Grundrechte für Primaten

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Auf nacktem Beton im Baseler Zoo
Auf nacktem Beton im Baseler Zoo

Am 13. Februar ist das Stimmvolk des schweizerischen Kantons Basel-Stadt aufgefordert, über eine gesetzliche Festschreibung von Grundrechten für nicht-menschliche Primaten abzustimmen. Das vor zehn Jahren von der Giordano-Bruno-Stiftung (re-)initiierte Great Ape Project unterstützt die Kampagne im Nachbarland nach Kräften: sie könnte zur Blaupause werden für die geplante Neuauflage der eigenen parlamentarischen Bemühungen hierzulande.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, nicht-menschlichen Primaten Grundrechte vorzuenthalten, die menschlichen Primaten ganz selbstverständlich zukommen. Umso weniger, wenn von Menschenaffen die Rede ist.

Befunde der modernen Genetik machen es naturwissenschaftlich völlig unhaltbar, überhaupt noch zwischen Menschen und Menschenaffen zu unterscheiden: die Erbgutunterschiede etwa zwischen Mensch und Schimpanse bewegen sich je nach Messmethode im minimalen Prozent- oder gar nur im Promillebereich. Tatsächlich, wie neueste Forschungen nahelegen, begründet sich der Erbgutunterschied zwischen Mensch und Schimpanse in einem einzigen kurzen Nukleinsäuremolekül (miR-941).

Seit den 1960ern wurden Unmengen ethologischer Erkenntnisse über das Leben Großer Menschenaffen in ihren natürlichen Lebenszusammenhängen gesammelt. Forscherinnen wie Jane Goodall, Dian Fossey und Biruté Galdikas zeichneten ein völlig neues Bild unserer "engsten Verwandtschaft", viele der Vorstellungen, wie sie bis dahin in Umlauf waren, mussten revidiert werden, manche in ihr komplettes Gegenteil. Auch außerhalb des akademischen Diskurses fanden die neuen Erkenntnisse Verbreitung: in zahllosen Büchern und Dokumentarfilmen wurde auf eindrucksvolle Weise gezeigt, dass die Großen Menschenaffen tradierte Formen von Kultur haben, einschließlich der Fähigkeit, Werkzeuge herzustellen oder bei Krankheiten bestimmte Heilkräuter einzusetzen, dass sie über Ich-Bewusstsein verfügen samt einer Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft, dass sie vorausschauend denken und planen können, Freude, Trauer, Leid und Mitgefühl empfinden und einen ausgeprägten Sinn für Humor haben, kurz: dass sie über kognitive, emotionale, soziale und kommunikative Fähigkeiten verfügen, die sich von denen des Menschen allenfalls graduell unterscheiden.

Ein Kriterium nach dem anderen, an denen seit den Tagen des Taxonomen Carl von Linné (1707–1778) Gattungsunterschiede zwischen Mensch und Menschenaffe festgemacht worden waren, erwies sich im Lichte der neugewonnenen Erkenntnisse als nicht länger haltbar: "Kaum war ein neues Merkmal ausgemacht", so der Primatologe Volker Sommer, "das die 'Sonderstellung' des Menschen weiterhin begründen sollte, fand sich bereits ein Affe, der sich darum nicht scherte."

So galt Werkzeuggebrauch lange Zeit als das "spezifisch Menschliche", bis Jane Goodall beobachtete, wie wilde Schimpansen mit eigens zugerichteten Zweigen Termiten angelten. Heute kennt man bei ihnen gut hundert verschiedene Formen des Werkzeugverhaltens. Auch Gorillas benutzen technische Hilfsmittel, beispielsweise wird beim Durchqueren eines Sumpfgebietes mit Hilfe eines Stocks die Tragfähigkeit des Bodens beziehungsweise die Wassertiefe sondiert. Orang-Utans sind wahre Meister des Werkzeuggebrauches: sie rollen Blätter zu Trinkhalmen oder Schöpfkellen zusammen, auch machen sie sich aus Blättern Regenschutzschirme oder "Handschuhe", um stachelige Früchte anfassen zu können; Stöcke unterschiedlicher Art und Länge setzen sie gezielt zum Aufstochern von Termitennestern ein, auch als Honiglöffel, Fruchtmesser, zur Körperpflege oder zur sexuellen Stimulation. Von Bonobos ist bekannt, dass sie mit bestimmten Werkzeugen sogar akustische oder optische Signale im sozialen Miteinander erzeugen.

Zur höher gelegten Messlatte gehörten Behauptungen wie die, nur Menschen würden Werkzeuge vorausschauend, also für künftigen Gebrauch fertigen und/oder sie für erneute Benutzung aufbewahren. Allerdings bestehen Menschenaffen auch vor diesem erweiterten Aufgabenkatalog. Neue Studien zeigen, dass sie zuweilen Werkzeuge, etwa Hammer- und Ambosssteine zum Knacken von Nüssen, an bestimmten Orten aufbewahren, um sie später erneut zu verwenden. Vor allem ihre kommunikativen Fähigkeiten sind frappierend: sie verfügen über eine Vielzahl vokaler, körpersprachlicher und gestischer Kommunikationsmittel, die sie kombiniert miteinander einsetzen können; und unzweifelhaft verfügen sie über die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, sprich: über eine "Theory of Mind", einschließlich eines Gespürs für Fairness und Gerechtigkeit.

