Glyphosat: Substanzlose Kritik und "gekaufte" Befürworter

Angriffe auf Fachleute und Behörden: Sind sie "industrienah"?

Unter anderem wird das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) aufgrund seiner angeblichen "Industrienähe" kritisiert. Hier möchte ich speziell auf einen Kommentar eingehen, der, wie ich glaube, eine Antwort erfordert. Dieser sehr wichtige und richtige Kommentar lautet:

Das muss von unabhängigen Instituten regelmäßig und genau überprüft werden. Das geht nur auf Staatskosten und die Gelder müssen zur Verfügung gestellt werden.

Genau solch eine Institution wurde bereits 2002 unter der rotgrünen Regierung eingerichtet, eben das BfR. Über seine Aufgaben und Ziele heißt es in einer Verlautbarung des BfR:

Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des BfR ist gesetzlich verankert. Das BfR wurde am 1. November 2002 unter Federführung der Grünen-Ministerin Renate Künast gegründet, um unabhängig, wissenschaftlich und überparteilich Risikoeinschätzungen vornehmen zu können und den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu stärken.

Alle am BfR beschäftigten Beamtinnen und Beamten sowie die Beschäftigten des Bundes müssen die rechtlichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes einhalten. Dazu gehören zum Beispiel behördliche Regelungen zur Unbefangenheit, Effektivität, Sachkunde und Korruptionsprävention, wie sie von den deutschen Gesetzen und den Ausführungsbestimmungen des Bundesministeriums des Innern vorgeben sind (siehe z. B. das Bundesbeamtengesetz, § 10 Verwaltungsverfahrensgesetz und andere Vorschriften).

Hauptaufgabe des BfR ist es, Stellung zu möglichen gesundheitlichen Risiken von Lebensmitteln, Produkten oder Chemikalien zu beziehen und somit die Bundesministerien bei ihren politischen Entscheidungen unabhängig wissenschaftlich zu beraten. Aus Gründen der Unabhängigkeit werden keine finanziellen Mittel aus der Industrie eingeworben, das BfR beteiligt sich auch nicht finanziell an solchen Forschungsprojekten.

Angesichts der eingangs erwähnten unsinnigen Angriffe ist es an Zeit, dass sich die Grünen (und ihrem damaligen Koalitionspartner in der Bunderegierung, die SPD) vor ihr Baby stellen. Sie haben das BfR aus meiner Sicht aus gutem Grund geschaffen. Warum stehen sie heute nicht dazu?

Bewertet das BfR "Leserbriefe"?

Sylvia Liebrich schreibt in der Süddeutschen Zeitung:

Recherchen der Süddeutschen Zeitung zeigen, dass für eine Neubewertung der Krebsrisiken unter anderem Leserbriefe an eine Fachzeitschrift als Studien gewertet werden. Ein großer Teil stammt von Wissenschaftlern, die direkt oder indirekt für einen der größten der Glyphosat-Hersteller arbeiten, den US-Agrarkonzern Monsanto.

Diese Behauptung zu den "Leserbriefen" ist irreführend. Wer sich auch nur flüchtig mit wissenschaftlichen Publikationen beschäftigt, weiß, dass "Letters" oder "Letters to the editor" in einer Fachzeitschrift nicht im Geringsten mit Leserbriefen in Tageszeitungen oder Wochenmagazinen vergleichbar sind.

Darüber hinaus hat Liebrich offenbar noch nicht einmal richtig gelesen, was sie zitiert. Sie schreibt:

Eineinhalb Seiten ist das Schreiben, das der Wissenschaftler Peter Langridge an die Fachzeitschrift "Food and Chemical Toxicology" geschickt hat. Eineinhalb Seiten, auf denen er Partei ergreift für ein höchst umstrittenes Pflanzenschutzmittel, für Glyphosat, das im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen. Eineinhalb Seiten, die das Magazin in der Rubrik "Letters to the Editor", Briefe an den Chefredakteur, veröffentlicht.

Hier eine Erwiderung aus dem Blog des Molekularbiologen Ludger Weß:

Der "Letter to the Editor" von Peter Langridge ergreift mit keiner Silbe "Partei für ein hochumstrittenes Pflanzenschutzmittel". Stattdessen kritisiert Langridge ausführlich die Methodik der umstrittenen Séralini-Studie, die schließlich wegen fachlicher Mängel zurückgezogen wurde (und auch inzwischen von der IARC in ihrer Glyphosat-Monographie als nicht auswertbar bezeichnet wurde, wegen eben der u.a. von Langridge kritisierten methodischen Mängel).

Irreführend ist auch die Behauptung, dass "die Krebsforscher der WHO (gemeint ist der IARC) seit der Veröffentlichung ihrer Einschätzung schwer unter Beschuss von Herstellern und Lobby-Verbänden" stünden. Nein, es sind keine "Lobbyverbände" – da soll wohl wieder einmal ein Vorurteil geschürt werden –, sondern Wissenschaftler, die einiges bemängelt haben. Zwei Stimmen von vielen:

Dr Oliver Jones von der RMIT University in Melbourne: "This sounds scary and IARC evaluations are usually very good, but to me the evidence cited here appears a bit thin From a personal perspective, I am a vegetarian so I eat a lot of vegetables and I’m not worried by this report."

Prof. Alan Boobis von der Imperial College London sagt das, was viele Wissenschaftsblogger auch in Deutschland geschrieben haben: "The IARC process is not designed to take into account how a pesticide is used in the real world In my view this report is not a cause for undue alarm."

Kurz: Der Beitrag von Sylvia Liebrich hat wenig mit der Realität zu tun – ebensowenig wie ein Kommentar bei hpd, der auch mir unterstellt, dass "erfolgreiche Lobbyarbeit bei der GWUP wirksam war".

Man geht anscheinend grundsätzlich davon aus, Wissenschaftler und die GWUP seien "gekauft", wie auch das BfR und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Wo Argumente fehlen, müssen pseudowissenschaftliche Anti-GMO-Aktivisten sich in Ad-Hominem-Attacken flüchten.

Man sollte Industrie-Studien und Studien von Interessengruppen, wie Greenpeace oder Foodwatch, mit der notwendigen, der Wissenschaft immanenten Skepsis begegnen. Deshalb werden zur Bewertung Universitätsstudien einbezogen und staatliche  Institutionen geschaffen.