Evangelikale fühlen sich von WDR-Wissenschaftssendung verspottet

Darwin und die göttliche Regenbogenwolke

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Screenshot der WDR-Sendung "Quarks" vom 10.04.2018

Die WDR-Wissenschaftssendung Quarks ging vergangene Woche der Frage nach, warum es mehr als zwei Geschlechter gibt. Besonders ein in der Sendung gezeigter Zeichentrickfilm, in dem Darwin sich mit einer weiblichen Gotteswolke unterhält, erzürnte die Gemüter von Evangelikalen, die sich vom WDR verspottet fühlen.

"Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt", so lautet der Titel der am 10. April ausgestrahlten WDR-Wissenschaftssendung Quarks, moderiert vom renommierten Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar. In der Sendung wird der Frage nachgegangen, warum es problematisch ist, Menschen in männlich und weiblich einzuteilen, denn – so der Pressetext der Sendung – "was unser Geschlecht ausmacht, ist vielfältig: Hormone, Chromosomen, Anatomie, Geschlechtsorgane oder unser Gehirn. Dabei gibt es Variationen – so häufig, dass immer mehr Forscher das Geschlecht als Kontinuum betrachten, auf dem 'weiblich' und 'männlich' nur die Endpole sind."

Bereits das Thema der Sendung ist für christlich-fundamentalistische Menschen natürlich ein Affront. Sie glauben fest an die Wahrheit der Bibel und in der steht nun mal zu lesen, dass Gott den Menschen als Mann und Frau schuf und nicht als irgendwas dazwischen. Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch ein knapp dreiminütiger Zeichentrickfilm innerhalb der Sendung. In dem Film unterhält sich Darwin mit Gott – dargestellt als eine Wolke mit regenbogenfarbenem Strahlenkranz und weiblicher Stimme. Die beiden beraten darüber, welche Art der Fortpflanzung wohl am besten für den Menschen geeignet wäre, von einer asexuellen Vermehrung nach Bakterienart bis zum Sprossen nach Pflanzenart. Letztlich einigt man sich auf die sexuelle Fortpflanzung und diskutiert nunmehr über die Anzahl der Geschlechter. Gott ist – wie sollte es anders sein – für zwei Geschlechter, was ihm von Darwin den Vorwurf einbringt, er käme immer nur "mit simplen Lösungen, Tag – Nacht, gut – böse, Adam und Eva, immer schwarz-weiß – langweilig!". Trotzdem lässt sich Darwin zunächst auf die göttlich gewünschte Zweigeschlechtlichkeit ein und diskutiert mit ihm Details des Konzepts aus, zum Beispiel, ob der Sex Spaß machen soll. Nachdem die Gotteswolke die Dinge für geklärt hält und sich für ein Nickerchen zurückzieht, wendet sich Darwin heimlich ans Publikum und sagt: "Psst! Das mit der Festlegung auf nur zwei Geschlechter gefällt mir nicht! Wir müssen uns ein Hintertürchen lassen. Für die Evolution. Das Geschlecht muss wandelbar bleiben. Alles, was nicht flexibel ist, stirbt doch irgendwann aus." Ende des Films.

Laut Bericht der evangelikalen Nachrichtenagentur idea erhebt der evangelische Theologe Michael Kotsch den Vorwurf, die Wissenschaftssendung des WDR habe Christen verspottet. Der Film sei ein Beispiel dafür, dass der christliche Glaube "auch von deutschen Qualitätsmedien mit großer Begeisterung in die Pfanne gehauen" werde. "Es ist unerträglich, dass große, von Steuergeldern aller Bundesbürger bezahlte Medien wie ARD und ZDF fast durchgehend polemisch und abfällig über Christen und ihre Glaubensüberzeugungen berichten, insbesondere über Evangelikale", so Kotsch, der Vorsitzender des Bibelbundes ist. Dessen Mitglieder halten nach eigener Aussage "an der völligen Zuverlässigkeit und sachlichen Richtigkeit aller biblischen Aussagen – auch in geschichtlicher und naturkundlicher Hinsicht" fest und vertreten die Auffassung, "dass die Bibel keinen wirklichen Widerspruch enthält, sondern eine von Gott gewirkte Einheit ist".

Verfolgt man die Leser-Kommentare zur idea-Meldung, so gewinnt man in der Tat den Eindruck, dass Michael Kotsch nicht der einzige evangelikale Christ ist, der sich durch den Trickfilm in seinen religiösen Gefühlen verletzt sieht. Erstaunlicherweise gibt es bislang keine Meldungen von wissenschaftlich denkenden Menschen, die sich durch den Trickfilm-Beitrag in ihren nicht-religiösen Gefühlen verletzt sehen. Dabei ließe sich durchaus die Frage stellen, was der Dialog zwischen einer göttlichen Wolke und Darwin über die Fortpflanzungstechnik des Menschen in einer Wissenschaftssendung zu suchen hat. Darwin hat die Mechanismen der Evolution entdeckt, er hat sie jedoch nicht erfunden. Und vor allem hat er sicherlich nicht – wie der Film suggeriert – als eine Art wissenschaftlicher Zweit-Gott, den Menschen mit seiner Fortpflanzungstechnik ausgestattet. Vor allem aber hat er sich – und das lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen – bei seiner Arbeit nicht mit einer Gotteswolke beraten. Inwieweit der Quarks-Beitrag erfolgreich dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag nachkommt oder eher die ohnehin nicht besonders klaren Kenntnisse über Darwin und die Evolutionstheorie in der Bevölkerung weiter verwässert, darf also sicherlich diskutiert werden.

Man kann den Beitrag aber auch einfach mal nicht so ernst nehmen. Und das scheint wissenschaftlich denkenden Menschen wesentlich besser zu gelingen als religiösen, wie die gegen Null gehende Beschwerderate zeigt. Das Filmchen ist halt einfach ein Gag. Gott und Darwin im Gespräch über Mehrgeschlechtlichkeit und Gott als weibliche Wolke mit einem Regenbogen als Strahlenkranz, dem Symbol der LGBTQ-Bewegung. Das ist witzig. Und einen Witz muss man einfach auch mal stehen lassen können, selbst wenn er vielleicht nicht hundertprozentig gelungen ist.