Ein evangelikaler Priester hat im US-Bundesstaat Texas eine neue Form der Aufklärung erprobt. In einem Einkaufszentrum rief er Kindern, die sich mit einem verkleideten Weihnachtsmanndarsteller fotografieren ließen, zu, dass es in Wahrheit gar keinen Weihnachtsmann gäbe. Sie sollten sich lieber an Jesus halten – denn der sei schließlich real.
In den USA ist er im Dezember fester Bestandteil eines jeden Einkaufszentrums, das etwas auf sich hält: Der Weihnachtsmann – bzw. Santa Claus, wie die Figur in Amerika heißt. Ein Student oder Rentner, der für ein paar lausige Kröten mit Kostüm und Bart den Weihnachtsmann mimt. Kinder setzen sich auf seinen Schoß, lassen sich dabei von verzückten Eltern fotografieren und überreichen Santa ihren Weihnachtswunschzettel. Der landet im Anschluss auf wundersame Weise bei den Eltern, die ihn auf noch wundersamere Weise im jeweiligen Einkaufszentrum unmittelbar abarbeiten können.
Fundamentalistischen Christen ist dieser amerikanische Brauch in Konsumtempeln ein Graus. Zu ihnen zählt auch Pastor David Grisham von der evangelikalen Gruppierung Last Frontier Evangelism. Vor einigen Tagen besuchte er deshalb ein Einkaufszentrum in Amarillo, Texas. Als sich Kinder mit dem dortigen Weihnachtsmann fotografieren lassen wollen, rief er ihnen zu, dass es den Weihnachtsmann nicht gäbe und dass allein Jesus Christus der Grund für Weihnachten sei, der, so Grisham, vor 2016 Jahren geboren wurde.
Auch für die Eltern hatte er mahnende Worte. Er forderte sie auf, ihren Kindern keine Lügen vom Weihnachtsmann und fliegenden Rentieren zu erzählen, da es ihnen nicht zustehe, ihre Kinder zu belügen. Stattdessen sollten sie ihren Kindern die Wahrheit über Jesus erzählen. Beherzte Väter schritten daraufhin ein und sagten dem Pastor, er möge die Klappe halten, da es immer noch Sache der Eltern sei zu entscheiden, ob und wie sie ihre Kinder belügen wollten.
Ein Akt, wie er skurriler kaum sein könnte. Selbstverständlich muss man Pastor Grisham Recht geben, dass es sich beim Weihnachtsmann nicht um eine reale Gestalt handelt, sondern um eine Figur, die aus der Vermischung von Nikolauslegende und skandinavischen Mythen entstand. Bemerkenswert ist jedoch, dass der alte Mann im Coca-Cola-farbenen Kostüm Pastor Grisham ein solcher Dorn im Auge ist, dass der den daneben liegenden Balken in selbigem überhaupt nicht bemerkt. Denn selbst wenn es sich bei dem jüdischen Wanderprediger, den er für den Sohn Gottes und Gründer seiner Religion hält, tatsächlich um eine historische Figur gehandelt hat – worin sich die Wissenschaft bis heute nicht vollkommen einig ist – so wurde dieser mit Sicherheit nicht vor 2016 Jahren geboren. Und der Grund für Weihnachten ist er auch nicht.
Will man historische Ereignisse wie den Tod von König Herodes auch nur ansatzweise mit den biblischen Erzählungen in Einklang bringen, so muss der Jesus, von dem die Bibel erzählt, irgendwann zwischen den Jahren sieben bis vier vor Christus geboren sein. Zu diesem Ergebnis kommt man jedenfalls, wenn man das Matthäus-Evangelium zugrunde legt. Versucht man historische Ereignisse mit dem Lukasevangelium zu synchronisieren, so ergäbe sich für die Geburt Jesu eher das Jahr sieben nach Christus. Ziemlich sicher ist nur, dass er – falls überhaupt – nicht im Jahr null geboren wurde. Schon deshalb, weil die Römer die Zahl null überhaupt nicht kannten.
Auch die Festlichkeiten rund um den 24./25. Dezember haben nichts mit Jesus zu tun. Die Bibel verrät für Jesu Geburt kein Datum, also annektierte die im Römischen Reich erstarkende Kirche schlicht und ergreifend bereits vorhandene Feierlichkeiten für ihre Zwecke. In Rom huldigte man am 25. Dezember dem Sonnengott Sol Invictus. Kein Wunder, denn Feierlichkeiten Ende Dezember gibt es seit Jahrtausenden in den unterschiedlichsten Kulturen, weil zu dieser Zeit die Wintersonnenwende stattfindet und ab diesem Datum die Tage wieder länger und die Nächte kürzer werden.
