Kommentar

Das Kopftuch hat im Gerichtssaal nichts zu suchen

kopftuch.jpg

Schottland erlaubt den Hijab als Polizistinnen-Uniform. In Deutschland glaubt ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung, dass eine Richterin mit Kopftuch eine notwendige Zumutung sei. Er hat Recht, es wäre eine Zumutung. Eine notwendige keinesfalls.

Im Gerichtssaal hat das Kopftuch nichts zu suchen, andere religiöse Zeichen wie die Kreuze sollten ebenfalls entfernt werden. 

Beamte verkörpern den Staat. Sie stehen in einem besonderen Näheverhältnis zum Staat und haben ihm gegenüber Dienstpflichten. Richter sind aufgrund ihrer Weisungsfreiheit, die für ihre Rechtssprechung gilt, keine Beamte. Ihnen ist die rechtssprechende Gewalt anvertraut, welche sie im Rahmen der Gerichte ausüben. Das Urteil, also die Entscheidung eines Richters im Gerichtsverfahren, ist ein staatlicher Hoheitsakt. 

Wer deshalb in dem Beamten oder Richter primär den Grundrechtsträger sieht und die Freiheitsansprüche eines Grundrechtsträgers auf den Beamten oder Richter in seiner beamtenrechtlichen Funktion und Stellung 1:1 übertragen sehen will, verkennt grundlegende Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat.

Der Staat ist Grundrechtsverpflichtet und nicht Grundrechtsberechtigt. Das heißt, er muss für die Gewährleistung der Grundrechte gegenüber dem Bürger Sorge tragen. Das Beamtenverhältnis als besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat ist gerade keine vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägte Rechtsbeziehung. Ebensowenig dasjenige der Judikative, welche eine der Teilgewalten des Staates ist. 

Der Grundrechtsschutz für Richter und Beamte ist funktionell begrenzt. Funktionell begrenzt aus ihrer jeweiligen Stellung heraus, z.B. Dienstpflichten des Beamten, Neutralitätspflicht für Richter und Beamte, welche sich aus der Verfassung selbst ergeben. Wer Richter oder Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Beamte genießen in Folge dessen bereits vom Ansatz her nicht den selben Grundrechtsschutz wie der Bürger dem sie gegenübertreten: Sie sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilhaben.

Es ist ein Irrtum die Freiheit des Bürgers 1:1 auf den Richter oder Beamten zu übertragen und damit zu argumentieren, dass er seine grundrechtliche Freiheit so weit wie irgend nur möglich mit in seine beamtenrechtliche oder richterliche Funktion und Stellung hineinnehmen müsste. Wer so argumentiert, verkürzt im Ergebnis lediglich die Freiheit des Bürgers und weicht zu seinem Nachteil die funktionellen Grenzen auf, die dem Verhältnis von Gesellschaft und Staat entspringen. Die Neutralität, die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit, die sich in Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten ausdrückt, ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Richters gegenübertritt. Gleiches gilt für die Dienstpflichten sowie das Mäßigungs- und Neutralitätsgebot des Beamten. Ist es vorstellbar, dass ein Schiedsrichter im Trikot seiner Lieblingsmannschaft mit auf das Spielfeld läuft?