Aktion vor dem Kölner Dom

"Hängemattenbischof" mahnt Woelki

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Der "Hängemattenbischof" vor dem Kölner Dom
Der "Hängemattenbischof" vor dem Dom

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Der "Hängemattenbischof" nimmt den Kölner Dom symbolisch in die Zange
Kölner Dom "in der Zange"

Nun ist es soweit: In diesem Moment stellt Kardinal Rainer Maria Woelki das zweite Missbrauchsgutachten im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Bereits gestern war vor dem Kölner Dom die Skulptur des "Hängemattenbischofs" zu bestaunen.

Das Team um Aktionskünstler David Farago hatte schon einen langen Tag an Vorbereitungen hinter sich, als gestern der "Hängemattenbischof" vor dem Dom aufgebaut wurde: Dienstagmorgen um 4:30 Uhr war es losgegangen, mittags war die Skulptur in Düsseldorf auf den Anhänger geschnallt und mit atemberaubenden 60 Kilometern pro Stunde – schneller ließ sich die Figur nicht befördern – ins benachbarte Köln transportiert worden. "Wir dürfen die Figur netterweise wieder in den Räumlichkeiten der Künstlervereinigung 'Raum 13' unterstellen, wie schon den 'Eichelbischof'", erzählt Farago.

Der "Hängemattenbischof" stammt aus dem Düsseldorfer Karnevalsumzug von 2019, entworfen und erbaut vom Team des Wagenbaukünstlers Jacques Tilly, und hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich: Nach dem Karneval ging die Figur nach Polen und wurde mehrfach von dortigen Missbrauchs-Betroffenenverbänden eingesetzt. Sie wurde speziell beschichtet, damit sie widerstandsfähiger und langlebiger ist und die ursprüngliche Aufschrift "Die schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!" wurde auf Polnisch überschrieben mit "Pycha kroczy przed upadkiem" ("Hochmut kommt vor dem Fall"). Letzte Woche kehrte die Skulptur per Spedition über eine Strecke von 900 Kilometern zurück in ihre "Geburtsstadt" am Rhein. Dort wurde sie gereinigt, neu beschriftet und für ihren nächsten Einsatz vorbereitet.

Der "Hängemattenbischof" kommt in Düsseldorf an
Der "Hängemattenbischof" beim Ausladen nach seiner Ankunft in Düsseldorf.
(Foto: © Tilly Team)
Graupelkörner auf dem Bischofswagen
Ungemütliche Wetterbedingungen beim Aufbau haben ihre Spuren hinterlassen. (Foto: © Maximilian Steinhaus)

Gestern Morgen fand der Aufbau im Graupelschauer statt, das Märzwetter zeigte sich von seiner äußerst ungemütlichen Seite. Später ließ sich zwar die Sonne blicken, doch gleichzeitig fegte ein strenger, eiskalter Wind über die Domplatte. "In etwa so wie die Bistümer mit den Betroffenen umgehen", beschreibt es Farago, der die Versammlung leitet.

Neben dem "Hängemattenbischof" ist auch wieder die Kunstinstallation "Die Lange Bank des Missbrauchsskandals" zu sehen, diesmal erweitert um zwei weitere, die Opfer symbolisierende rote Bänke von je 2,20 Meter Länge. "Die stehen symbolisch für die vielen Fälle, die noch nicht bekannt sind, dafür, dass immer mehr Zeit vergeht und – entgegen der Aussage von Herrn Ackermann – immer mehr auf die lange Bank geschoben wird. Die wirkliche, echte Aufarbeitung lässt immer noch auf sich warten." Das gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz abgesägte und wieder angeleimte Stück ist auch wieder nachlackiert, der Schnitt ist aber noch gut erkennbar.

Die noch längere "Lange Bank"
Die "Lange Bank" ist jetzt noch länger ... (Foto: © Maximilian Steinhaus)

Neben David Farago und seinem Team von der Giordano-Bruno-Stiftung sind auch durchgängig fünf bis sieben Vertreter des "Aktionsbündnisses Betroffeneninitiativen" vor Ort, die ihre in einer Online-Petition gestellten Forderungen noch einmal im Großformat auf den Treppen zur Domplatte präsentieren.

Forderungen der Missbrauchsopfer auf der Domtreppe
Die Forderungen der Missbrauchsopfer auf der Domtreppe (Foto: © Maximilian Steinhaus)

Daneben habe man "ein Musterschreiben aufgesetzt, mit dem wir Amtshilfe betreiben; die Kölner – und gerne auch Bürger von anderswo – können es ausfüllen und per Einschreiben ans Amtsgericht schicken und damit kundtun, dass sie mit sofortiger Wirkung austreten wollen", erklärt Farago ein weiteres Element der umfangreichen Aktion. Das Formular liegt vor Ort aus und ist zusätzlich per QR-Code auf dem eigenen Endgerät abrufbar. "Wir fordern damit auch eine Überarbeitung der Gesetzgebung, damit ein sofortiger, unkomplizierter Kirchenaustritt möglich ist." Die Austrittstermine in Köln und andernorts in Nordrhein-Westfalen sind auf Monate ausgebucht (der hpd berichtete).

"Kirchenaustrittsstation"
Die "Kirchenaustrittsstation" (Foto: © Maximilian Steinhaus)

Erste Reaktionen

"Wir erhalten 99 Prozent Zustimmung", sagt der Versammlungsleiter über die Kölner Reaktionen, darunter zwei Polizistinnen, die sich mit Aufklebern und Infomaterial eingedeckt hätten. "An anderer Stelle gibt es aber auch mehr Gegenwind als vor drei Wochen." Die Art der frechen Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauchsaufarbeitung werde in Frage gestellt: "Zwei junge Frauen haben sich über das Schild ['Das ist die katholische Kirche: Missbrauch vertuschen, Entschädigung auf die lange Bank schieben, aber Milliarden bunkern!'] aufgeregt. Das greife zu kurz, meinten sie, da die Kirche ja auch so viel Gutes tue, und es sei eine Frechheit, diese so zu beleidigen."

Wer sich außerdem beschwerte: Stadtreinigung und Ordnungsamt, weil ein paar Jugendliche eine Handvoll Aufkleber in der ganzen Stadt verklebt hatten. "Die wollten erreichen, dass wir die Aufkleber nicht mehr rausgeben, da habe ich gesagt, dass das nicht möglich ist, das sind die beliebtesten Sachen am Stand. Jeder kann ja selbst bestimmen, was er oder sie damit anfängt", kommentiert der Aktionskünstler.

Viele Leute hätten sich zudem mit lobendem Charakter, wie Farago betont, erstaunt gezeigt, wie es die Aktivisten geschafft hätten, direkt vor dem Dom stehen zu dürfen. Schließlich freute der Versammlungsleiter sich auch über ein reges Medieninteresse schon am ersten Tag: bereits ein gutes Dutzend Pressevertreter, auch international – beispielsweise aus den Niederlanden und Österreich –, hätten dem "Hängemattenbischof" bereits einen Besuch abgestattet.

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