Notizen aus Polen

Herbstliches Absurd-Theater in Polen

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Polen ist keine Republik mehr. Das Land hat jetzt einen König: Jesus Christus. Am 19. November wurde er in der Krakauer Kirche, Łagiewniki, zum König Polens inthronisiert. Mit dabei waren der Staatspräsident, zahlreiche Abgeordnete, hohe Staatsbeamte und rund 6.000 Gläubige.

Die Idee entstand Anfang den 20. Jahrhunderts. Die polnische Krankenschwester Rozalia Celak hatte Visionen, in denen Jesus von den polnischen Behörden verschiedene Handlungen verlangte, davon auch die Anerkennung, ihn als König Polens einzusetzen.

Seit damals wurden verschiedene Initiativen unternommen um diese Vision zu verwirklichen, auch in jüngsten Zeiten. Die Amtskirche war dagegen. Noch im März 2008 erklärte der Episkopat, dass die Erklärung Christus zum König von Polen "unangebracht und unnötig ist". Diese Stellungnahme wurde im Jahre 2012 wiederholt. Aber im Januar 2016 erklärte der Bischof Andrzej Czaja: "Wir sind zu der Meinung gekommen, dass die Anerkennung der Herrschaft Jesus theologisch zulässig ist."

Der Anerkennungsakt erfolgte im April dieses Jahres und die groß angelegten Feierlichkeiten fanden eben am 19. November statt.

Die Internetgemeinschaft hat darauf heftig reagiert. Man könnte das als eine lächerliche Veranstaltung betrachten, wenn das nicht der neueste Beweis für die unbegrenzte Macht und Arroganz der Kirche wäre. Zudem noch in Anwesenheit des Präsidenten des Staates und hoher Politiker der regierenden Partei. Es sei mehr zum Weinen, als zum Lachen.

Am gleichen Tag sind in Warschau Zehntausende (nach verschiedenen Angaben 30 – 50 Tausend) Lehrer und Eltern gegen die geplante Schulreform auf die Straße gegangen. Die PiS-Regierung will die Mittelschule abschaffen und stattdessen das System aus kommunistischer Zeit wieder einführen. Vor dem Parlament schütteten die Demonstranten einen Haufen aus Schulkreide auf. Sie vertreten die Auffassung, dass es keine sachlichen Argumente für die Reform gebe.

Die Opposition ist überzeugt, dass der wahre Grund der Reform der Austausch der Schuldirektoren und die Entlassung von "trotzigen" Lehrern sei. Es werden auch neue Lehrpläne und Schulbücher eingeführt, die der "patriotischen" Erziehung der Kinder dienen sollen. Der Organisator des Protests, die Lehrergewerkschaft ZNP, befürchtet, dass 7.000 Schulen geschlossen und ca. 37.000 Lehrer entlassen werden.

Am 19. Dezember läuft die Amtszeit des bestehenden Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, Professor Rzepliński, ab. Die PiS-Parlamentsmehrheit hat ein Gesetz über das Verfahren der Wahl des neuen Vorsitzenden verabschiedet. Das Gesetz ist so geschrieben, dass nur die von PiS ernannten Verfassungsrichter die Wahlkriterien erfüllen können. In einigen Wochen wird in Polen so gut wie kein unabhängiges Verfassungstribunal mehr bestehen. Die zahlreichen Proteste zur Verteidigung des Tribunals haben so gut wie nichts erreicht.

Der wahre Machthaber Polens, Jarosław Kaczyński, hat schon vor einiger Zeit verkündet, dass im Dezember wichtige Dinge in Polen passieren werden. Hat er nur das Ende des Verfassungsrechts gemeint, oder hat er für die Polen ein weiteres teuflisches Geschenk vorbereitet? Viele Leute vertrösteten sich immer wieder: "Das kann PiS nicht mehr wagen". Doch die PiS hat mehrfach bewiesen, dass sie alles wagt.