All das könnte Pastor Grisham wissen. Im Zeitalter des Internets sind diese Informationen ebenso leicht zu erlangen und zu überprüfen wie jene über den Weihnachtsmann. Aber kann man ihm tatsächlich einen Vorwurf machen, dass er es nicht tut? Die meisten Christenmenschen – auch jene, die keine fundamentalistischen Christen sind – machen sich in diesem Punkt immun gegen Aufklärung. Denn während die meisten Menschen im Zuge des Erwachsenwerdens den Glauben an Weihnachtsmann, Christkind & Co. ganz selbstverständlich ablegen, tun sie sich wesentlich schwerer mit dem Ablegen des Glaubens an ein übernatürliches Wesen, das mit Hilfe eines ominösen heiligen Geistes eine Menschenfrau geschwängert haben soll, nur um den gemeinsamen Spross letztlich einen qualvollen Tod sterben zu lassen.
Übrigens filmte Pastor Grisham seinen Auftritt im Einkaufszentrum und stellte das Video ins Internet, um seine Heldentat zu dokumentieren. Es ist der zweite Teil seiner wahrscheinlich noch umfangreicher werdenden Weihnachtsmann-Bashing-Serie. Im ersten Teil wurde Santa Claus in einer Radiosendung exekutiert. Weihnachten – das Fest der Liebe.
12 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
es gibt ein Datum zur Geburt Jesu, also als Himmelsereignis dient die Große Konjunktion von Saturn und Jupiter und dann noch ein paar schritte durch die Wüste...
Wolfgang am Permanenter Link
"Ohne Bescheißen geht gar nichts!!"
Es wird beschissen bei Autokonzernen, es wird beschissen in der Lebensmittelindustrie,
Noncredist am Permanenter Link
>> "(...) und dass allein Jesus Christus der Grund für Weihnachten sei (...)" <<
Woraus sich auch die Sitte erklären lässt, dass wir unsere Kinder zu Weihnachten Schokokreuze naschen lassen. Oder zuckrige Jesus-Figuren. Oder waren es Backprodukte, die den Namen "Via Dolorosa" besitzen? Ich komme bei der großen Menge an historischen Tatsachen immer so schnell durcheinandern. Ich gehe jetzt erst einmal mit meiner Tochter süße kleine Leidenskekse backen. Nichts ist schöner als den Tod Jesu auf ein frisch gefettetes Backblech zu legen! :)
Die "Wahrheit" über Jesus, seinem Ideal und dessen Handlungsnormen ist so EINdeutig, dass sich alleine in den USA zehnTAUSENDE(!) einzelne Splittersekten rund um den EINdeutigen bildeten. Sie alle wollen eigene "richtigere" Verständnisse gegenüber der Konkurrenz besitzen. Nicht gerade ein starkes Argument für eine "klar überlieferte Wahrheit" :)
David am Permanenter Link
zur Aufklärung gehört auch die Aufklärung wie unser Datum entstand und das es falsch ist. als Anhaltspunkt die um das sogenannte jahr 0 herum die große Konjuktion von Jupiter und Saturn.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Warum macht man eigentlich ein solches Aufhebens von der Geburt Jesu, ist
sie doch laut christlicher und insbesondere katholischer Lehre ein relativ
mit der Zeugung, wie in den auch bei Bischöfen beliebten "Märschen fürs Leben" immer wieder betont wird. Es sollten eigentlich Heerscharen von Theologen damit beschäftigt sein, das genaue Zeugungsdatum zu ermitteln, damit dieses mit aller Pracht gefeiert werden kann. Es sollte so Ende März zu verorten sein womit sich eine Verbindung mit heidnischen Fruchtbarkeitsfesten
zum Frühlingsbeginn anbietet.
Tobler am Permanenter Link
In Deutschland gibt es ja auch immer mal wieder beherzte Gläubige, die etwa "weihnachtsmannfreie Zonen" markieren, allerdings um den 6. Dezember herum.