Auf nacktem Beton im Baseler Zoo (Foto: © Archiv GAP)
Auf nacktem Beton im Baseler Zoo (Foto: © Archiv GAP)

Auch die Behauptung, nur Menschen könnten verschiedene Werkzeuge logisch hintereinander einsetzen, wurde von Menschenaffen widerlegt. Schimpansen etwa benutzen zum Aufspüren von Termiten- oder Ameisennestern im Boden erst einen starren Ast als Probebohrer; ist ein Nest entdeckt, wird die elastische Mittelrippe eines großen Blattes, die eigens zu diesem Zweck herausgeschält wurde, als Angel eingesetzt. Manche Schimpansen verwenden hierzu auch biegsame Stöckchen, deren Enden sie zu Bürsten zerkaut haben, so dass beim Angeln mehr Insekten hängenbleiben. Mit längeren Ästen – und damit aus sicherer Entfernung – fangen sie bissige Treiberameisen. Jede Schimpansengemeinschaft verfügt dabei über ein unverwechselbares Repertoire an Techniken und Gewohnheiten, mithin Traditionen, die örtlich entwickelt und sozial weitergegeben werden. Es lässt sich insofern durchaus von kulturellem Transfer sprechen, zu dem etwa auch tradierte Eigenheiten zählen wie die Scheu ostafrikanischer Schimpansen vor Wasser, während Schimpansen in Westafrika das Planschen im Wasser lieben. Vielerorts verzehren Schimpansen Termiten, was sie in Nigeria aber niemals tun, gleichwohl es dort Termiten gibt, und sie jeden Tag Ameisen essen.

Enge Verwandtschaft

Selbst die Vorstellung, die Großen Menschenaffen seien untereinander enger verwandt als mit dem Menschen, ist erwiesenermaßen falsch: der nächste Verwandte der Schimpansen und Bonobos ist nicht der Gorilla oder der Orang-Utan, sondern der Mensch. Bildlich ausgedrückt sind Menschen, Schimpansen und Bonobos Geschwister, Gorillas sind ihre gemeinsamen Cousins, und Orang-Utans sind etwas weiter entfernte Großcousins.

Vergleiche von Proteinen, Chromosomen und Genen belegen, dass sich von einem gemeinsamen "Vorfahren" vor etwa 11 Millionen Jahren zunächst die Orang-Utans abspalteten, erst vor etwa 6 Millionen Jahren die Gorillas. Die heutige Gattung Homo (mit dem Menschen) und die Gattung Pan (mit Schimpansen und Bonobos) teilten weiterhin einen gemeinsamen Vorfahren, ihre Linien begannen erst vor etwa 5 Millionen Jahren sich voneinander weg zu entwickeln. Die Stammbäume von Schimpansen und Bonobos trennten sich noch einmal vor etwa 1,5 Millionen Jahren. Auf verschiedene Formen von Urmenschen folgte vor etwa 200.000 Jahren der moderne Mensch (Homo sapiens). Dabei kreuzten sich die Linien der Vorfahren heutiger Schimpansen und Menschen über Millionen Jahre hinweg und vermutlich bis in die evolutionsgeschichtlich jüngste Zeit hinein.

Schimpansen und Bonobos stehen dem Menschen genetisch so nahe wie kein anderes Lebewesen, der Unterschied ist minimal. In der wissenschaftlichen Literatur wird am häufigsten ein Wert um 1,5 Prozent genannt, in dem Schimpansen sich von Menschen unterscheiden, während bis zu 4 Prozent zwischen einem Menschenmann und einer Menschenfrau liegen: genetisch besehen stehen Menschenmann und Schimpansenmann einander also näher als Menschenmann und Menschenfrau, eine Menschenfrau einer Schimpansenfrau näher als einem Menschenmann.

Der Evolutionsbiologe und Philosoph Richard Dawkins bringt es auf den Begriff: "Es gibt keine natürliche Kategorie, zu der Schimpansen [einschließlich Bonobos], Gorillas und Orang-Utans gehören, nicht aber der Mensch. Der Stammbaum zeigt, dass sich der Mensch mitten in der Gruppe der Menschenaffen befindet."

Das Baseler Nein-Komitee

Bezeichnenderweise wird die schweizerische Kampagne von Vertretern der Pharmaindustrie ebenso heftig befehdet wie von Vertretern des Freizeit- und Unterhaltungssektors. Im Rahmen eines eigenen "Nein-Komitees" sprechen die einen von "negativen Auswirkungen auf die Affen", sollte die Primaten-Initiative Erfolg haben: "Fragestellungen wie das Einschläfern eines schwer kranken [oder bei irgendwelchen Experimenten krank gemachten, d. A.] Tieres wären dann mit Rechtsunsicherheit verbunden", man könne sie nicht mehr ohne Weiteres einschläfern. Das aber wäre das Ende jeder Forschung. Die anderen, wortführend der Baseler Zoodirektor Oliver Pagan, warnen, man begebe sich mit der Zuerkennung von Grundrechten an Primaten auf eine gefährlich schiefe Ebene: Die "Marschrichtung" der Volksinitiative sei klar: Anfangs stünden nur Primaten im Fokus, nach und nach aber würden Grundrechtsforderungen auch für andere Tiere erhoben werden, Elefanten etwa oder Delfine. Das aber wäre das Ende der Zoos, die solche Tiere dann nicht mehr gefangen halten und zur Schau stellen dürften.

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