bundestagswahlprogramme beenden wir mit der SPD.
Bei der Sozialdemokratie ist ein Desinteresse am Bereich Religionspolitik deutlich erkennbar. In einem Absatz über Demokratie und Zivilgesellschaft heißt es ziemlich allgemein: "Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen wertvollen Beitrag für unser Zusammenleben. Wir fördern den interreligiösen Dialog und schützen die Religionsfreiheit, um die Vielfalt unserer Gesellschaft als Chance für ein weltoffenes Miteinander zu stärken." Daran schließen sich keinerlei konkrete politische Positionen an; nicht einmal die bislang immer vorhandene Forderung nach einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ist enthalten.
Auch mit Blick auf die islamischen Verbände bezieht die SPD nicht Stellung. "Islam" taucht nur mit Bezug zum Islamismus im Programm auf. Einerseits soll eine Task Force Islamismusprävention eingerichtet werden. Andererseits sollen bestehende islamistische Netzwerke von den Sicherheitsbehörden konsequent zerschlagen werden. Gesellschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten werden nur sehr unkonkret angesprochen: Es sei geplant, "zivilgesellschaftliche Initiativen" zu stärken, ohne dass allerdings ausgeführt würde, was genau damit gemeint ist.
In einer wichtigen Frage von Selbstbestimmung gibt es hingegen eine klare Ansage: "Wir werden Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren und außerhalb des Strafrechts regeln – außer wenn sie gegen oder ohne den Willen der Schwangeren erfolgen. Wir wollen Schwangerschaftsabbrüche zu einem Teil der medizinischen Grundversorgung machen." Auf den letzten Metern der zu Ende gehenden Legislatur war noch versucht worden, dies umzusetzen, doch der Gesetzentwurf blieb im Rechtsausschuss stecken.
Fazit
Von den Positionen der Parteien zu säkularistischen Anliegen dürfte diesmal kaum jemand seine Wahlentscheidung abhängig machen. Denn noch nie, seit die MIZ die Wahlprogramme der Parteien mit Chancen auf einen Einzug in der Bundestag durchsieht, gab es so wenige Forderungen im Sinne der Interessenverbände der Konfessionslosen. Aufbruchstimmung in Sachen Religionspolitik ist kaum zu verspüren (was als Kehrseite der Medaille immerhin heißt, dass die Ausstattung der großen konservativen Islamverbände mit Körperschaftsrechten wahrscheinlich auch nicht auf der Tagesordnung steht).
Dafür ist sicherlich zumindest teilweise der kurzfristige Wahltermin verantwortlich, der von säkularer Seite initiierte Änderungsanträge de facto fast unmöglich machte. Bei Grünen und Linken kommt jedoch ein grundlegendes Problem hinzu: Indem Religionspolitik mittlerweile weitgehend unter dem Aspekt der (Anti-)Diskriminierung erörtert wird, geht das Bewusstsein verloren, dass es sich bei Religionen um Ideologien handelt. Religionskritik wird dann nicht mehr als Ideologiekritik verstanden und Religionspolitik nicht mehr als Möglichkeit egalitärer Gesellschaftsveränderung. Die Unterwerfung unter religiöse Bestimmungen erscheint dann gleichwertig wie die Emanzipation von religiösen Vorgaben, und anstatt des guten Lebens für alle wird die Verwaltung von Minderheiten das Ziel einer dann allerdings nur noch vermeintlich progressiven Politik.
Und aufgemerkt: Der Anteil der Katholiken in Deutschland liegt bei ungefähr 24 Prozent, die Protestanten kommen sogar nur noch auf 22 Prozent. Ein Schelm, wer nun daran denkt, dass in zukünftigen Wahlprogrammen vielleicht ganz neue Begründungen für die Gewährung von Privilegien für die Kirchen angeführt werden...
Hinweis: Nicht alle Parteien hatten zum Zeitpunkt der Analyse bereits die Entwürfe ihrer Wahlprogramme von einem Parteitag bestätigen lassen. Es wurden die Fassungen Stand 12.1.2025 verwendet.
Der hier veröffentlichte Text basiert auf einem umfangreichen Artikel, der in der MIZ 4/24 erschienen ist. Für den hpd sind die Abschnitte zu den einzelnen Parteien leicht bearbeitet worden, um als Serie erscheinen zu können.

Siehe dazu auch:
- Was hat das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) für Säkulare zu bieten?
- Was hat die Union (CDU/CSU) für Säkulare zu bieten?
- Was hat die Alternative für Deutschland (AfD) für Säkulare zu bieten?
- Was hat Bündnis 90/Die Grünen für Säkulare zu bieten?
- Was hat die FDP für Säkulare zu bieten?
- Was hat Die Linke für Säkulare zu bieten?