Eine journalistische Thematisierung

Der hybride Krieg autoritärer Systeme

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Zwei FAZ-Journalisten, Reinhard Bingener und Markus Wehner, verweisen in ihrer neuen Monographie darauf, dass sich nicht nur Deutschland bereits in einem "hybriden Krieg" befindet. Ihr gemeinsames Buch "Der stille Krieg. Wie Autokraten Deutschland angreifen" macht auf die einschlägigen Gefahrenpotentiale anhand vieler konkreter Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit aufmerksam.

Es gibt nicht nur Kriege, die etwa aus Panzerschlachten bestehen. Es gibt auch Kriege, die unterhalb dieser Schwelle zu verorten sind. Dafür wird die Bezeichnung "hybride Kriege" genutzt, wobei die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Mittel fällt. Dazu gehören gerade nicht-militärische Instrumente, etwa Anschläge auf die kritische Infrastruktur oder Kampagnen zu Propagandazwecken. Folgt man dieser Auffassung in seiner Konsequenz, dann ist Deutschland bereits im Krieg. Indessen ist dies eher ein "stiller Krieg", welcher in diesem Sinne öffentlich nicht so richtig wahrgenommen wird. Auf dessen unterschiedliche Dimensionen machen jetzt zwei Journalisten aufmerksam: Reinhard Bingener und Markus Wehner, beide FAZ-Mitarbeiter im Politik-Ressort. Ihr Buch ist mit "Der stille Krieg. Wie Autokraten Deutschland angreifen" überschrieben. Es will die hybride Kriegsführung insbesondere von Russland aus thematisieren, aber auch den Blick auf China und die Türkei werfen, jeweils mit Deutschland als konkretem Zielobjekt.

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In der Einleitung findet man dazu grundsätzliche Erläuterungen, die sich sowohl auf Definitionen wie Spezifika beziehen. Denn bislang besteht noch ein eher unterentwickeltes öffentliches Bewusstsein des gemeinten Phänomens. Dabei wird auch eine Allianz der Autokraten aufgezeigt, aber ebenso die Schwäche des Westens veranschaulicht. Auf den hybriden Angriff ist man ebendort auf unterschiedlichen Ebenen noch nicht vorbereitet, sei es hinsichtlich der politischen Einsicht, sei es hinsichtlich der militärischen Reaktionsfähigkeit. Diese Ausführungen liefern den theoretischen Rahmen, um die folgenden Darstellungen und Einschätzungen besser nachvollziehen zu können. Dort behandeln die Autoren jeweils Ereignisse in unterschiedlichen Kontexten, die für diese neue Form der Kriegsführung ohne gestrenge militärische Merkmale auszumachen sind. Nur so lassen sich auch die späteren Beispiele besser einordnen, wirken sie doch durch die tägliche Medienberichterstattung eher isoliert und kontextlos.

Dass dem eben nach den Autoren gerade nicht so ist, kann als zentrale Botschaft verstanden werden. Die beiden Journalisten widmen sich in den folgenden Kapiteln den unterschiedlichsten Phänomenen in diesem Zusammenhang. Den Anfang macht die klassische Spionage, die auch Gegenwart und nicht nur Geschichte ist. Dem folgend geht es um einen Blick auf die politische Elite, die sich auf Kooperationen mit autoritären Regimen eingelassen hat. Es mag hier als Beispiel nur der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder genannt werden. Danach fällt der Blick auf diverse politische Morde, die auch auf deutschem Boden häufiger Praxis waren. Neure Aktivitäten erfolgen durch Einmal-Agenten, insbesondere bei Sabotageaktivitäten in unterschiedlichen Zusammenhängen. Auch die Bestrebungen von Hackern sind ein gesondertes Thema. Und dann geht es noch um Desinformationen über das Internet, aber auch am Rande um Parteien: Die AfD und das BSW gelten als "Putins Querfront". Und dann wird auch die Migration noch als Waffe thematisiert.

Das Geschilderte ist nicht wirklich neu, man kennt all dies aus der Medienberichterstattung. Und es darf den Autoren gegenüber auch gesagt werden, dass es hier um Zweitverwertungen geht. So wirken die einzelnen Kapitel ein wenig so wie schon einmal gelesen. Dadurch entsteht auch ein klareres Bild, das die unterschiedlichen Kontexte viel konzentrierter erkennen lässt. Deren Dimensionen hätte das Schlusswort noch einmal zugespitzter deutlich machen können, wenngleich auch die Fallbeispiele das Gemeinte schon gut veranschaulichen. Manche Formulierungen könnten indessen Missverständnisse auslösen: AfD und BSW sind nicht von Putin gesteuert, worin etwa gegenüber früheren kommunistischen Parteien ein wichtiger Unterschied besteht. Gleichwohl agieren die Genannten in einem Kontext, welcher der autoritären Herrschaft in Russland dient. Auch dieser Aspekt sollte in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden. Dazu liefern die Autoren viele Detailinformationen, die ein Bedrohungsszenario nicht nur für den Westen veranschaulichen.

Reinhard Bingener/Markus Wehner, Der stille Krieg. Wie Autokraten Deutschland angreifen, München 2025, C.H. Beck-Verlag, 362 Seiten, 20 Euro

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