Korrektur zum Artikel: Selbstverständlich haben die Feierlichkeiten um den 25. Dezember herum etwas mit Jesus zu tun. Nur dass sie an diesem Datum stattfinden, hat nichts damit zu tun. Aber egal, wann sie stattfänden, mit Jesus zu tun hätten sie immer. Damit ist auch der Satz "Und der Grund für Weihnachten ist [Jesus] auch nicht" falsch. Er ist bloß nicht der Grund dafür, dass Weihnachten auf den 25. Dezember fällt.
Wilhelm Herzog am Permanenter Link
Mal ganz ehrlich, kann man über eine solch clowneske Geschichte nicht einfach nur mal lachen, statt sich hier wieder oberlehrerhaft erklären zu lassen, wie die Dinge mit dem vermeintlichen Gottessohn wissenschaftlich
Wolfgang am Permanenter Link
Leider kann man über den Jesus und seine verbreiteten Märchen nicht lachen, denn dieses Märchen verursachte Millionen von bestialisch gefolterten und getöteten Menschen, die nicht glauben wollten, was ihnen da vorgelo
Kay Krause am Permanenter Link
Ihr Artikel sagt imgrunde alles aus und bedarf keines Kommentares, liebe Daniela Wakonigg. Nur eine Anmerkung zu dem Satz: "All das könnte Pastor Grisham wissen."
Glückliche Kinder, die im Alter von 5, 6 oder 7 Jahren erkennen, dass der Froschkönig, Hänsel und Gretel ebenso wie der Weihnachtsmann WAHRE Märchenfiguren sind und gar nicht mehr sein wollen. Viele viele Male war ich "Der Weihnachtsmann", und ich glaube im Nachhinein, dass ich dabei nicht nur selbst meinen Spaß hatte, sondern auch den Kindern und Erwachsenen jedesmal eine große Freude bereitet habe. Aus Märchen dieser Art wachen Kinder eines Tages ganz von selbst auf, und haben keinen Schaden davongetragen. Kleinstkinder, die schon durch die Zwangstaufe christlich indoktriniert und getrimmt werden, wachen selbst als Erwachsene meist nicht auf.
Und damit dieses nicht nur wieder einer dieser ewig wiederholten, sachlichen und traurig-kritischen Kirchenkommentare bleibt, hier mal eine schöne kleine "Weihnachts-Geschichte": Vor Jahren habe ich für die Kinder eines befreundeten Paares einen großen LKW-Zug gebaut, gefüllt mit Bauklötzen. Am 6.Dezember um 7:00 Uhr klingelte ich an der Haustür, entsprechend in mein Kostüm gehüllt. Die Familie saß beim Frühstück, wußte nichts von meinem Erscheinen. Mein Geschenk und mein Theaterspiel dazu hat große Freude ausgelöst, keine Frage. Der Große Bube hat mir die Geschichte nicht mehr so ganz abgenommen und gegrinst, seinen begeisterten kleinen Bruder aber fairerweise nicht aufgeklärt. Zwei glückliche Kinder haben sich dann auf den Weg in die Schule gemacht.
Was ich nicht wußte: dass die Eltern bereits für den Abend einen Nikolaus im Gymnasium bestellt hatten!
Am nächsten Tag traf ich meinen Freund und er erzählte mir, dass sein 4-jähriger Sprössling nach dem abendlichen Besuch des jugendlichen Nikolaus' sagte: "Du Papa, ich glaube, der Nikolaus, der heute morgen hier war, das ist der richtige Nikolaus!"
Ich denke, das bedarf keines weiteren Kommentares, außer vielleicht der Feststellung, dass Menschen wie der Preacher Grasham mit ihrem religiösen Brett vor dem Kopf viel versäumen!
Werner Koch am Permanenter Link
Auch in Deutschland wird von Kirchenseite solcherlei Aufklärung betrieben. U. a. vom Bonifatiuswerk.
WAS HAT DAS BONIFATIUSWERK GEGEN DEN WEIHNACHTSMANN?
Werner Koch am Permanenter Link
Käßmann: Glaubt nicht an den Weihnachtsmann!
http://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/kaessmann-glaubt-nicht-an-den-weihnachtsmann-98610/
Andrea Diederich am Permanenter Link
Glaube und gesunder Menschenverstand passen nun mal nicht zusammen.
Deshalb wir wird der schon im Kindergartenalter abtrainiert und das kindliche Gehirn, mit religiösen Müll vollgestopft.