Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak legt in ihrem Buch "Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse" Reflexionen zu Ausgrenzung, Identitätsversprechen, Nationalismus und Provokationen durch einschlägige politische Akteure vor. Dabei arbeitet die Autorin eine Fülle von Gemeinsamkeiten heraus, welche anhand von Fallbeispielen ganz unterschiedlicher Populisten in verschiedenen Ländern verdeutlicht werden.
Angesichts der Wahlerfolge einschlägiger Parteien kommt dem Populismus in der öffentlichen Wahrnehmung eine hohe Bedeutung zu. Beachtenswert dabei sind aber nicht nur die einzelnen Akteure, also die gemeinten Parteien und Politiker. Besonderes Interesse verdient auch die Art und Weise, wie sie sich mit ihrem Publikum in Verbindung setzen wollen.
Welche Diskurstechniken dabei genutzt werden, konnte man in Österreich bereits seit Ende der 1980er Jahre anhand von Jörg Haiders Rechtspopulismus beobachten.
Dies tat damals schon Ruth Wodak, die 1991 als Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft an die Universität Wien berufen wurde. Sie publizierte fortan eine Fülle von diskursanalytischen Studien zum Populismus-Phänomen in ihrem Heimatland. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung kann nicht verwundern, dass Wodak beim Thema blieb. In ihrem Buch "Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse" will sie die "Mikropolitik des Rechtspopulismus" (S. 13) anhand von 14 Textbeispielen nachzeichnen
Die Autorin verdeutlicht dabei, wie rechtspopulistische Parteien "ihre Ideologien und ihre ausgrenzende Propaganda tatsächlich produzieren und reproduzieren, im politischen Alltag, in den Medien, im Wahlkampf, auf Plakaten, in Parolen und Reden" (S. 18f.). Damit soll auch ein Beitrag zur Erklärung von deren Wahlerfolgen geliefert werden.
Den Einstieg wählt Wodak über eine Auseinandersetzung mit der Definition von Populismus, wobei sie auf den Aspekt der Angsterzeugung und Ausgrenzung, aber auch der Identitätsbeschwörung und die Skandalisierungen intensiver eingeht. Dies geschieht nicht nur an einem Beispiel, nimmt sie doch Phänomene aus den unterschiedlichsten Ländern ins Visier. Dabei wird auch deutlich, dass es sich eben nicht um ein besonderes nationales Phänomen handelt, kann man doch ähnliche Entwicklungen in unterschiedlichen Staaten konstatieren. Die Diskurse weisen dabei in Form und Inhalt viele Parallelen auf. Insofern können die bei der Analyse gewonnenen Erkenntnisse auch auf nicht genannte Fallbeispiele übertragen werden.
Wodak stellt dabei auf unterschiedliche Aspekte ab: Sie verweist darauf, dass Normen und Tabus verletzt werden. Die Beschwörung von Identitäten wird als typisches Merkmal herausgearbeitet. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Autorin dann der Politik der Ausgrenzung, wobei auch Besonderheiten herausgearbeitet werden. Diese bestehen etwa in der Leugnung von Rassismus, wozu Dementis und Rechtfertigungsstrategien dienen. Sie erkennt im populistischen Diskurs aber auch eine Politik des Nationalismus, nicht nur bezogen auf Grenzen oder die Nation, sondern auch auf die Familie und den Körper.
Ein besonderes Kapitel widmet sich dem Antisemitismus, wobei sowohl klassische wie moderne Formen der Judenfeindschaft im Rechtspopulismus thematisiert werden. Es geht aber auch um die Bedeutung von Charisma und den Medien ebenso wie um das Geschlechterverständnis und die Körperpolitik. Und schließlich problematisiert Wodak die schleichende Normalisierung populistischer Diskursformen und –inhalte.
Das Besondere an der Buchveröffentlichung ist die diskursanalytische Perspektive. Auch wenn die Autorin sich hier und da zur Entwicklung rechtspopulistischer Akteure äußert, steht doch deren öffentliches Wirken im Vordergrund. Dabei wird sowohl mit abstrakten Bildern wie mit konkreten Fallbeispielen zur Veranschaulichung gearbeitet. Gelegentlich geschieht dies etwas sprunghaft und unverbunden. In der Gesamtschau werden die angesprochenen Mechanismen aber überzeugend herausgearbeitet. Ganz am Ende hätte man sich noch eine Art bilanzierende Theorie gewünscht, wo die Diskurs- und Manipulationstechniken populistischen Vorgehens systematisch zusammengestellt worden wären. Dadurch hätten sich die Gemeinsamkeiten zwischen so scheinbar unterschiedlichen Akteuren wie der FPÖ in Österreich und der Tea Party in den USA noch deutlicher aufzeigen lassen. Interessant wären auch Reflexionen zu der Frage gewesen, ob es eine Art Populismus "von links" oder aus der "Mitte" mit ähnlichen Strukturmerkmalen gibt.
Ruth Wodak, Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse, Wien – Hamburg 2017 (Edition Konturen), 254 S., ISBN 978-3-902968-10-4, 29,80 Euro
2 Kommentare
Kommentare
Klarsicht am Permanenter Link
Populist.
Im gesellschaftlichen Diskurs wird immer noch in inflationärer Art und Weise der negativ besetzte Begriff „Populist“ verwendet. Gemeinhin gilt jemand als „Populist“, der mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen hausieren geht. In dem Kontext ist es schon eine Weile sehr beliebt, den Begriff „Rechtspopulist“ zu verwenden. In unserer Gesellschaft scheint mir ein großes „Nest solcher Populisten“ aus den christlichen und islamischen Klerikern und deren „Gefolgschaften“ zu bestehen. Denn sie orientieren sich bei ihrem Lebensvollzug an Ideologien, die inhaltlich eindeutig (rechts)populistische Charakterzüge aufweisen. Und diese „Nest-Mitglieder“ empfehlen, dass sich alle Gesellschaftsmitglieder so wie sie verhalten sollten – populistisch.
Zum politischen Spektrum in der BRD gehören die aktiven Mitglieder der SPD, CDU, CSU, Linken, Grünen, FDP, AfD, NPD usw. usf. sowie deren Sympathisanten. In der politischen Auseinandersetzung kommt es nicht gerade selten vor, dass man sich wechselseitig vorwirft, ein (Rechts)Populist zu sein. Viele dieser Mitglieder und Sympathisanten gehören über alle Konfessionen hinweg zu den „Gefolgschaften“ der Kleriker. Alle diese Mitglieder sind letztlich durch dasselbe suspekte religiöse Weltbild vereint: Sie alle empfinden sich als Christen oder Muslime. Somit könnte man sie unter der Bezeichnung „Religions- und Glaubens-Populisten“ subsumieren.
Gruß von
Klarsicht
angelika richter am Permanenter Link
"Interessant wären auch Reflexionen zu der Frage gewesen, ob es eine Art Populismus "von links" oder aus der "Mitte" mit ähnlichen Strukturmerkmalen gibt."
Ohne diese Reflexion, zudem mit diesem Cover, riecht das Ganze doch arg nach einem linkspopulistischen Diskurs ...