Rezension

Katar – nicht nur wegen der Fußballweltmeisterschaft interessant

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Die Skyline von Doha, der Hauptstadt von Katar
Katar, Doha Skyline

Nicht nur wegen der Fußballweltmeisterschaft ist Katar von Interesse, wie gerade die energiepolitische Entwicklung veranschaulicht. Der Politikwissenschaftler Nicolas Fromm legt mit "Katar. Sand, Geld und Spiele" ein informatives und sachkundiges Portrait auf engem Raum vor. Indessen hätte nicht nur die Beziehung zu islamistischen Gruppen noch ein relevanteres Thema sein können.

Spätestens mit der Fußballweltmeisterschaft wird Katar in den Mittelpunkt der medialen Wahrnehmung rücken. Dafür gibt es noch weitere Gründe, die nichts mit dem sportlichen Interesse zu tun haben. Bekanntlich soll Flüssiggas aus Katar es möglich machen, dass Deutschland energiepolitisch unabhängiger von Russland wird. Doch entstehen dadurch nicht neue Abhängigkeiten von einem autoritären Regime? Dies ist nur eine von vielen Fragen, die sich mit Blick auf den Kleinstaat stellen. Eine informative Darstellung dazu legte Nicolas Fromm, Politikwissenschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, vor. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Golfstaaten und dabei insbesondere Katar. Fromm liefert aber keine wissenschaftliche Monographie zum Thema. Sein Buch "Katar. Sand, Geld und Spiele. Ein Porträt" präsentiert auf engem Raum das, was man als Basisinformationen zu Land und System bezeichnen könnte. Er will auch einer "im Westen leider manchmal ignorant-überheblichen Berichterstattung" (S. 13) entgegenwirken.

Cover

Diese Ankündigung erweckt dann besonderes Interesse. Indessen hält er sich mit dezidierten Einschätzungen und Wertungen eher zurück. Dominant ist die beschreibende Information zu Sachthemen, auffällig aber auch der Problempunkten gegenüber nur marginale Stellenwert. Zunächst soll es jedoch um die Inhalte gehen: Nach einleitenden Anmerkungen zur Bedeutung von Katar werden Geographie und Umwelt veranschaulicht. Die Grenzen zu vielen Staaten gehen verständlicherweise mit vielen Wechselverhältnissen einher. Danach ist der ökonomische und politische Aufstieg ein Thema, wobei eine Herrscherfamilie eine herausragende Rolle spielte. Nach Fromm gehören aber bis zu 25 Prozent der Staatsbürger familiär dazu. Der Autor sieht nachvollziehbarerweise insbesondere in dem Emir Hamad die Herrscherfigur mit der stärksten Wirkung, sei das kleine Land doch durch seine Politik zu einer international relevanten Wirtschaftsmacht geworden.

Indessen handelt es sich um keine Demokratie und um keinen Rechtsstaat, sondern um eine "absolute (Erb-)Monarchie mit faktisch uneingeschränkter Macht des Herrschers" (S. 46). Man könnte auch deutlicher von einer Diktatur sprechen. Berechtigt weist der Autor darauf hin, dass allenfalls von einer Beratungsrolle bei der "Schura" gesprochen werden kann. Hier hätte man sich schon deutlichere Einordnungen vorstellen können, was doch nichts mit irgendwelchen westlichen Vorurteilen zu hat. Denn so erklären sich auch andere Besonderheiten im Land, welche von Fromm in späteren Kapiteln keineswegs verschwiegen werden. Dies gilt für die Arbeitsbedingungen im niedrigeren Lohnsektor ebenso wie für die offensichtlichen Grenzen der Pressefreiheit. Auch die hohe Bedeutung des religiösen Glaubens im öffentlichen Leben ist zwar ein Thema, hätte aber von größerer Wichtigkeit sein können. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Diese kritikwürdigen Aspekte werden nicht verschwiegen, es geht hier um deren inhaltlichen Stellenwert.

Dies gilt noch für einen anderen Gesichtspunkt, nämlich die Frage, inwieweit der Islamismus von Katar gefördert wird. Der Autor spricht sehr wohl die Kooperation mit der Muslimbruderschaft an. Er betont dabei auch berechtigt, dass es sich hier um keine terroristische Organisation handele. Gleichwohl wird von ihr die gleiche Ideologie eben wie im islamistischen Terrorismus vertreten. Darüber hinaus haben journalistische Recherchen zu Tage gefördert, dass hier massive Gelder in islamistisches Wirken fließen. Es geht dabei nicht nur um Gewalthandlungen, und das Label "Terrorist" ist nicht nur "stark politisch motiviert" (S. 112). In derartigen Fragen lassen sich Leerstellen und Relativierungen konstatieren. Dies macht dann auch den Austragsort der Fußballweltmeisterschaft mit problematisch. Die gegen Ende angesprochene Entwicklung hin zu diesem Projekt wird noch ausführlicher Thema sein, je näher die sportlichen Ereignisse heranrücken. Der Autor liefert wichtige Basisinformationen zum Land, hätte aber in vielen Punkten kritischer sein können.

Nicolas Fromm, Katar. Sand, Geld und Spiele. Ein Porträt, München 2022, C. H. Beck-Verlag, 170 Seiten, 16,95 Euro

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