BERLIN. (hpd) Gestern beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit in einer Resolution die offizielle Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern 1915/16 durch das Osmanische Reich und bekannte sich zusätzlich zur deutschen Mitschuld am Verbrechen. Daraufhin wurde der türkische Botschafter zurückberufen.
Bei zwei Enthaltungen und einer Gegenstimme setzte der Bundestag in der gestrigen Debatte ein Zeichen für die Opfer des damaligen Genozids und will in Zukunft verstärkt Projekte fördern, die einen Versöhnungsprozess zwischen Türken und Armeniern einleiten. Rolf Mützenich (SPD) erklärte, dass man sich von niemandem einschüchtern lassen werde. Vielmehr biete man an, eine Entspannungspolitik im Kaukasus zu unterstützen. Er ergänzte, dass Bundeskanzlerin Merkel auch die Begegnung mit oppositionellen Politikern in der Türkei hätte suchen müssen.
Gregor Gysi (Linke) betonte in dem Zusammenhang die aktuelle Missachtung von Menschenrechten durch die türkische Regierung, insbesondere die Verfolgung von Kurdinnen und Kurden. Cem Özdemir (Grüne) machte deutlich, dass sich niemand moralisch überlegen fühle, sondern es darum gehe, einen Versöhnungsprozess zu begleiten. Zugleich mahnte er an, in naher Zukunft auch die Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstandes in der früheren deutschen Kolonie Südwestafrika ebenfalls als Völkermord anzuerkennen. Franz-Josef Jung (CDU) forderte die Ratifizierung der Zürcher Protokolle zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien.
Wenige Stunden nach der Abstimmung reagierte Ankara mit der Abberufung ihres Botschafters. Türkische Regierungsmitglieder äußerten sich erwartungsgemäß mit drohenden Worten und Präsident Erdogan kündigt an, der Vorgang werde ernste Folgen nach sich ziehen. Es bleibt spannend, welches diplomatische Gewitter in den nächsten Tagen und Wochen auf uns zukommen wird. Vor allem was wird der Beschluss für innenpolitische Folgen in Deutschland haben? Wie werden AKP-AnhängerInnen hierzulande reagieren?