Wieder einmal steht der Münchner Aktionskünstler Wolfram P. Kastner vor Gericht. Diesmal geht es um den Vorwurf, "rechtswidrig öffentliche Denkmäler beschädigt sowie eine öffentliche Totengedenkstätte beschädigt" zu haben.
Schwere Anschuldigungen, deretwegen ihm die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl in Höhe von 45 Tagessätzen a 70 Euro sowie die nicht unerheblichen Kosten des Verfahrens auferlegte. Da Kastner nicht zahlte, kommt es nun am 7. März 2017 vor dem Amtsgericht München zu einer Verhandlung (Nymphenburger Straße 16, Sitzungssaal A 123 / 1. Stock, 15.00 Uhr).
Was genau war geschehen: Laut Strafbefehl hatte Kastner sich am "04.02.2015 gegen 11.10 Uhr auf das Anwesen Dachauer Straße 128 in München zu dem dort befindlichen Denkmal zu Ehren der im 1. Weltkrieg gefallenen ehemaligen Angehörigen der Bayerischen Eisenbahntruppe" begeben. Dieses Denkmal trägt die Aufschrift
SIE STARBEN FÜR DEUTSCHLANDS RUHM UND EHRE
DEN TOTEN DER BAYERISCHEN EISENBAHNTRUPPE
IM WELTKRIEG 1914-18
Kastner habe, so der weitere Tatvorwurf, "von den Worten 'Ruhm und' die Buchstaben 'R', 'U', 'H', 'M' und 'D' entfernt, so dass der nunmehr lesbare Teil die ursprüngliche Aussage in ihr Gegenteil verkehrte."
Tatsächlich hatte Kastner vor seiner Aktion dem zuständigen Bundesverteidigungsministerium eine Änderung oder Kommentierung des irreführenden Satzes SIE STARBEN FÜR DEUTSCHLANDS RUHM UND EHRE vorgeschlagen, der dem Umstand Rechnung trage, dass die mit dem Kriegerdenkmal betrauerten Toten "in einem nationalistisch motivierten Gemetzel im Gas erstickt oder von Geschossen zerfetzt worden waren." Erst nach Ablehnung dieses Vorschlages hatte er die geschichtsfälschenden Buchstaben R,U,H,M und D abmontiert und, fein säuberlich verpackt, an das Ministerium geschickt. Es stand nun, geschichtlich korrekt, zu lesen: SIE STARBEN FÜR DEUTSCHLANDS UNEHRE.
Kurze Zeit darauf wurden die Buchstaben, diesmal bombenfest, wieder an dem Denkmal anmontiert, so dass die alljährlich mit Bundeswehrkränzen dekorierte Aufschrift des 1962 (!) neuerrichteten Denkmals wieder in den originalen Zustand zurückversetzt war.
Kastner brachte daraufhin am 13. Juli 2015 eine zusätzliche Tafel an, auf der es hieß: "Wir trauern um alle, die im Weltkrieg 1914-18 grausam und sinnlos ihr Leben verloren. Die Toten mahnen uns, mit allen Kräften für Frieden zu sorgen und Kriege zu verhindern."
Der Strafbefehl des Amtsgerichts München nahm auch auf diese zweite Aktion Bezug: "Nachdem die ursprüngliche Aufschrift wieder hergestellt worden war", habe Kastner "sich zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt am 13.07.2015 erneut zu dem Denkmal begeben und dort mit einem nicht genauer bekannten Klebstoff eine etwa 71x52 Zentimeter große Tafel unmittelbar unterhalb der Aufschrift des Denkmals angebracht." Er habe dabei billigend in Kauf genommen, dass sich die Tafel "aufgrund des verwendeten Klebstoffs nicht ohne weiteres rückstandslos wieder entfernen ließ. Vielmehr drang der Klebstoff aufgrund der porösen Oberfläche des Steins tiefer in diesen ein, so dass die – auch optisch noch wahrnehmbaren – Klebstoffreste von einer Fachfirma entfernt werden mussten; hierfür entstanden Kosten in Höhe von 448,76 €."
All dies sei "strafbar als gemeinschädliche Sachbeschädigung in Tateinheit mit Störung der Totenruhe in zwei tatmehrheitlichen Fällen." Kastner hingegen versteht seine Kunstaktion als "notwendige gemeinnützliche Sachverbesserung", wie er auch vor Gericht vortragen wird.
2 Kommentare
Kommentare
agender am Permanenter Link
Faszinierend. So weit - und über so lange Zeit - ist also zumindest ein Teil der Justiz gewillt, jeden Hinweis darauf zu unterdrücken, dass Kriege schädlich sind für alle Lebewesen einschliesslich der Spezies Mensch.
Sven am Permanenter Link
Den Soldaten, die im 1. Weltkrieg ihr Leben verloren, kann schlecht unterstellen, dass sie unmoralisch gehandelt hätten. Die Geschichtsschreibung ist sich weitgehend einigt, dass alle Mächte den Krieg provoziert bzw.
Dementsprechend ist dies keine Kunstaktion, sondern Vandalismus, der lediglich die historische Unkenntnis und die Taktlosigkeit der Vandalisten hervorhebt. Auch Menschen, die "in einem nationalistisch motivierten Gemetzel im Gas erstickt oder von Geschossen zerfetzt worden waren", gebührt Respekt.